"Künstliche" Bruchteile ausbieten ?

  • Guten Morgen,

    ich bearbeite ZVG noch nicht allzu lange und habe einen ziemlich kniffligen Fall:

    Versteigert werden 5 selbständige Grundstücke, die räumlich eine Einheit bilden. Östlich (2 Grdst.) befindet sich ein Wohnhaus nebst Anbauten, westlich (2 Grdst.) eine Freifläche mit heruntergekommenen Bauten (Garage, Carport). Mittendrin (Nord-Süd) ist ein Weg, jeweils voll grenzend an die beiden Hälften. Eigentümer ist eine Einzelperson.

    Verkehrswerte: östlich 170T, westlich 28T, Weg 200 EUR.

    Auf dem östlichen Teil lastet ein bestehen bleibender Nießbrauch für einen 71-jährigen. Wert gem. § 51 Abs. 2 ZVG: ca. 100T. Sonst bleiben keinerlei Rechte bestehen.

    Wahrscheinlich wird zumindest ein Gesamtausgebot neben Einzelausgeboten aufzustellen sein. Wenn ich es richtig sehe, haben andere Bieter gar keine echte Chance, falls jemand aus der Familie des Schuldners einen kleinen Barbetrag auf das Gesamtausgebot und nichts auf die Einzelausgebote bietet, da das Gesamtgebot wegen des Nießbrauchs dann auf jeden Fall höher ist. Allenfalls der Gläubiger (dessen Forderung den Grundstückswert weit übersteigt) könnte da evtl. noch mithalten.

    Trotzdem werde ich mir wohl auch Gedanken über ein Gruppenausgebot machen müssen. Es könnte ja sein, dass jemand die westlichen beiden Grundstücke ersteigern möchte und ich muss es dann zumindest anbieten. Das Problem dabei ist der Weg mittendrin. Ich denke, sowohl für den westlichen als auch den östlichen Teil wäre dieser Weg wichtig. Wäre es möglich, „künstliche Hälften“ auszubieten, also östlich+1/2 Weg sowie westlich+1/2 Weg ? Es würde dann eine Bruchteilsgemeinschaft zwischen den möglichen Erwerbern entstehen. Die Alternative wären 2 Gruppenausgebote östlich+ganzer Weg sowie westlich+ganzer Weg. Da wäre dann aber der Weg in beiden Gruppenausgeboten, was das Ganze wohl nicht durchschaubarer macht.


  • Wäre es möglich, „künstliche Hälften“ auszubieten, also östlich+1/2 Weg sowie westlich+1/2 Weg?

    Nein, "künstliche" Miteigentumsanteile gibt es nicht, und was es nicht gibt, läßt sich nicht versteigern.

    Zitat


    Die Alternative wären 2 Gruppenausgebote östlich+ganzer Weg sowie westlich+ganzer Weg.

    Das wäre m.E. keine echte Alternative, da der Weg ja nur von einem Ersteher erworben werden könnte.

    Da die östlichen Grundstücke, wenn ich es richtig verstehe, wegen des Nießbrauchs nicht/schwer versteigerbar sind, sollte der Gläubiger über eine diesbezügliche Einstellungsbewilligung nebst Rettungserwerb der westlichen Grundstücke zzgl. Weg nachdenken. Weiterveräußern würde er dann den Anteil am Weg und bei der späterer Versteigerung der östlichen Grundstücke könnte er dem Interessenten den Erwerb des verbliebenen Anteils zusätzlich in Aussicht stellen.

  • ……

    wie kommst Du auf einen Ersatzwert von sage und schreibe 100.000,-EUR ????

    Hat der Gutachter so berechnet.

    Jahresmietwert * Barwertfaktor (10,7)


    …..
    Also dassscheint mir mehr als ungewöhnlich hoch zu sein im Hinblick auf den Jahreswert,dem Alter und der Abverzinzung /Barwertfaktor….
    Grundlage der Festsetzung des „Zuzahlungswertes“ nach § 51 Abs.2 ZVG mag schon ein Anhaltspunktim Gutachten sein. Letztlich hat ein Gutachter immer nur den Verkehrswert der Immobilie zu ermitteln, nie den Wert der einzelnen Belastungen.
    Das und die Festsetzung nach § 51Abs.2 ZVG ist ureigene Aufgabe des Gerichts/Rechtspflegers.
    Du solltest mal in die Nießbrauchbestellungsbewilligung im Grundbuch nachsehen, wie dort der Jashreswert angegeben worden ist.

