Corona - Abgesenkte Umsatzsteuersätze vom 01.07.2020 bis 31.12.2020

  • M.E. müssten also beide Anwälte aus dem Beispiel am Ende des Verfahrens die gleiche(n) Terminsgebühr(en) inkl. Steuern kriegen.


    Der Unterschied ist nun einmal, daß die Leistungen von den Anwälten zu unterschiedlichen Zeiten ausgeführt und damit fällig werden. Daher: Beide verdienen dieselben Gebühren in derselben Höhe (netto). Lediglich die USt, die sie zu berechnen und ans Finanzamt abzuführen haben, ist unterschiedlich (brutto).

    "Mein" Berechnungsbeispiel mit der 0,7-TG und der 19 %igen USt findest Du z. B. auch in der Kommentierung von Müller-Rabe (in Gerold/Schmidt, a.a.O., Rn. 42 mit Verweis auf Hansens, RVGreport 2007, 41 (49), und N. Schneider, NJW 2007, 325 (326 ff.).


    Also Allgemein: Auch laut Bundesrechtsanwaltskammer kommt es auf die Fälligkeit der Gebühren an, welcher Mehrwertsteuersatz gilt.

    Zu dem oben gesagten: In der Kostenfestsetzung gilt § 8 RVG. Demnach schauen wir hier auf die Kostengrundentscheidung und mit dieser werden die Gebühren im Gerichtsverfahren fällig, nicht am Tag ihrer Entstehung oder Geltendmachung.

  • Bei einer Einigung mit Kostenregelung tritt die Fälligkeit im Falle einer widerruflichen Einigung mit der Erklärung des oder der Widerrufsberechtigten, nicht zu widerrufen, bzw. mit dem Ablauf der letzten Widerrufsfrist ein ( Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019 Rn. 38-46 ).

  • Könnt ihr mir da weiterhelfen oder liegen euch neue Erkenntnisse vor?


    Dazu evtl. KGR Berlin 2007, 610. Die Erstellung des Gutachtens ist wie ein Werkvertrag zu behandeln. Somit hat der Sachverständige Anspruch auf Erstattung der USt in Höhe des Steuersatzes, der bei Fertigstellung der Leistung gilt (vgl. auch H. Schneider, JVEG, 3. Aufl., § 24 Rn. 11). Nach dem KG (Rn. 13 - juris) ist die Werkleistung


    "nach §§ 631, 640 BGB frühestens dann erbracht, wenn die Werkleistung körperlich übergeben worden ist. Die körperliche Übergabe der Leistung liegt hier in der Übersendung des Gutachtens, die erst im Jahre 2007 erfolgt ist. Aus dem Ergänzungsgutachten lässt sich auch nicht ersehen, dass dieses bereits vor dem 1. Januar 2007 fertig gestellt war und lediglich dessen Übersendung verzögert worden ist."

    Im Fall des KG war die Fertigstellung des Gutachtens (Übersendung) nicht feststellbar, so daß die offenbar insoweit unschädliche Verzögerung durch die Übersendung zu vernachlässigen gewesen wäre. Das wäre in Deinem Beispielfall anders, weil dort die Fertigstellung des Gutachtens vor dem 01.07. feststeht, so daß es auf die Übersendung 1 oder 2 Tage später (also nach dem 30.06.) nach dieser Rechtsprechung nicht ankäme.

    Die Abnahme eines Werks im Sinne von § 640 BGB besteht nicht nur aus der körperlichen Entgegennahme des hergestellten Werks, sondern aus einer damit verbundenen Erklärung des Bestellers - hier das beauftragende Gericht - dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgerecht erbracht anerkennt.
    Dass dies in der Praxis bei einem erstellten Gutachten zumeist stillschweigend erfolgt durch Ingebrauchnahme des erstellten Werks (Verwendung des Gutachtens durch das Gericht) oder Zahlung der Vergütung des Sachverständigen, kann keinen Unterschied machen.
    Deshalb ist meiner Meinung nach auf den Eingang des Gutachtens bei Gericht abzustellen.


