Corona - Abgesenkte Umsatzsteuersätze vom 01.07.2020 bis 31.12.2020

  • Es liegt der erste Antrag eines Sachverständigen auf richterliche Festsetzung vor, mit der von Jublo genannten Argumentation. Ich kann ja mal ein Update geben, falls ich höre, was daraus wird.

    Der Sachverständige hat den Antrag nach einer Stellungnahme der Bezirksrevision, die mir Recht gegeben hat, zurückgenommen. Hier also nichts neues dazu.

    Danke, dann gebe ich es mal an die Anwältin so weiter. Mit der kann man reden :).

    Gruß Grottenolm

    Gibt's da schon Neues? Ich mache gerade erstmalig eine Rückforderung wegen der geänderten Umsatzsteuer. Ich weiß, wie, mich würden nur die Erfahrungswerte interessieren.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Wie ich jetzt lernen durfte, ist § 8 RVG abdingbar. So wurde in meinem Fall im Dezember 2019 auf Beklagtenseite vereinbart, eine Zwischenabrechnung für die Rechtsschutzversicherung zu erstellen. Der Rechtsstreit endete erst im September 2020 nach Klagerücknahme. Kläger trägt die Kosten.

    Auf Beklagtenseite ist nur die Verfahrensgebühr entstanden. Diese wurde nebst Auslagenpauschale und 19 % Umsatzsteuer zur Festsetzung beantragt (Bekl. ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt). Im KFB habe ich nur 16 % Umsatzsteuer festgesetzt und dies damit begründet, dass die Gebühren erst im September 2020 fällig geworden sind. Nun legt die Beklagtenpartei Erinnerung ein. Die Klagepartei ist der Meinung, dass sie die durch Vereinbarung vorverlegte Fälligkeit nicht gegen sich gelten lassen muss. Der Meinung bin ich eigentlich auch, finde aber weder in den Kommentaren noch in der Rechtsprechung etwas dazu, wie es insoweit mit der Erstattungsfähigkeit aussieht.

    Wie seht Ihr das?

    Ja ja wir reiten bis zum Horizont - anschlagen - und zurück!
    (Mike Lehmann)

  • Die Klagepartei ist der Meinung, dass sie die durch Vereinbarung vorverlegte Fälligkeit nicht gegen sich gelten lassen muss. Der Meinung bin ich eigentlich auch, finde aber weder in den Kommentaren noch in der Rechtsprechung etwas dazu, wie es insoweit mit der Erstattungsfähigkeit aussieht.

    Wie seht Ihr das?

    Ich wäre anderer Auffassung.

    Nach §91 ZPO sind die gesetzlichen Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten. Dazu gehört nach Nr. 7008 VV RVG auch die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer.
    Erstattungsfähig ist daher m.E. stets die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer.

    Das diese durch die abweichende Vereinbarung der Fälligkeit (ich wusste übrigens auch nicht, dass diese abdingbar ist; also insoweit danke für den Hinweis) höher ist, ist zudem reiner Zufall und war insbesondere bei Vereinbarung der abweichenden Fälligkeit nicht im Ansatz absehbar. Im Dezember 2019 war eine Absenkung der Mehrwertsteuer wohl kaum zu denken. Die Schadensminderungspflicht des Beklagten ist daher nicht verletzt.
    Der Rechtsanwalt muss vorliegend die höhere Steuer ans Finanzamt abführen und der Beklagte diese an den Rechtsanwalt zahlen. Warum der Beklagte durch die (nicht absehbare) Umsatzsteuerabsenkung benachteiligt werden sollte (dadurch das er die Differenz der Umsatzsteuer nicht erstattet bekommt) erschließt sich mir nicht.

    Falls der Beklagte die abweichende Fälligkeitsvereinbarung erstmalig im Erinnerungsverfahren vorgebracht hat, wäre übrigens an §97 Abs. 2 ZPO zu denken.


  • :zustimm: :dafuer:

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  • Jetzt muss ich selbst mal wieder eine dumme Frage stellen.

