Noch zu beziffernde Geschäftsgebühr

  • Öfter mal was neues...

    Es ist ein VU ergangen:

    1) Beklagter( B) zahlt an Kläger (K) 600 € (Schmerzensgeld)

    2) Es wird festgestellt, dass B verpflichtet ist, K von der Belastung einer Honorarforderung seines (K) RAs in einer noch zu beziffernden Höhe freizustellen.

    Mir geht es um die Anrechnung der Geschäftsgebühr. Ich habe den Anwalt um Übersendung der Rechnung gebeten (vorgerichtliche Tätigkeit ist gegeben, damals ging der RA zunächst von 500 € aus, da eine freiwillige Vereinbarung versucht werden sollte). Der RA meint, da die Geschäftsgebühr nicht beziffert worden ist, hätte auch keine Anrechnung zu erfolgen.

    Mich würde mal eure Meinung dazu interessieren. Anrechnung ja oder nein und wenn, nach 500 € oder 600 €?

  • Anrechnung ja oder nein und wenn, nach 500 € oder 600 €?

    Nein, weil die Voraussetzungen des §15a II RVG nicht vorliegen. Da der Freistellungsanspruch nicht vollstreckbar ist, liegt kein Vollstreckungstitel vor. Vor Vollstreckung müsste noch auf Zahlung geklagt werden. Deshalb wäre auch nicht anzurechnen gewesen, wenn der Freistellungsanspruch genau beziffert worden wäre.
    Nur wenn bereits gezahlt worden ist, ist anzurechnen.

  • Ach ja... Anrechnungen nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG... man kann Tage und Wochen damit zubringen, sich die einschlägige, aktuelle Rechtsprechung bei Juris dazu reinzuziehen.

    Zum Beispiel!

    - LG Paderborn, Urteil vom 13. Februar 2019 - 3 O 447/18 (Randnr. 60) oder
    - Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2019 - OVG 6 K 53.18 (Randnr. 3) oder
    - Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22. Mai 2019 – L 12 SF 282/14 E – (Randnr. 28)
    - oder, oder, oder...

    Das beantwortet die Frage nach einer Meinung aber nicht. Daher nur ganz kurz meine:

    Ich rechne eine Geschäftsgebühr nur auf die Verfahrensgebühr an, wenn und soweit die Geschäftsgebühr auch tatsächlich gezahlt worden ist. Da eine Zahlung in deinem Fall noch nicht erfolgt ist, würde ich auf eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 RVG (noch) verzichten. Wenn diese Zahlung aber später nachgeholt wird, müsste man dann vielleicht nochmal einen Blick auf die Sache werfen... vorausgesetzt, man erfährt überhaupt davon.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Anrechnung ja oder nein und wenn, nach 500 € oder 600 €?

    Nein, weil die Voraussetzungen des §15a II RVG nicht vorliegen. Da der Freistellungsanspruch nicht vollstreckbar ist, liegt kein Vollstreckungstitel vor. Vor Vollstreckung müsste noch auf Zahlung geklagt werden.


    :daumenrau Der Titel ist zu unbestimmt.

    Deshalb wäre auch nicht anzurechnen gewesen, wenn der Freistellungsanspruch genau beziffert worden wäre.


    Darüber könnte man streiten. In der AG|KOMPAKT 2020, 14 (Beilage zur AGS) wird (vermutlich von N. Schneider) die Auffassung vertreten, daß die Freistellung von der Geschäftsgebühr auch eine Titulierung i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG beinhalte, weil alles andere dem Sinn und Zweck des § 15 (sic!) Abs. 2 RVG widerspreche, den Gegner davor zu schützen, mehr Kosten erstatten zu müssen, als beim Kläger überhaupt angefallen seien.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I


  • Darüber könnte man streiten. In der AG|KOMPAKT 2020, 14 (Beilage zur AGS) wird (vermutlich von N. Schneider) die Auffassung vertreten, daß die Freistellung von der Geschäftsgebühr auch eine Titulierung i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG beinhalte, weil alles andere dem Sinn und Zweck des § 15 (sic!) Abs. 2 RVG widerspreche, den Gegner davor zu schützen, mehr Kosten erstatten zu müssen, als beim Kläger überhaupt angefallen seien.

    Ich stimme zu, dass man darüber streiten kann.
    M.E. liegt aber mit dem titulierten Freistellungsanspruch kein Vollstreckungstitel vor und der Gegenseite stünde es frei die Anrechnung bei einer vor der Vollstreckung erforderliche Zahlungsklage vorzubringen. Der Zahlungsanspruch aus dem Freistellungsanspruch resultiert dürfte meines Wissens nach nur soweit reichen, wie tatsächlich gezahlt wurde.

    Wenn wegen der Anrechnung nur eine verminderte GG gezahlt wurde muss auch nur in dieser Höhe freigestellt werden.
    Ein titulierter Freistellungsanspruch ist halt etwas anderes als ein titulierter Zahlungsanspruch. Unstreitig dürfte auch sein, dass eine Freistellungsanspruch kein vollstreckungsfähigen Inhalt darstellt und daher §15a II RVG nicht unmittelbar anwendbar ist. Denn ohne vollstreckungsfähigen Inhalt kann kein Vollstreckungstitel vorliegen. Bedürfnis für eine analoge Anwendung sehe aufgrund der vorgenannten Gründe nicht.

  • Der Zahlungsanspruch aus dem Freistellungsanspruch resultiert dürfte meines Wissens nach nur soweit reichen, wie tatsächlich gezahlt wurde.


    :gruebel: Wie meinen? (sorry, verstehe den Satz nicht)

    Unstreitig dürfte auch sein, dass eine Freistellungsanspruch kein vollstreckungsfähigen Inhalt darstellt und daher §15a II RVG nicht unmittelbar anwendbar ist.


    "Unstreitig" in Bezug auf den Ausgangspost - aber nicht in Bezug auf den bestimmten Freistellungsanspruch. Dieser wird ja als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO vollstreckt.

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  • Auch ich rechne bei Ausurteilung eines Freistellungsanspruchs immer an. Gibt es zu dieser Streitfrage aktuelle Rechtsprechung?

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