    Das KG schreibt auch "frühestens" ab Eingang. Du hast aber recht, daß die Fälligkeit i. d. R. erst durch die Abnahme eintritt (§ 641 BGB). Zwar gelten unkörperliche Werke, z. B. nicht verkörperte geistige Leistungen, als nicht abnahmefähig. Bei Gutachten ist das aber der Fall, weil sie eben in Plänen und Schriftstücken verkörpert sind und die Leistung damit abnahmefähig ist (MK-BGB/Busche, 8. Aufl. 2020, § 640 Rn. 8 m.w.N.).

    Da es sich beim durch das Gericht beauftragten Sachverständigen um (s)einen Anspruch nach dem JVEG handelt, bräuchte man doch gar nicht auf die Regelungen des BGB, sondern auf den Zeitpunkt des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 JVEG abstellen (Eingang des Gutachtens), auch wenn diese Ausschlußfrist (3 Monate) im Falle der nachträglichen mündlichen Erläuterung sich nach hinten verschiebt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG)?

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  • Ganz blöde Frage, aber § 8 RVG erschließt sich mir nicht bei PKH-Vergütung.
    Die erfolgt ja unabhängig von der KGE und kann auch vorher beantragt werden.


    Du mußt den Anspruch auf Vorschuß (§ 9 RVG bzw. § 47 RVG) auf die Vergütung von ihrer Fälligkeit unterscheiden.

    Ob die Wahlanwaltsvergütung vom Mandanten oder die VKH/PKH-Vergütung von der Staatskasse vom RA gefordert werden können, hängt allein von der Fälligkeit ab. Bei der VKH/PKH kann neben den in § 8 RVG genannten Voraussetzungen Fälligkeit auch eintreten, wenn die Beiordnung oder Bewilligung aufgehoben wird oder die Partei stirbt (vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 45 Rn. 53).

    Ich habe es irgendwie noch nicht ganz verstanden.

    In meinem Verfahren erfolgte der Abschluss des Verfahrens bereits 2017 (Urteil, Kosten trägt Kläger). Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt. Der Rechtsanwalt des Klägers hat noch 2017 seine PKH-Vergütung abgerechnet und zugleich seine Wahlanwaltsvergütung mitgeteilt (Gegenstandswert 11.000,00 €). In seinem Antrag von 2017 hat er natürlich 19 % auf PKH- und Wahlanwaltsvergütung berechnet.
    Heute habe ich eine Ratenzahlung angeordnet und müsste die Differenzkosten zur Wahlanwaltsvergütung nach § 50 RVG ebenfalls von der Partei einziehen.
    Dass auf die PKH-Vergütung 19 % zu berechnen ist, erschließt sich mir (§ 8 RVG i. V. m. §§45 ff RVG).
    Ist auch auf die Differenz zur Wahlanwaltsvergütung Umsatzsteuer in Höhe von 19 % zu berechnen, oder sind hier 16 % anzusetzen, weil die Voraussetzung für die Geltendmachung der Differenzkosten erst durch die Ratenzahlungsanordnung geschaffen worden ist?

    LG

  • M.E. 19%, weil der Anspruch mit Abschluss des Hauptverfahrens fällig war. Der RA war nur wegen §122 Abs.1 Ziffer 3 ZPO an der Durchsetzung gehindert.


    Also umgekehrt dann auch nur 16% auf die weitere Vergütung, wenn das Verfahren im 2. Halbjahr 2020 endete, die Festsetzung aber z. B. erst 2022 erfolgt? :gruebel:

    So würde ich es auch sehen. Ich vermerke mir zur Zeit auf dem Beiheft die Höhe des Umsatzsteuersatzes recht auffällig. Dann hat man es selber oder ein Nachfolger bei einer späteren Ratenanordnung und dem Antrag nach § 50 RVG schneller im Blick.

    Gruß Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Scheint aber für eine ganze Reihe von RAs nicht einleuchtend zu sein, wenn ich mir anschaue, wie viele Erinnerungen ich wegen der 19 bzw. Absetzung auf 16 % habe...

