Vor dem Studium- Euer Berufsalltag- Was sollte ich mitbringen?

  • Lieber Rechtspflegeranwärter und Rechtspfleger,

    ich freue mich nun in diesem Forum aktiv zu sein.

    Ich habe bereits einige Bewerbungen für das Jahr 2021 für das duale Studium zum Rechtspfleger verschickt. Ich befinde mich aktuelle in einer kaufmännischen Ausbildung zum Industriekaufmann. Nur leider habe ich gemerkt, dass die Jobmöglichkeiten dieses Berufes nicht mit meinen persönlichen Interessen übereinstimmen. Ich habe gemerkt, wie mich im Speziellen die arbeitsrechtlichen Themen in der Ausbildung und auch die allgemeinen Themen des BGB begonnen haben, mich extremst zu ineressieren. Ich fand es spannend, etwas über Anfechtung und Nichtigkeit und die unterschiedlichen Fälle zu hören. Ich erachte es als äußerst wichtig zu wissen, welche Rechte man als Arbeitnehmer hat. Ich setze mich sehr gerne privat mit Steuerrecht, Mietrecht und Sozialrecht außeinander. Hier habe ich es zum Beispiel schon geschafft die Hausverwaltung zum Herausrücken eines Betrages zu bringen, nachdem ich das passende Gerichtsurteil vorgelegt hatte.

    Während meiner Zeit an der Fachoberschule hatte ich die Gelegenheit dazu einmal mit einer Richterin am Amtsgericht zu reden. Das war ein so prägendes Ereigniss, dass es mir Jahre danach im Kopf geblieben ist. Vor einiger Zeit klagte ich einmal am Sozialgericht und bekam ernst gemeintes Lob von meiner Anwältin, wie ich die Klage selbstständig verfasst hatte.

    Man sieht also durch und durch, Recht begeistert mich jeden Tag.

    Nun was mir während meiner Ausbildung fehlt ist aktuell der Kontakt mit Menschen, den habe ich nicht. Die Inhalte sind mir viel zu kaufmännisch. Mir fehlen die juristischen Inhalte.

    Ich bin euch sehr dankbar, wenn ihr mir mal was über eure Anwärterzeit und eure Erwartungen an das duale Studium erzählen könntet. Wie viel Kontakt mit Menschen habt ihr wirklich? Wie gut sind die Chancen nach der Anwärterlaufbahn Amtsanwalt zu werden? Seht ihr mich in einer guten Position mit meinem rechtlichen Interesse und einem guten Fachabi (1,9) an so einen Job zu kommen.

    Im Voraus vielen Dank

  • Aktuell haben wir coronabedingt kaum Kontakt mit Menschen :cool:

    Ist aber der absolute Ausnahmezustand. Gerade auf der Rechtsantragsstelle/im Bürgerservice (wo man gerade als "Neuling" gerne eingesetzt wird), bekommt man die volle Bandbreite zu Gesicht.

    Amtsanwalt: Bisher sind alle, die es werden wollen, auch AA geworden - zumindest von den Leuten, die ich kenne. Die Chancen stehen wohl insgesamt recht gut.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Aktuell haben wir coronabedingt kaum Kontakt mit Menschen :cool:
    Ist aber der absolute Ausnahmezustand..

    Kann ich so für das Nachlassgericht nicht unterstreichen.
    In normalen Wochen habe ich ca. 20 Termine mit "Leutz".
    In den unnormalen Wochen ( zu denen auch Samstagstermine gehören ) sind es natürlich mehr.

  • Herzlich willkommen im Forum! :)

    Du musst nicht so förmlich sein, wir sind alle nur Menschen.

