Nachlasspflegschaft, obwohl Erbenermittler die Erben kennt?

  • Mir liegen Anträge auf Nachlasspflegschaft vom Vermieter (§ 1961) und vom Erbenermittler (§ 1960) vor.

    Nach telefonischer Auskunft des Erbenermittlers gibt es 7 Erben, welche er alle unter Vertrag hat.

    Er legt die Vollmacht eines Erben vor und beantragt Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben (obwohl er sie kennt!).

    Nach der Rechtsprechung muss ich anordnen, weil ich sie nicht kenne.

    In mir sträubt sich etwas. Habt ihr eine Idee?

  • Mit der NL Pflegschaft bist du auf der sicheren Seite. Wenn ein zulässiger und begründeter Antrag nach § 1961 BGB vorliegt, kommst du an einer Anordnung wahrscheinlich nicht vorbei.
    Wenn der Erbenermittler mit 7 Erben tätig ist, dann ist der Nachlass vermutlich werthaltig.
    Dann wird der Nachlass halt durch die Verfahrenskosten geschmälert. Das ist dann das Problem der Erben, denen nach Abzug der Gerichtskosten und Vergütung von Nachlasspfleger und Erbenermittler nicht mehr so viel zur Verfügung steht...

    Aber ein wenig komisch finde ich das Verhalten des Erbenermittlers auch.

  • Ich denke schon lange über seine Motive nach, zumal er auch ein anderes Verfahren blockiert. Meine Vermutung ist, dass er nicht die Arbeit machen möchte. Aber der Job des Nachlasspflegers ist es nicht, die Arbeit für die Erben zu machen, weil deren Vertreter dazu keine Lust hat.

  • Ich denke, es geht eher darum, dass er vermindern muss, dass einer der Erben auf eigene Faust einen Erbscheinsantrag an ihm vorbei stellt und ihm somit ggf. die Vergütung entgeht.

  • Hinsichtlich des Antragss des Erbenermittlers (aufgrund der Vollmacht eines Erben) gem. § 1960 BGB stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Sicherungsbedürfnis besteht? Der Antrag wäre ggf. mangels Sicherungsbedürfnis zurückzuweisen.

    Wie ist denn der Erbenermittler auf das Verfahren "aufmerksam" geworden? Ich vermute durch eine öffentliche Aufforderung gem. § 1965 BGB?

    Du hast durch den Erbenermittler bisher keinerlei Unterlagen hinsichtlich der Erbfolge erhalten (Stammbaum, Urkunden, etc.)?

    Ein Erbenermittler, der eine Nachlasspflegschaft beantragt - das habe ich noch nie gehört :gruebel:

  • Eine Teil-Nachlasspflegschaft wirst Du wohl anordnen müssen. Ein Erbe ist ja bekannt.

    Dem Erbenermittler würde ich mangels Vertretungsbefungnis nach § 10 FamFG (vom BVerfG bestätigt) mit Beschluss nach § 10 Abs. 3 FamFG die weitere Vertretung des Erben vor dem Nachlassgericht untersagen. Die Vorschrift wird leider allzu übersehen.

    Die Teil-Nachlasspflegschaft würde ich sobald die Erbnachweise vorliegen (noch vor Erteilung des Erbscheins) sofort aufheben.

    Ich glaube der Erbenermittler will den Nachlasspfleger zur Nachlassabwicklung missbrauchen. Möglicherweise hat er nur einfache Vollmachten und so kann nur der Nachlasspfleger z.B. ein Grundstück versilbern. Den Spaß bezahlen dann allein die Erben über die Nachlasspflegervergütung, die der Erbenermittler dann großzügig mit dem Nachlasspfleger zu Lasten der Erben vereinbart.

    3 Mal editiert, zuletzt von Montgelas (10. Juni 2020 um 14:16)

  • Da hier viele Vermutungen geäußert werden, hätte ich auch eine: Die 7 Leute, die der Erbenermittler hat, sind die väterliche Seite, für die mütterliche Seite (die er auch nicht ermitteln konnte) hätte er gerne einen NP, mit dem seine Erben sich auseinandersetzen können. Aber, wie gesagt, das ist auch nur eine Vermutung.

  • § 10 Abs. 3 FamFG scheidet leider aus, da der Erbenermittler über einen Rechtsanwalt arbeitet, der sich hier angezeigt hat.

    Ansonsten stimme ich allen euren Vermutungen zu. Es hilft mir nur nicht bei der Entscheidungsfindung. Zumal auch immer sofort mit Haftungsansprüchen gedroht wird.

    Ein Sicherungsbedürfnis wird von denen gesehen, weil durch die Nichtanordnung die Mieten weiter laufen und der Nachlass geschmälert wird.

    Der Vermieter hat wegen der ausreichenden Liquidität des Nachlasses nichts zu befürchten, hat ja aber trotzdem den Anspruch aus § 1961.

    Letztlich läuft es - wie ihr schon geschrieben habt - auf einen Missbrauch des Instruments der NLP hinaus.

