Corona - Abgesenkte Umsatzsteuersätze vom 01.07.2020 bis 31.12.2020

  • Ganz blöde Frage, aber § 8 RVG erschließt sich mir nicht bei PKH-Vergütung.
    Die erfolgt ja unabhängig von der KGE und kann auch vorher beantragt werden.

    Wenn also ein Vorschuss beantragt wird, welches Datum ist dann maßgeblich und warum? (kein Ruhen des Verfahrens, Auftrag nicht beendet und keine KGE)

  • Ganz blöde Frage, aber § 8 RVG erschließt sich mir nicht bei PKH-Vergütung.
    Die erfolgt ja unabhängig von der KGE und kann auch vorher beantragt werden.

    Wenn also ein Vorschuss beantragt wird, welches Datum ist dann maßgeblich und warum? (kein Ruhen des Verfahrens, Auftrag nicht beendet und keine KGE)

    Es ist der Satz von 16 % anzuwenden, siehe auch im hilfreichen Anhang von Beitrag #8 unter V. 2.

  • Wenn ich es richtig verstehe, dann würde das heißen:

    Beiordnung 01.01.2019
    Vorschuss 01.01.2020 > 19 Prozent
    falls KGE am 20.06.2020 > 19 Prozent für die Endabrechnung
    falls KGE am 01.07.2020 > 16 Prozent für die Endabrechnung, ggf. Rückforderung

    Das Abrechnungsdatum der Endabrechnung ist dann nicht mehr relevant?

    (Und gibt's da irgendwas dazu in der Literatur? Ich hab meine komplette Kommentierung zum § 8 RVG durch, aber ich finde nichts hinsichtlich PKH-Vergütung)

  • Ganz blöde Frage, aber § 8 RVG erschließt sich mir nicht bei PKH-Vergütung.
    Die erfolgt ja unabhängig von der KGE und kann auch vorher beantragt werden.


    Du mußt den Anspruch auf Vorschuß (§ 9 RVG bzw. § 47 RVG) auf die Vergütung von ihrer Fälligkeit unterscheiden.

    Ob die Wahlanwaltsvergütung vom Mandanten oder die VKH/PKH-Vergütung von der Staatskasse vom RA gefordert werden können, hängt allein von der Fälligkeit ab. Bei der VKH/PKH kann neben den in § 8 RVG genannten Voraussetzungen Fälligkeit auch eintreten, wenn die Beiordnung oder Bewilligung aufgehoben wird oder die Partei stirbt (vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 45 Rn. 53).

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  • Das Abrechnungsdatum der Endabrechnung ist dann nicht mehr relevant?


    Richtig. Es kommt niemals auf das Datum der Ab-/Rechnung an, sondern auf die Fälligkeit, wobei man ggf. noch zwischen verkündeten oder im schriftlichen Verfahren zuzustellenden Entscheidungen unterscheiden muß. Beispiel: Beschluß ergeht am 29.06.2020, muß aber mangels Verkündung zugestellt werden. Geschieht das am 01.07.2020, ist für den RA die Vergütung nur mit 16 % zu versteuern (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 14).

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  • Guten Morgen,

    wie geht Ihr mit der Anrechnung von gezahlten PKH-Vorschüssen vor dem 01.07. um?

    Beispiel: Vorschuss auf die Verfahrensgebühr inkl. 19 % Umsatzsteuer sind 334,75 € (bei einem Verfahrenswert von 3.000 €). Jetzt tritt Fälligkeit nach § 8 RVG ein und der Anwalt rechnet ab. Er bekommt Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Wert. Bei 16 % Umsatzsteuer beträgt der Bruttobetrag 606,10 €.

    Zieht ihr den Bruttovorschuss von der Bruttovergütung ab oder Netto von Netto? Je nach Anrechnung ergibt es ein anderes Ergebnis.

    Ich selber habe vom Revisor die Auskunft bekommen Brutto minus Brutto (man hält sich hier sehr bedeckt und es gibt nur so lapidare Antworten auf Anfragen :cool:). Eine Anwältin hat in einer Schulung gelernt Netto minus Netto.

    Gruß Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Meine Bezirksrevision hat sich geäußert: Bei uns ist auf die Fälligkeit der Vergütung abzustellen.

    JVEG:
    Für Gutachten und Übersetzungen: Es gilt bei Eingang des Gutachtens/der Übersetzung bei Gericht (Eingangsstempel) maßgebliche Steuersatz.

    Das ist auch mein Stand der Dinge. Jetzt kommen die Sachverständige aber mit der Argumentation, dass die Leistung für sie in dem Moment erbracht ist, in dem das Gutachten zur Post gegeben wurde.

    Ich finde das ehrlich gesagt an dieser Stelle sehr tricky, da ich zum Einen die Argumentation der Sachverständigen als nicht gänzlich von der Hand zu weisen empfinde, andererseits die Leistung aus Sicht des Gerichts jedoch erst mit Eingang des Gutachtens bei Gericht erbracht ist.
    Gefühlt habe ich zwei voneinander abweichende Leistungszeitpunkte, die für unterschiedliche Steuersätze sorgen können.
    So könnte es demnach sein, dass der Sachverstände, der das Gutachten zum Beispiel am 30.06. zur Post gegeben hat, welches dann am 02.07. bei Gericht einging, seine Leistung gegenüber dem Finanzamt mit 19 % versteuern muss, seine Liquidation gegenüber dem Gericht jedoch nur mit 16 % vergütet bekommt.
    Es fühlt sich aber für mich falsch an, dass bei unterschiedlicher Betrachtung von Steuerrecht und Kostenrecht/Vergütungsrecht unterschiedliche Steuersätze Anwendung finden.