    Ich hatte eA Antrag Umgang gestellt, Beschluss ohne mV ist erlassen worden am 22.12.2020. Zustellung/EB bei mir am 04.01.2021. Ich hatte deshalb (Wirksamwerden erst mit Bekanntgabe?) die VKH mit 19% beantragt. Jetzt kam die Festsetzung mit 16%. Was ist richtig?

  • ... Ich hatte eA Antrag Umgang gestellt, Beschluss ohne mV ist erlassen worden am 22.12.2020. Zustellung/EB bei mir am 04.01.2021. Ich hatte deshalb (Wirksamwerden erst mit Bekanntgabe?) die VKH mit 19% beantragt. Jetzt kam die Festsetzung mit 16%. Was ist richtig?

    Im Hinblick auf § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG würde ich ebenfalls von 16 % ausgehen, da § 8 RVG darauf abstellt, dass eine Entscheidung ergangen sein muss.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • ... Ich hatte eA Antrag Umgang gestellt, Beschluss ohne mV ist erlassen worden am 22.12.2020. Zustellung/EB bei mir am 04.01.2021. Ich hatte deshalb (Wirksamwerden erst mit Bekanntgabe?) die VKH mit 19% beantragt. Jetzt kam die Festsetzung mit 16%. Was ist richtig?

    Im Hinblick auf § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG würde ich ebenfalls von 16 % ausgehen, da § 8 RVG darauf abstellt, dass eine Entscheidung ergangen sein muss.

    Sehe ich anders. Ich würde von 19 % ausgehen.
    Eine gerichtliche Kostenentscheidung ist erst ergangen wenn der sie enthaltene Beschluss wirksam ist. Dies ist nach §40 FamFG erst mit Bekanntgabe (ausdrücklich so zur Maßgeblichkeit der Zustellung beim Versäumnisurteil: Mayer in: Gerold/Schmidt RVG 24. Auflage §8 Rn. 14; ähnlich auch v. Seltmann in: BeckOK RVG, 50. Edition Stand 01.03.2020, §8 Rn. 16).

  • M. E. erst mit Zustellung.

    Zum Fälligkeitstatbestand "Kostenentscheidung ergangen" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG): "Beschlüsse, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, sind erst dann ergangen, wenn der RA in die Lage gesetzt ist, von ihnen Gebrauch zu machen, also wenn sie ihm zugegangen sind." (Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 14)

    Zum Fälligkeitstatbestand "Rechtszug beendet" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG): "Ein Beschlußverfahren endet mit der Zustellung des Beschlusses (...)." (Mayer, a.a.O., Rn. 16)

    Die (nicht gebührenrechtliche, sondern) verfahrensrechtliche Wirksamkeit des Beschlusses einer EAO spielt m. E. insoweit daher keine Rolle. Zwar ist mit der Var. 2 des § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG der verfahrensrechtliche Rechtszug gemeint. I. S. d. Abs. 1 ist der Beschluß aber erst dann ergangen, wenn der RA in der Lage ist, von ihm Gebrauch zu machen, ihm also zugegangen ist (N. Schneider in: AnwK-RVG, 8. Aufl., § 8 Rn. 73).

    Nur der Vollständigkeit halber: Für die EAO in FamS fehlt eine Regelung, aus welcher sich ergibt, wann die EAO (der Beschluß) wirksam ist. Daher wird wie bei Arrest und EV davon ausgegangen, daß die EAO sofort wirksam wird (Giers in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 53 Rn. 2; LG Koblenz, Beschl. v. 26.04.2016 - 2 T 393/16; OLG Hamm, FPR 2011, 232). Erlassen wird sie im Umgangsverfahren jedenfalls nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG und wird nach § 41 Abs. 1 FamFG (im vorliegenden Fall: § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG) bekanntgegeben.

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  • Danke Euch fürs Mitdenken. Ich werde die Festsetzung wohl so hinnehmen, letztlich ist es mir ja auch egal, was ich abführe. Und ich konzentrier meine Energie lieber auf §60 RVG und die sicher bald wieder aufploppenden Vermutungen, ich hätte die Mandatierung/Beiordnung/whatever so lange rausgezögert, bis das neue Gebührenrecht gilt. :cool:

  • Ist das Kostenfestsetzungsverfahren noch entscheidend für die Fälligkeit der Vergütung?