    Zu deinen Fragen:
    Ich bin mir ein wenig unsicher, ob du die Richtung kennst, in der sich Rechtspfleger bewegen. Böse ausgedrückt hat es äußerlich mehr gemeinsam mit dem, der dir den neuen Perso ausstellt, als mit Richter Hold im Fernsehen. In den meisten Sachgebieten sitzt man in seinem Büro und bearbeitet Akten. Aber natürlich gibt es auch Sachgebiete mit Publikum, das im Normalfall aber nicht "tagfüllend" ist, sondern zwischendurch vorkommt. Spontan würde ich sagen, wenn du einen Beruf mit viel Kontakt zu Außenstehenden möchtest, ist der Beruf des Rechtspflegers nicht unbedingt der richtige. Da ich aber in einem Sachgebiet mit quasi 0 Publikum unterwegs bin, überlasse ich die abschließende Beurteilung dieses Themas lieber den involvierten KollegInnen :D

    Zum Thema Amtsanwalt:
    Langsam hätte ich dazu gerne mal eine Statistik mit folgenden Punkten: Wie viele beabsichtigen vor Beginn des Rpfl-Studiums, später die Amtsanwaltslaufbahn einzuschlagen, wie viele direkt nach dem Studium und wie viele nach 5 Jahren Beruf. :D Das Problem an der Amtsanwaltslaufbahn ist, dass man erst mehrere Jahre Berufserfahrung benötigt, um sich darauf bewerben zu können (zumindest ist das bei uns so) und sie sollte idealerweise natürlich in der Staatsanwaltschaft absolviert worden sein. Bis die Option der Bewerbung wirklich da ist verändert sich aber nunmal das Leben. Vielleicht kauft man ein Eigenheim, gründet eine Familie, wird Vorstand im örtlichen Fußballverein, whatever. Das Studium zum Amtsanwalt ist ausschließlich in Bad Münstereifel. Ob man zu diesem Zeitpunkt noch bereit ist, diese Entfernung (je nachdem woher man kommt) auf sich zu nehmen muss jeder selbst beurteilen.
    Für mich persönlich sprechen noch folgende Punkte gegen die Laufbahn:
    - Der Rechtspflegerberuf ist meiner Meinung nach sehr vielfältig, da es sehr viele Einsatzbereiche gibt. Die Amtsanwaltslaufbahn hat nur einen Einsatzbereich. Wenn du dann merkst, dass dieser dir vielleicht nicht so gut gefällt wie du dachtest, kannst du nicht mal eben wechseln.
    - Man ist irgendwie auch ganz froh, mal irgendwann irgendwo anzukommen, beruflich gesehen. Studium fertig, im Job angekommen, bestimmten Kollegenkreis, bestimmtes Umfeld etc. Sich da mit Ende 20 wieder herauszureißen, wieder anfangen mit lernen für ein Aufbaustudium, das mag eben nicht jeder. Ich persönlich genieße es nach 13 Jahren Schule und 3 Jahren Studium sehr, den Abend für mich zu haben. Im Studium ist es eben immer "du musst noch lernen", "Eigentlich müsstest du dir das noch anschauen", es ist eben nie genug. Das hat man bei der Arbeit meiner Meinung nach nicht. Und sich nach einigen Jahren Beruf wieder in dieses Gefühl zurück zu begeben ist ein ganz schöner Schritt.
    - Der finanzielle Sprung ist nicht so hoch, wie man sich das vorstellt. Amtsanwälte bekommen A12, Oberamtsanwälte A13. Diese Besoldungsstufen kann man auch auf einigen Rechtspflegerstellen erreichen, wenn auch je nachdem vielleicht etwas später.

    In erster Linie solltest du dich für oder gegen das Rechtspflegerstudium entscheiden. Wenn dir das so gar nicht zusagt und du nur auf die Amtsanwaltslaufbahn hinaus willst, solltest du es meiner Meinung nach bleiben lassen.

  • Zitat

    Ob man zu diesem Zeitpunkt noch bereit ist, diese Entfernung (je nachdem woher man kommt) auf sich zu nehmen muss jeder selbst beurteilen.