    Vielleicht bin ich auch gerade ein bisschen verquert im Denken, aber ich finde keine Argumentation für das Abstellen auf den Eingang des Gutachtens bei Gericht, welche nicht hinter V. Anwendungsschreiben – Befristete Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Steuersatzes zum 1. Juli 2020 (vom 30. 6. 2020 – III C 2 – S 7030/20/10009 : 004, DOK 2020/0610691), beck-online zurück bleibt.

    Könnt ihr mir da weiterhelfen oder liegen euch neue Erkenntnisse vor?

  • Könnt ihr mir da weiterhelfen oder liegen euch neue Erkenntnisse vor?


    Dazu evtl. KGR Berlin 2007, 610. Die Erstellung des Gutachtens ist wie ein Werkvertrag zu behandeln. Somit hat der Sachverständige Anspruch auf Erstattung der USt in Höhe des Steuersatzes, der bei Fertigstellung der Leistung gilt (vgl. auch H. Schneider, JVEG, 3. Aufl., § 24 Rn. 11). Nach dem KG (Rn. 13 - juris) ist die Werkleistung


    "nach §§ 631, 640 BGB frühestens dann erbracht, wenn die Werkleistung körperlich übergeben worden ist. Die körperliche Übergabe der Leistung liegt hier in der Übersendung des Gutachtens, die erst im Jahre 2007 erfolgt ist. Aus dem Ergänzungsgutachten lässt sich auch nicht ersehen, dass dieses bereits vor dem 1. Januar 2007 fertig gestellt war und lediglich dessen Übersendung verzögert worden ist."

    Im Fall des KG war die Fertigstellung des Gutachtens (Übersendung) nicht feststellbar, so daß die offenbar insoweit unschädliche Verzögerung durch die Übersendung zu vernachlässigen gewesen wäre. Das wäre in Deinem Beispielfall anders, weil dort die Fertigstellung des Gutachtens vor dem 01.07. feststeht, so daß es auf die Übersendung 1 oder 2 Tage später (also nach dem 30.06.) nach dieser Rechtsprechung nicht ankäme.

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  • Es liegt der erste Antrag eines Sachverständigen auf richterliche Festsetzung vor, mit der von Jublo genannten Argumentation. Ich kann ja mal ein Update geben, falls ich höre, was daraus wird.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Könnt ihr mir da weiterhelfen oder liegen euch neue Erkenntnisse vor?


    Dazu evtl. KGR Berlin 2007, 610. Die Erstellung des Gutachtens ist wie ein Werkvertrag zu behandeln. Somit hat der Sachverständige Anspruch auf Erstattung der USt in Höhe des Steuersatzes, der bei Fertigstellung der Leistung gilt (vgl. auch H. Schneider, JVEG, 3. Aufl., § 24 Rn. 11). Nach dem KG (Rn. 13 - juris) ist die Werkleistung


    "nach §§ 631, 640 BGB frühestens dann erbracht, wenn die Werkleistung körperlich übergeben worden ist. Die körperliche Übergabe der Leistung liegt hier in der Übersendung des Gutachtens, die erst im Jahre 2007 erfolgt ist. Aus dem Ergänzungsgutachten lässt sich auch nicht ersehen, dass dieses bereits vor dem 1. Januar 2007 fertig gestellt war und lediglich dessen Übersendung verzögert worden ist."

    Im Fall des KG war die Fertigstellung des Gutachtens (Übersendung) nicht feststellbar, so daß die offenbar insoweit unschädliche Verzögerung durch die Übersendung zu vernachlässigen gewesen wäre. Das wäre in Deinem Beispielfall anders, weil dort die Fertigstellung des Gutachtens vor dem 01.07. feststeht, so daß es auf die Übersendung 1 oder 2 Tage später (also nach dem 30.06.) nach dieser Rechtsprechung nicht ankäme.

    Die Abnahme eines Werks im Sinne von § 640 BGB besteht nicht nur aus der körperlichen Entgegennahme des hergestellten Werks, sondern aus einer damit verbundenen Erklärung des Bestellers - hier das beauftragende Gericht - dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgerecht erbracht anerkennt.
    Dass dies in der Praxis bei einem erstellten Gutachten zumeist stillschweigend erfolgt durch Ingebrauchnahme des erstellten Werks (Verwendung des Gutachtens durch das Gericht) oder Zahlung der Vergütung des Sachverständigen, kann keinen Unterschied machen.
    Deshalb ist meiner Meinung nach auf den Eingang des Gutachtens bei Gericht abzustellen.

    and the night is full of hunters
    (The Beauty of Gemina - Hunters)

  • Zum Thema Fälligkeit (§ 8n RVG):
    Ich war mir mit einer Anwältin nicht ganz sicher, ob bei einem Widerrufsvergleich die Fälligkeit zum Zeitpunkt des Vergleichs eintritt oder zum Zeitpunkt des Ablaufs derWiderrufsfrist.

    Ich bin für ersteres, habe aber keine Rechtsprechung bzw. Kommentarstelle gefunden.
    Gibt es dazu etwas?

  • Zum Thema Fälligkeit (§ 8n RVG):
    Ich war mir mit einer Anwältin nicht ganz sicher, ob bei einem Widerrufsvergleich die Fälligkeit zum Zeitpunkt des Vergleichs eintritt oder zum Zeitpunkt des Ablaufs derWiderrufsfrist.

    Ich bin für ersteres, habe aber keine Rechtsprechung bzw. Kommentarstelle gefunden.
    Gibt es dazu etwas?


    Es gilt Letzteres. ;):D Der Rechtszug ist erst beendet (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG), wenn der Vergleich wirksam ist (Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 16). Das ist er erst mit Ablauf der Widerrufsfrist der Fall (Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, 7. Aufl., § 8 Rn. 45).

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