    Wie wird denn da argumentiert? :gruebel:

    Auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung - damit den Zeitpunkt der Mandatierung für die VG, der Zeitpunkt des Termins für die TG etc.
    Dass der Zeitpunkt der Leistungserbringung im Fall der Kostenfestsetzung der Zeitpunkt der Fälligkeit ist, wird ignoriert.

  • Scheint aber für eine ganze Reihe von RAs nicht einleuchtend zu sein, wenn ich mir anschaue, wie viele Erinnerungen ich wegen der 19 bzw. Absetzung auf 16 % habe...

    Wie wird denn da argumentiert? :gruebel:

    Auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung - damit den Zeitpunkt der Mandatierung für die VG, der Zeitpunkt des Termins für die TG etc. Dass der Zeitpunkt der Leistungserbringung im Fall der Kostenfestsetzung der Zeitpunkt der Fälligkeit ist, wird ignoriert.

    An sich finde ich es nachvollziehbar, dass aus Sicht des RA Zeitpunkt der Leistungserbringung bereits dann ist, wann er die entsprechende Gebühr (erstmals) verdient hat, also z. B. durch Teilnahme an der Verhandlung die Terminsgebühr.
    Der RA erbringt ja seine Leistung nicht erst durch die Ausstellung einer Rechnung bzw. eines Festsetzungsantrages. Das ist dann "nur" die Abwicklung des Auftrags.

  • Nein, nicht dass ich wüsste.

    Aus den Gründen:
    Denn, wann eine Leistung ausgeführt wurde, bestimmt sich nicht nach der tatsächlichen Anschauung.
    Vielmehr kommt es nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a S.1 UStG für die Entstehung der Steuerschuld und damit für den maßgebenden Steuersatz auf den Zeitpunkt an, in dem die Leistung ausgeführt worden ist.
    Soweit es darauf ankommt, wann die Leistungausgeführt wurde, bestimmt sich dies nach der Fälligkeit des zu Grundeliegenden Anspruchs.
    Anknüpfend an § 8 RVG ist dies der Fall, wenn der Rechtsanwalt die nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag geschuldete Gesamtleistung erbracht hat. In gerichtlichen Verfahren ist die Leistung des Rechtsanwalts erbracht, wenn eine den Rechtszug beendende gerichtliche Entscheidung ergangen ist, weil dann der Auftrag seine Erledigung gefunden hat. Die Höhe des Umsatzsteuersatzes bestimmt sich daher nach der zutreffenden überwiegenden Rechtsprechung nach der Fälligkeit des zugrundeliegenden Anspruchs.

  • Hallo,

    ich habe mal wieder eine Frage zu der Thematik.
    In meinem Verfahren ist im schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil aus Juni 2020 (inkl. Kostenentscheidung) dem Kläger am 28.06.2020 und dem unterlegenen Beklagten aufgrund von Zustellproblemen erst am 15.07.2020 zugestellt worden.
    Der Klägervertreter (ziemlich große Rechtsanwaltskanzlei) möchte nun 19 % gegenüber der Gegenseite im Rahmen der Kostenfestsetzung abrechnen. Dies habe ich beanstandet, da ich der Meinung bin, dass nur 16 % abgerechnet werden können. Der Klägervertreter hört nach eigener Aussage zum ersten Mal, dass es für die Höhe des Umsatzsteuersatzes auf die Zustellung des Urteils ankommt. Und selbst wenn es darauf ankäme, ist er der Auffassung, dass auf die Zustellung an den Kläger abzustellen ist.

    Ich bin etwas verwundert. Meines Erachtens ist das Versäumnisurteil erst am 15.07.2020 existent geworden (BGH Beschluss vom 05.10.1994 - XII ZB 90/94 -) und für die Fälligkeitszeitpunkte im § 8 RVG (Rechtszug beendet/Kostenentscheidung ergangen) ist auch nach herrschender Literaturmeinung stets auf die Zustellung abzustellen.

    Liege ich falsch? Übersehe ich vielleicht etwas?

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