    Jahreslosung 2024: Alles was ihr tut, geschehe in Liebe

    1. Korinther 16,14

  • Gruppenausgebote sind auf Verlangen eines Beteiligten nur dann zwingend zuzulassen, wenn und soweit die betroffenen Grundstücke mit demselben Recht belastet sind, § 63 II 2 ZVG.
    Anderenfalls würde ich Gruppenausgebote nur ausnahmsweise zulassen, § 63 II 3 ZVG, wenn dadurch ein besseres Versteigerungsergebnis zu erwarten ist.

    Ratschläge für Gläubigertaktik mag ich hier nicht erteilen. Es gibt interessante Konstellationen im Zusammenhang mit dem Nebeneinander von Einzel- und Gesamtausgeboten, ggf. ergänzt um Einstellungsbewilligungen für einzelne Grundstücke.

    Ansonsten wie Bang-Johansen: Es gibt keine "künstlichen" Bruchteile. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass das Gericht ein Alleineigentum in fiktive halbe Bruchteile zerlegt und diese Bruchteile gesondert versteigert, weil es das im Sinne der besseren Verwertbarkeit anderer Grundstücke für sinnvoll hält.

  • Gruppenausgebote sind auf Verlangen eines Beteiligten nur dann zwingend zuzulassen, wenn und soweit die betroffenen Grundstücke mit demselben Recht belastet sind, § 63 II 2 ZVG.
    Anderenfalls würde ich Gruppenausgebote nur ausnahmsweise zulassen, § 63 II 3 ZVG, wenn dadurch ein besseres Versteigerungsergebnis zu erwarten ist.

    Ich biete zusätzlich noch § 63 I 2 ZVG, wobei natürlich ggfs. zu prüfen wäre, ob ein solcher Fall hier vorliegt.

  • was wäre mit abweichenden Versteigerungsbedingen gem. §59 ZVG?
    Da kann man ja schon viel Verschiedenes machen....
    hab jetzt aber nicht geprüft, ob das ne gangbare Möglichkeit wäre, den Weg zu teilen.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Das Versteigerungsgericht teilt nichts.

    Und der Verfahrensgegenstand ist keine Versteigerungsbedingung.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • wie gesagt, das ist lediglich eine Idee/ein Gedanke von mir und nicht zu Ende geprüft.
    Dass ich das wirklich tiefgehend prüf, müsst ich das Problem erstmal selber haben...

    Du hast Recht, das Versteigerungsobjekt ist keine Versteigerungsbedingung. Aber das ändert sich ja auch nicht. Das Beschlagnahmeobjekt wird versteigert. Was sich ändern würde ist die Art, in der es ausgeboten/versteigert wird.

    Was würde dagegen sprechen, in Form von abweichender Versteigerungsbedingungen die Ausgebotsart zuzulassen, dass jeweils 1/2 Miteigentumsanteil an dem Weg in der Mitte ersteigert werden kann? bspw. im Gruppenausgebot mit jeweils einem Grundstück rechts und links.

    Oder meinst du, dass hier ein Kerncharakterzug des Zwangsversteigerungsverfahrens an sich verletzt würde?
    Fern liegt das nicht, das stimmt. und dann wäre die Abweichung natürlich unzulässig.

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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Weshalb sollten keine Dritten auf das Objekt mit dem Nießbrauch bieten? Billiger kommt man nicht an ein werthaltiges Objekt und meist gibt es dann die Möglichkeit mit dem Nießbraucher ins Gespräch zu kommen. Ich kenne einige Profis, die auf solche Gelegenheiten nur warten.

    Ich würde die Verfahren einfach laufen lassen.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Einer der hiro'schen Grundsätze lautet: Ein Objekt sollte niemals in zwei Gruppenausgeboten gleichzeitig sein.
    Und Araya hat es schon schön auf den Punkt gebracht: Das Versteigerungsgericht teilt nix (außer vielleicht den Erlös in Teilungsversteigerungen, wenn alle einverstanden sind, aber das ist ein anderes Thema).
    Wenn man aber eine Möglichkeit schaffen will, ein Paket "Ost" und ein Paket "West" zu schnüren - wie wäre es mit einem Gruppenausgebot der beiden östlichen Grundstücke, einem Gruppenausgebot der beiden westlichen Grundstücke und einem Einzelausgebot des Weges. Wenn man dann für Ost und West jeweils einen Interessenten findet, könnten die beiden gemeinsam in Bruchteilsgemeinschaft zu je 1/2 für den Weg bieten und das gewünschte Ergebnis wäre erreicht.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

    Einmal editiert, zuletzt von hiro (30. Juni 2020 um 15:14)

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