    Konkret Folgendes: Beschluss, dass die Beklagten die Kosten tragen, ist am 30.12.2020 ergangen und am 06.01.2021 zugestellt worden. Ich habe bemängelt, dass die Kosten mit 16 % zu versteuern sind. Der Rechtsanwalt ist der Meinung, dass das Kostenfestsetzungsverfahren als Teil des Erkenntnisverfahrens noch nicht beendet ist und daher 19 % anzusetzen wären.

    Wie seht ihr das?

  • Ist das Kostenfestsetzungsverfahren noch entscheidend für die Fälligkeit der Vergütung?


    Nein, aber die Zustellung des nicht verkündeten Beschlusses über die Kostentragung ist für die Fälligkeit entscheidend (s. #90). Daher sind 19 % m. E. korrekt.

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  • Ist das Kostenfestsetzungsverfahren noch entscheidend für die Fälligkeit der Vergütung?


    Nein, aber die Zustellung des nicht verkündeten Beschlusses über die Kostentragung ist für die Fälligkeit entscheidend (s. #90). Daher sind 19 % m. E. korrekt.

    Ebenso. :daumenrau

    Nach §8 I S. 2 RVG wir die Vergütung auch fällig wenn eine Kostenentscheidung ergangen ist. Dies war vorliegend mit Zustellung des Kostenbeschlusses (s. dazu auch weiter oben #89 und #90).
    Daher ist die Argumentation des Rechtsanwalts zwar fehlerhaft, sein Ergebnis aber richtig.

  • Ich muss das Thema nochmal aufgreifen, weil ich meinen Fall noch nicht direkt gefunden habe im Verlauf...

    Bei mir wird für das Mahnverfahren der 19%-Steuersatz zugrunde gelegt.. ich habe das zunächst beanstandet (Mahnbescheid und Widerspruch im 1. Halbjahr 2020, Abgabe des Verf. ans streitige Gericht am 01.07.2020)... und habe den Wortlaut von § 8 RVG zitiert. (Erstinstanzliches Urteil erging dann am 07.10.2020)

    Daneben habe ich auf folgendes hingewiesen:
    Im Falle des Mahnverfahrens wird der Vergütungsanspruch erst mit Aufnahme in den Vollstreckungsbescheid, nicht schon mit der Aufnahme in den Mahnbescheid, fällig (vgl. Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 23. Aufl., Rn. 26 zu § 8 RVG). Nachdem kein Vollstreckungsbescheid ergangen ist, wurde die Vergütung des erstinstanzlichen Verfahrens somit erst fällig mit der ergangenen Kostenentscheidung vor dem Amtsgericht Bad Dürkheim (Versäumnisurteil). Infolge dessen ist auch der für das Mahnverfahren angefallenen Vergütung der 16%-ige Steuersatz zugrunde zu legen.

    Nun habe ich vom RA, der nicht einverstanden ist damit, einen Aufsatz aus d. JurBüro 08/2020 zitiert bekommen... und bin selbst auch nochmal durch § 17 RVG - dort Nr. 2 - durchgestiegen.. und nun unschlüssig, ob doch 19 % erstattungsfähig sind, oder nur die 16 %..

    Könnt ihr mir helfen?

  • Deine Auffassung ist für mein Dafürhalten richtig, nur die Begründung nicht. :D;)

    Die von Dir genannte Fundstelle betrifft einen anderen Sachverhalt als Deinen. Dort wurde kein Widerspruch erhoben, sondern ist der VB ergangen. Dann ist es also richtig, daß die Vergütung für das Mahnverfahren erst mit Aufnahme in den VB fällig wird, weil es noch dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit ist.