    Trotzdem werde ich wohl eine Teil-NLP anordnen müssen :( .

  • Da hier viele Vermutungen geäußert werden, hätte ich auch eine: Die 7 Leute, die der Erbenermittler hat, sind die väterliche Seite, für die mütterliche Seite (die er auch nicht ermitteln konnte) hätte er gerne einen NP, mit dem seine Erben sich auseinandersetzen können. Aber, wie gesagt, das ist auch nur eine Vermutung.

    Die Erben der anderen Seite sind bekannt, lassen sich aber nicht von ihm vertreten...

  • Letztlich läuft es - wie ihr schon geschrieben habt - auf einen Missbrauch des Instruments der NLP hinaus.

    Das ist eine Vermutung, da in den Köpfen alle Erbenermittler schwarze Schafe sind?

    Wenn ihm eine Seite fehlt und er die eruierte Seite vertritt, dann hat er das Recht, mittels Teil Nachlasspflegeschaft die Nachlasssache abzuwickeln. Wo hat das Nachlassgericht einen Schaden? Ein Nachlassrechtspfleger macht seinen Job mit seiner Ehda Vergütung und darf sich seinen Teil denken.

    Es gibt eine Franchise Erbenermittlung in Deutschland, die lass ich auch Regelmäßig abtreten, ist nun mal so....

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  • "Das ist eine Vermutung, da in den Köpfen alle Erbenermittler schwarze Schafe sind?"

    Diese Vermutung teile ich nicht! Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Erbenermittlern, sind sie doch für alle Beteiligten ein hilfreiche Sache. Viele Erben wüssten sonst gar nichts von ihrem Glück!

    Aber wenn Erbenermittler Informationen zurückhalten und über die NLP jemand suchen, der die Arbeit der Erben übernimmt, ist das m.E. missbräuchlich. Sobald die Erben bekannt sind - und das sind sie ja hier zumindest dem Erbenermittler- kann ich denen doch nicht auf deren Kosten jemanden vor die Nase setzen. Die NLP ist nicht dazu gedacht, den Erben die Arbeit abzunehmen, so dass diese nur noch kassieren brauchen.

  • Du hast einen Antrag gem. 1961 BGB und damit keine Wahl, wenn du der Überzeugung bist, dass der Antragsteller (Vermieter) seine Forderung gerichtlich geltend machen will. Empfehlenswert ist es in dem Fall jedoch nicht, nur eine Teil-Pflegschaft anzuordnen, wenn noch kein Teilerbschein erteilt wurde. Es kommt auch darauf an, wer Nachlasspfleger ist, weil er sich ggf. gegenüber dem bev. Erbenermittler verhalten muss. Eine Pflegschaft ist sowieso aufzuheben, wenn die Gründe für die Anordnung nicht (mehr) vorliegen, also der Erbschein erteilt wurde oder aber sich herausstellt, dass kein sicherungsbedürftiger Nachlass (mehr) vorhanden ist.

  • Anordnen und dann den Erbenermittler als Zeugen im Hinblick auf die ihm bekannten Erben vernehmen.

    Dann hören solche Dinge ganz schnell auf.

    Wie will man einen Zeugen im FGG-Verfahren zu einer Aussage zwingen?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Wäre in dieser Sache aber untunlich, denn es obliegt uns wohl nicht, die Beteiligten auf diese Art und Weise zu erziehen, oder?

  • Jetzt werden also Zeugen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu Aussagen per Zwangsgeld oder Haft genötigt? Gut. Man kann es versuchen...und evtl. ist es sogar möglich...aber die Kirche ist da schon lange nicht mehr im Dorf...

    So langsam ist wird es interessant in Deutschland...

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  • Ich habe den Antrag zurückgewiesen, warte auf das Rechtsmittel und lege die Sache dem OLG vor. Begründet habe ich mit der möglichen Notgeschäftsführungsbefugnis der bekannten Erben. Werde euch danach die Entscheidung mitteilen.

  • Oh ja bitte. Das interessiert sicher viele Kollegen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Wäre in dieser Sache aber untunlich, denn es obliegt uns wohl nicht, die Beteiligten auf diese Art und Weise zu erziehen, oder?

    Es geht nicht um die Erziehung von (Nicht-)Beteiligten, sondern darum, dass jemand Angaben zum Personenkreis der gesetzlichen Erben machen kann, er diese Angaben aber offenkundig verweigert. Und wenn das Gericht davon ausgehen kann, dass jemand die Erben kennt, dann wird es diesen Jemand erst einvernehmen, bevor es eine Nachlasspflegschaft anordnet, welche das Unbekanntsein der Erben voraussetzt. Wenn sich jemand nicht an Regeln hält, dann muss er eben dazu angehalten werden. Also ein ganz normaler Vorgang.

    In der vorliegenden Angelegenheit hätte der Vermieterantrag ohne vorherige entsprechende Ermittlungen aber nach meiner Ansicht gleichwohl nicht zurückgewiesen werden dürfen.

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