Zuerwerb einer Teilfläche zu einer Wohnungseigentumsanlage

  • Hallo alle zusammen, ich habe folgenden verzwickten Fall auf dem Tisch und hoffe auf eure Mithilfe:
    Ich habe 2 Eigentümer (A und B). A ist Eigentümer eines Grundstücks, bestehend aus 2 Flurstücken. B ist Alleineigentümer einer gesamten Wohnungseigentumsanlage. Das dazugehörige Grundstück besteht ebenfalls aus 2 Flurstücken. A und B tauschen jetzt jeweils eins ihrer Flurstücke, da seinerzeit bei der Errichtung des Gebäudes, an dem WE gebildet wurde, eine Überbauung stattgefunden hat. Eigenümer A überträgt also den überbauten Teil seines Grundstücks auf Eigentümer B und erhält dafür einen gleich großen Teil des Grundstücks von Eigentümer B, der nicht bebaut ist (Bestandteilszuschreibung). Die Übertragung des nicht bebauten Grundstücksteils der Wohnungseigentumsanlage von B auf A dürfte ja unproblematisch sein. Wie verhält es sich aber mit dem von A auf B übertragenen bebauten Teil des Grundstücks? Reicht mir dafür (nur) die Bewilligung des Eigentümers B aus, dass sich die Teilungserklärung auch auf das zugeschriebene Grundstück erstreckt oder brauche ich sogar einen neuen Aufteilungsplan????? Aus den alten Aufteilungsplänen (Lageplan) geht hervor, dass beide Gebäude an der Grundstücksgrenze enden, also direkt nebeneinander liegen. Vielen Dank schon mal im Voraus!

  • Um was handelt es sich denn bei dem hinzukommenden bebauten Teil? Eigenständige Räume oder nur ein schmaler Streifen Wand oder Mauer?

    Entscheidend dürfte doch sein, ob sich an der Abgeschlossenheit des Bestandes baulich etwas Substantielles ändert.

    Grundsätzlich sind Zuerwerbe Gemeinschaftseigentum, die bei Abgeschlossenheit in Sondereigentum umgewandelt werden können (siehe Schneider in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 1. Teil § 2 Rn 244). Dann wäre sicher auch eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich.

  • Meines Erachtens nach bedarf es weder der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum, noch der Vorlage einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung.

    Vorliegend geht (Zitat) „aus den alten Aufteilungsplänen (Lageplan) hervor, dass beide Gebäude an der Grundstücksgrenze enden, also direkt nebeneinander liegen“. Damit kann davon ausgegangen werden, dass dem überbauenden Eigentümer des in WE aufgeteilten Grundstücks B nicht bewusst war, über die Grenze gebaut zu haben. Wie Zander in der BWNoitZ 4/2017, 87 ff
    http://www.notare-wuerttemberg.de/downloads/bwnotz_2017-4_web.pdf
    ausführt, handelt es sich um den gesetzlichen Standardfall eines Überbaus, der in den §§ 912 ff. BGB geregelt ist. Danach hat vorliegend der Eigentümer des Grundstücks A den Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer des Grundstücks B bei der Errichtung des Gebäudes über die Grenze gebaut hat ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Es handelt sich um einen zwar rechtswidrigen, aber gutgläubigen Überbau (s. dazu etwa Vollkommer im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.04.2020, § 912 BGB RN 2). Eigentumsmäßig gehört daher vorliegend der überbaute Gebäudeteil zum wesentlichen Bestandteil des Grundstücks B, mit der Folge, dass an den auf das Nachbargrundstück A hinüberragenden Gebäudeteilen auch Wohnungseigentum und damit auch Sondereigentum begründet werden konnte. Wäre der Überbau bekannt gewesen, wäre die Duldungspflicht des Eigentümers A allerdings durch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu dokumentieren gewesen (Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums 6. Auflage 2015, 1. Teil. Begründung von Wohnungseigentum – Begründungsformen und ihre Probleme –RN 71), wobei die Frage, ob diese Grunddienstbarkeit vor Gebäudeerrichtung zu bestellen ist oder auch noch danach bestellt werden kann, streitig ist; s.die Nachweise hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1052105

    Das ändert aber nichts an der eigentumsmäßigen Zuordnung des Gebäudes zum überbauenden Grundstück B, während der Grund und Boden im Eigentum des A verbleibt, es also zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Gebäudeeigentum und Bodeneigentum kommt (Vollkommer, aaO).

    Maßgebend ist der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Wird diese erst nach längerer Zeit entdeckt, spricht dies gegen ein Verschulden des Überbauenden (Brückner im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 912 RN 14 mwN in Fußnote 46).

    Mit dem Zuerwerb des Grund und Bodens wird das Auseinanderfallen von Gebäudeeigentum und Bodeneigentum beseitigt. An dem an den einzelnen Wohnungen bestehenden Sondereigentum in dem zum Bestandteil des Grundstücks gehörenden Gebäude ändert sich dadurch jedoch nichts. Also bedarf es auch keiner Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum. Auch hat die bisherige Abgeschlossenheitsbescheinigung nach wie vor Gültigkeit. Sie bezieht sich nicht auf die Abschließung gegenüber Räumen auf einem anderen Grundstück (BayObLG, Beschluss vom 11.10.1990, BReg. 2 Z 95/90, mwN).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Erstmal vielen Dank für eure Antworten. Es muss wohl tatsächlich davon ausgegangen werden, dass dem Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage die Überbauung seines Grundstücks nicht bewusst war. Die ganze Misere ist wohl erst bei der Neuvermessung der Grundstücke aufgefallen. Ich schließe mich demnach der Meinung von Prinz an und bedanke mich für deine ausführlichen und nachvollziehbaren Ausführungen.:daumenrau

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