Pfändung nach § 850d ZPO - Nachtzulage vom Freibetrag abziehen?

  • Ich habe zu diesem Thema nichts gefunden im Forum.

    Ich habe einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Schuldner erlassen und den pfandfreien Betrag auf 900 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist ein "Erwerbsbonus" in Höhe von 216 EUR enthalten, also 50 % der Regelbedarfsstufe 1. Gepfändet wurde beim Arbeitgeber.

    Der Schuldner erscheint nun bei mir und beantragt, seine erwirtschafteten steuerfreien Nachtschichtzulagen (zusätzlich zu den 900 EUR) pfandfrei zu stellen. Dass diese Zulagen grundsätzlich auch für Unterhaltsgläubiger der Pfändung entzogen sind, ist geklärt, BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – VII ZB 4/15 –, BGHZ 211, 46-51.

    In der Entscheidung des LG Stendal (LG Stendal, Beschluss vom 06. Februar 2015 – 25 T 208/14 –, juris), welche dem obigen BGH-Beschluss vorausging, wird in Ziffer 3. des Tenors verlautbart, dass die Nachtschichtzuschläge als Abzugsposten bei der Berechnung des nach § 850d ZPO zu verbleibenden Einkommens zu berücksichtigen sind. Es würde als letztlich bei den 900 EUR verbleiben.

    Stöber sagt jedoch (Forderungspfändung, Rn. 1092), dass ein Abzug bzw. eine Anrechnung nicht zu erfolgen habe, da der Gläubiger sonst (wohl indirekt) Zugriff auf ihm sonst entzogene Beträge bekommt.

    Hat jemand Erfahrungen oder eine Meinung dazu?

    Ich tendiere eher zur 2. Ansicht und würde die Zulagen zusätzlich freigeben...

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ich habe zu diesem Thema nichts gefunden im Forum.

    Ich habe einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Schuldner erlassen und den pfandfreien Betrag auf 900 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist ein "Erwerbsbonus" in Höhe von 216 EUR enthalten, also 50 % der Regelbedarfsstufe 1. Gepfändet wurde beim Arbeitgeber.

    Der Schuldner erscheint nun bei mir und beantragt, seine erwirtschafteten steuerfreien Nachtschichtzulagen (zusätzlich zu den 900 EUR) pfandfrei zu stellen. Dass diese Zulagen grundsätzlich auch für Unterhaltsgläubiger der Pfändung entzogen sind, ist geklärt, BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – VII ZB 4/15 –, BGHZ 211, 46-51.

    In der Entscheidung des LG Stendal (LG Stendal, Beschluss vom 06. Februar 2015 – 25 T 208/14 –, juris), welche dem obigen BGH-Beschluss vorausging, wird in Ziffer 3. des Tenors verlautbart, dass die Nachtschichtzuschläge als Abzugsposten bei der Berechnung des nach § 850d ZPO zu verbleibenden Einkommens zu berücksichtigen sind. Es würde als letztlich bei den 900 EUR verbleiben.

    ....


    Ohne die Entscheidung des LG Stendal gelesen zu haben, verstehe ich zumindest deine Zusammenfassung nicht. Die Nachtschichtzuschläge seien als Abzugsposten bei der Berechnung nach § 850d ZPO zu berücksichtigen. D. h. der Arbeitgeber soll diese vorab abziehen und vom Rest 900,- € an den Schuldner auszahlen? :gruebel: Ob das funktioniert?

    Ich würde mich daher wohl eher am BGH orientieren.

  • Der BGH äußert sich leider nur zur Unpfändbarkeit der Nachtschichtzuschläge.

    Wie damit im Rahmen der Pfändung nach 850d ZPO zu verfahren ist, kann man nur der LG-Entscheidung entnehmen.

    Dort steht:

    "Die Gläubigerin ist jedoch nicht rechtschutzlos gestellt, da die Zulagen nach § 850a Nr. 3 ZPO an anderer Stelle pfändungsrechtlich relevant werden. Nach § 850d Abs. 1 ZPO ist dem Schuldner so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt benötigt. Erzielt der Schuldner pfändungsfreies Einkommen, auf das der Unterhaltsgläubiger keinen Zugriff hat, so wirkt sich dieses Einkommen auf den notwendigen Lebensunterhalt des Unterhaltsschuldners aus, so dass die nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Zulage bei der Bestimmung des pfändungsfreien Betrages des Schuldners (§ 850d Abs. 1 S. 2 ZPO) als Abzugsposten zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1980, Az.: IV ZR 115/78, Rdn. 19, zitiert nach Juris = MDR 1980, S. 385). Vorliegend hätte dies zur Folge, dass ggf. eine Reduzierung des pfändungsfreien Betrages von 820,00 € zu erfolgen hätte."

    Das Pferd wird quasi genauso, nur von hinten aufgezäumt und das (pfändbare) weitere Einkommen einfach entsprechend gekürzt...

    Halte ich mit Blick auf die Begründung der BGH-Entscheidung für zweifelhaft, weil dann die besondere "Gesundheitsgefahr" der Nachtarbeit nicht berücksichtigt wird und der Schuldner genauso gestellt wird, wie ein "normaler Tagarbeiter"...

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

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    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ohne hier auf die beiden Entscheidungen einzugehen, weil die Lösung des Problems bereits im Gesetz steht:

    Es gibt keinen Grund für Dich den unpfändbaren Betrag zu erhöhen, weil die unpfändbaren Zulagen das pfändungsrechtliche Arbeitseinkommen vermindern (§ 850e Nr. 1 ZPO). Also hat der Arbeitgeber die Unpfändbarkeit durch Abzug von dem Bruttoeinkommen zu beachten. Eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages würde zu einer doppelten Berücksichtigung führen. Außerdem müsstest Du den fiktiven Netto Betrag ermitteln, wenn es sich nicht um steuer- und sozialversicherungsfreie Zulagen handeln sollte.

    Anders wäre das bei einer Kontopfändung, weil es da um Kontoguthaben geht und nicht um AE. Weshalb § 850e ZPO von der Bank nicht zu beachten ist.

  • :gruebel: Da hege ich Zweifel... Durch die Festsetzung eines Pfändungsfreibetrages nach § 850d ZPO wird dem Arbeitgeber im Grunde ja das unpfändbare Arbeitseinkommen "vorgegeben", egal wie das dann hinten raus berechnet wird. Eine Berücksichtigung ist daher m.E. nur über eine Erhöhung des 850d-Betrages möglich.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

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    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ich ergänze bei meiner Festsetzung des pfandfreien Betrages nach § 850d ZPO immer folgenden Passus:

    Zu dem genannten pfandfreien Betrag kommen die auf Seite 7 und 8 unter "Berechnung des pfändbaren Nettoeinkommens" genannten unpfändbaren Beträge hinzu.

    Damit sind die Zuschläge für Nachtschichten u.ä. in jedem Fall durch den Arbeitgeber auszuzahlen.

    Wenn kein Wind geht, dann rudere!
    (polnisches Sprichwort)

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