    Was man dazu noch berücksichtigen muss ist, dass es in NRW nur 19 Staatsanwaltschaften gibt aber 19 Landgerichte und 129 Amtsgerichte. Die "Auswahl" (so es die überhaupt geben mag) von Einsatzorten als Amtsanwalt ist also deutlich eingeschränkt. Da kann die Erhöhung auf A12 auch mal schnell für Benzin draufgehen. Von der Lebenszeit im Auto mal ganz abgesehen.

  • "Ich habe gemerkt, wie mich im Speziellen die arbeitsrechtlichen Themen in der Ausbildung und auch die allgemeinen Themen des BGB begonnen haben, mich extremst zu ineressieren."


    "Ich setze mich sehr gerne privat mit Steuerrecht, Mietrecht und Sozialrecht außeinander."


    "Vor einiger Zeit klagte ich einmal am Sozialgericht und bekam ernst gemeintes Lob von meiner Anwältin, wie ich die Klage selbstständig verfasst hatte."


    "Wie gut sind die Chancen nach der Anwärterlaufbahn Amtsanwalt zu werden?"


    Wenn ich all das höre, dann stellt sich mir nur eine einzige Frage: "Warum studierst du nicht Jura?" Denn nichts davon klingt danach, als ob du unbedingt Rechtspfleger werden möchtest und dich darüber kundig gemacht hast.


    Hier würde ich dir erst einmal dringend ein Praktikum im Gericht und bei der Staatsanwaltschaft anraten. Denn es ist zu befürchten, dass du die Rechtspflegerlaufbahn aus den falschen Gründen und mit den falschen Vorstellungen angehst und ggf. gar nicht weißt wie und was ein Rechtspfleger arbeitet. Auch ein Praktikum bei den Amtsanwälten ist dringend anzuraten- denn Amtsanwälte sind in der Staatsanwaltschaft tätig- sie bearbeiten also ausschließlich Strafverfahren, wusstest du dies?

    Viel Glück und überlege, ob dieser Weg dich zu deinem Ziel führt- denn wenn du Rechtspfleger werden solltest und erst dann feststellst, dass dies nichts mit deinen Interessen zu tun hat bzw. nicht so ist wie du es dir vorstellst, wäre dies fatal

  • Hallo Alex 98 und willkommen im Forum!

    Dein Interesse an juristischen Inhalten und dein Wunsch, im Job mehr mit Menschen zu tun haben zu wollen, ist als Ausgangslage für das duale Studium der Rechtspflege nicht verkehrt. Wie aber bereits in den Posts über meinem erklärt, hat man nicht zwangsläufig mit Publikum zutun. Der spätere Kontakt zum Publikum ist ganz davon abhängig, wo man nach seinem Studium eingesetzt wird.

    Auch bezüglich deiner Frage zu den Chancen, an einen Studienplatz zu kommen, gibt es keine konkrete Antwort. Es kommt ganz darauf an, in welchem Bundesland du dich bewerben möchtest. In Hessen musst du beispielsweise erst einen vierstündigen Einstellungs-/Intelligenztest absolvieren, bevor du in die nächste Runde kommst. Mit einer guten Fachabi-Note und einer ansprechenden Bewerbung wirst du bestimmt zu diesem Test eingeladen. Und auch nach dem Bestehen des Tests gibt es kein klassisches Bewerbungsgespräch, sondern eine Gruppendiskussion und ein psychologisches Gespräch, in dem du nicht unbedingt nach deiner Motivation gefragt wirst. Wenn du den ersten Test nicht bestehst, kannst du allerdings auch niemanden von deinem Interesse für diese Laufbahn überzeugen.

    Möchtest du dieses Studium aber unbedingt absolvieren und bist bereit, dich vielleicht auch in verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Bewerbungsverfahren zu bewerben und dich gut auf das jeweilige Auswahlverfahren vorzubereiten, dann wird es auch klappen.