    Im Falle des Widerspruches ist also entscheidend, wann das Mahnverfahren genau endet, weil ja das streitige Verfahren eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit ist (s. der von Dir genannte § 17 Nr. 2 RVG). Denn mit Beendigung der Angelegenheit wird die Vergütung fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVG - sofern nicht ein weiterer Vergütungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG für gerichtliche Verfahren vorliegt). Das Mahnverfahren endet aber noch nicht mit dem Widerspruch. Es endet z. B. mit Abgabe an das streitige Gericht (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., Nrn. 3305-3308 VV Rn. 41; OLG München, AnwBl 1992, 400). Das war bei Dir in der 2. Hälfte 2020 der Fall, weshalb m. M. n. zu diesem Zeitpunkt die Vergütung für das Mahnverfahren fällig geworden ist und daher die 16 % USt zugrunde zu legen sind.

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  • Ich ahne schon die richtige Antwort, möchte mich aber noch einmal vergewissern:

    Kostenfestsetzung nach § 104 ZPO ist beantragt. Es wird 19 % Mehrwertsteuer geltend gemacht.

    Im Hauptsacheverfahren wurden schriftlich im Dezember 2020 von beiden anwaltlich vertretenen Parteien schriftliche Erledigungserklärungen abgegeben. Es erging dann später (am 23.12.2020) noch ein Beschluss, über die Erledigung und Kostenentscheidung sowie Wertfestsetzung.

    Der RA des Erstattungspflichtigen beanstandet die Höhe der Mehrwertsteuer. Die Beendigung des Verfahrens sei durch den Beschluss vom 23.12.2020 erfolgt, somit zur Zeit der Geltung der Mehrwertsteuer von 16 %.
    Der RA des Erstattungsberechtigten kontert, dass der Beschluss vom 23.12.2020 erst im Jahr 2021 zugegangen sei. Erst dadurch sei eine Fälligkeit eingetreten, also 19 % Mehrwertsteuer zu berechnen.

    Wer hat die zutreffenden Argumente?

  • Grundsätzlich besteht Einigkeit, daß bereits die Verkündung der gerichtlichen Entscheidung den Rechtszug beendet, nicht erst die Zustellung, es sei denn, die Zustellung tritt an die Stelle der Verkündung. Ergeht die Entscheidung daher im schriftlichen Verfahren, endet der Rechtszug erst mit Zugang der Entscheidung (N. Schneider, a.a.O., Rn. 89; LG Weiden, KostRsp. BRAGO § 16 Nr. 2).

    Weiter ist man sich einig, daß der Rechtszug beendet (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG) ist, wenn übereinstimmende Erledigungserklärung erfolgt sind (Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 16; Hartmann, KostG, 48. Aufl. 2018, § 8 RVG Rn. 15). Mit Rechtszug ist der prozessuale und nicht der gebührenrechtliche gemeint (N. Schneider in: AnwK-RVG, 8. Aufl., § 8 Rn. 84).

    N. Schneider (a.a.O., Rn. 51 u. 94) sowie Mayer (in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 16) meinen aber, daß der Rechtszug erst beendet ist, wenn kein Kostenantrag bzw. Kostenentscheidung (hier: § 91a ZPO) nachfolge. Denn ansonsten sei erst mit dieser Entscheidung der Rechtszug beendet. Zwar ende mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung die Rechtshängigkeit. Das Gericht müsse aber von Amts wegen über die Kosten entscheiden (§ 308 Abs. 2 ZPO), so daß das Verfahren erst mit Erlaß der Kostenentscheidung endet (N. Schneider, a.a.O.). Die Gegenmeinung von Hansens (BRAGO, 9. Aufl. 2007, § 16 Rn. 6; JurBüro 1988, 692) verkenne, daß die Kosten nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung nunmehr zur Hauptsache werden, zumal aus den Kosten selbst noch gesonderte Gebühren anfallen können (N. Schneider, a.a.O.).

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  • Ich denke daher, daß wohl dem Erstattungsberechtigten zu folgen ist. Denn erst mit Zustellung des Kostenbeschlusses (der ja i. d. R. im schriftlichen Verfahren ergeht, s. § 128 Abs. 3 ZPO) war der Rechtszug beendet und damit die Vergütung fällig.

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