    Deine Frage nach der Anwärterzeit und den persönlichen Erwartungen wurde im Forum schon beantwortet. Schau z.B. mal hier, hier habe ich in Bezug auf das duale Studium in Hessen bereits ein paar Fragen beantwortet:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1190848

    Deine Frage zur Fortbildung zum Amtsanwalt wurde ja schon weitgehend beantwortet. Auch hier ist es wieder ganz davon abhängig, auf welches Bundesland man blickt. In Thüringen beispielsweise gibt es wohl nicht viele solcher Stellen. Man sollte das Studium der Rechtspflege nicht mit dem Ziel antreten, Amtsanwalt zu werden. Du wirst als Rechtspfleger ausgebildet und auch dringend benötigt. Ich fühle mich jedenfalls (bis jetzt – ich bin selbst noch relativ am Anfang) bei der Justiz ziemlich wohl. Wohler, als ich mich in meinem vorherigen Job in der freien Wirtschaft gefühlt habe und auch wohler, als ich mich an der Universität gefühlt habe.

    Wenn du dich also für die Inhalte interessierst, gerne im öffentlichen Dienst anfangen möchtest und dir ein relativ breites Einsatzgebiet wünschst und dich das Berufsbild des Rechtspflegers reizt, dann bewirb dich :) Allerdings kann ich Insulaner in dem Punkt nur zustimmen, dass du dir vielleicht auch das Jurastudium mal anschauen solltest.

  • Möchtest du dieses Studium aber unbedingt absolvieren und bist bereit, dich vielleicht auch in verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Bewerbungsverfahren zu bewerben und dich gut auf das jeweilige Auswahlverfahren vorzubereiten, dann wird es auch klappen.

    Das denke ich auch. :) Kann einem ja auch durchaus später noch passieren, eine Versetzung. Flexibel sein ist immer ein guter Ratgeber ;)

  • Die "Versetzung" zwischen einzelnen Bundesländern ist aber extrem schwierig.
    Man sollte sich also nur dort bewerben, wo man sein Leben längerfristig auch verbringen möchte.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die "Versetzung" zwischen einzelnen Bundesländern ist aber extrem schwierig.
    Man sollte sich also nur dort bewerben, wo man sein Leben längerfristig auch verbringen möchte.

    Ja ich bringe eine hohe Flexibilität mit und habe zum Glück schon eine zusage bekommen :) hat geklappt

  • Die "Versetzung" zwischen einzelnen Bundesländern ist aber extrem schwierig.
    Man sollte sich also nur dort bewerben, wo man sein Leben längerfristig auch verbringen möchte.

    Aber theoretisch doch möglich, oder?

  • [quote='Gegs','RE: Vor dem Studium- Euer Berufsalltag- Was sollte ich mitbringen? ich bringe eine hohe Flexibilität mit und habe zum Glück schon eine zusage bekommen :) hat geklappt

    Toll!! Glückwunsch. :)

    Vielen Dank :) bewirbst du dich auch für 2021? Versetzung geht wohl rein theoretisch , aber mir wurde im AC klar gemacht, dass ich mich an das Bundesland binde. So einfach scheint es in der Praxis also nicht zu sein

  • habe zum Glück schon eine zusage bekommen :) hat geklappt

    Herzlichen Glückwunsch!

    @ Romanum:
    Theoretisch wohl möglich. Ich bin keine Rechtspflegerin, deshalb bin ich wenig aussagekräftig. Aber wenn manchmal so liest, wie lange hier manche versuchen, der Heimat wieder näher zu kommen. Außerhalb des Wochenendpendelbereichs wäre die beste Arbeit nix für mich.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • habe zum Glück schon eine zusage bekommen :) hat geklappt

    Herzlichen Glückwunsch!

    @ Romanum:
    Theoretisch wohl möglich. Ich bin keine Rechtspflegerin, deshalb bin ich wenig aussagekräftig. Aber wenn manchmal so liest, wie lange hier manche versuchen, der Heimat wieder näher zu kommen. Außerhalb des Wochenendpendelbereichs wäre die beste Arbeit nix für mich.


    Vielen Dank :)!

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