Testamentsauslegung

  • Hallo zusammen,

    ich habe in Vertretung folgenden Fall:

    Ehefrau verstirbt, Ehemann hat beim Nachlassgericht einen Termin ( meine Kollegin hat dazu geschrieben, dass der Ehemann ausschlagen soll und dann ein Erbscheinantrag nach gesetzlicher Erbfolge aufgenommen werden soll). Da meine Kollegin krank ist will ich die Akte vorbereiten.
    Und ich würde das Testament nicht so auslegen wollen, wie meine Kollegin.
    Das privatschriftliche gemeinschaftliche Testament hat folgenden Inhalt:
    1.) Eheleute setzen sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein.
    2.) Schlusserben des Längstlebemden ist die gemeinsame Tochter
    3.) Ersatzerbeneinsetzung für den Fall, dass der Löngstlebende die Erbschaft ausschlägt oder aus
    Sonstigen Gründen wegfällt. Ersatzerbe des Erstversterbenden ist die Schlusserbin
    4.) Beim gemeinsamen Versterben ist ebenfalls die Schlusserbin Erbin
    5.) Wechselbezüglichkeit
    6.) Es wird Testamentsvollstreckung angeordnet. Der TV hat die Aufgabe der Verwaltung und
    Auseinandersetzung des Nachlasses sowie die Erfüllung der Auflagen und Vermächtnisse (es
    gibt keine). TV darf vor oder nach Annahme des Amtes einen Ersatz-TV bestellen und ist
    von § 181 BGB befreit.

    Meine Kollegin vertritt die Rechtsauffassung, dass die TV-Anordnung gilt auch schon für den ersten Todesfall gilt. Aus Punkt 5. ist nach ihrer Meinung nicht ersichtlich, dass die TV nur für den zweiten Todesfall gelten soll. Unterstützt wird dies dadurch nach der Auffassung meiner Kollegin, dass der TV die Erbmasse verwalten soll und dies kommt nach dem ersten Todesfall zum Tragen. Der TV verwaltet quasi die Erbmasse damit die Schlusserbin nach Eintritt des zweiten Todesfalls noch etwas erhält.
    ich kann mich mit dieser Rechtsauffassung nicht so wirklich anfreunden.
    Meiner Meinung nach waren sich die Testatoren über das Instrument der TV und deren Auswirkungen nicht ganz klar.Und eine TV nach dem ersten Fall mag ich in dieses Testament
    nicht hinein interpretieren.

    Wie ist eure Meinung dazu??

  • ... dass der Ehemann ausschlagen soll und dann ein Erbscheinantrag nach gesetzlicher Erbfolge aufgenommen werden soll
    ...
    3.) Ersatzerbeneinsetzung für den Fall, dass der Löngstlebende die Erbschaft ausschlägt oder aus
    Sonstigen Gründen wegfällt. Ersatzerbe des Erstversterbenden ist die Schlusserbin


    Wieso denn gesetzliche Erbfolge? Es gibt eine test. Ersatzerbin.

    Der TV verwaltet quasi die Erbmasse damit die Schlusserbin nach Eintritt des zweiten Todesfalls noch etwas erhält.


    Das kann ja schon sein, dass das so gedacht war, dass der TV das Vermögen für die Schlusserbin zusammenhalten soll. Aber wenn der Ehemann ausschlägt, ist doch die Tochter nicht nur Schlusserbin, sondern als Ersatzerbin auch Erbin nach der Mutter. Soll dann der TV die Tochter vor sich selbst schützen?

  • Hier muss man zuerst ermitteln, was gewollt war. Ich habe es häufig erlebt, dass privatschriftliche Testamente vorgelegt werden, wo irgend was aus einem Formular abgeschrieben und zusammengewürfelt wurde, das dann keinen Sinn mehr ergibt. Andererseits gabs auch wirklich schon Fälle, wo es eine TV für beide Erbfälle sein sollte. Ist überhaupt ein TV namentlich benannt? Der TV müsste ja ein "Fremder" sein, da Alleinerbe, wenn keine Vermächtnisse etc. angeordnet sind, ja nicht TV sein kann. Falls nicht, spricht das wieder für die Unkenntnis der Testierer, die die Alleinerbschaft "verstärken" wollten. Auch dies wurde von Testierern schon ausdrücklich gewünscht und es war sehr schwer, sie eines Besseren zu belehren.
    Wenn ein TV jedoch namentlich benannt ist und er und der Alleinerbe samt Schlusserbin übereinstimmend erklären, dass keine TV für den ersten Erbfall gewollt war, TV vorsorglich das Amt ablehnt, hat man die Kuh vom Eis. Wenn kein TV namentlich bestimmt ist, übereinstimmende Erklärung von Alleinerbe und Schlusserbin aufnehmen, dass der Begriff Testamentsvollstreckung falsch verstanden wurde und weder beim ersten noch beim 2. Erbfall eine TV gewollt war, sondern beide Erben allein und ohne Einschränkung handeln dürfen.

    Ausschlagung des Alleinerbe und Schlusserbin als testamentarische Erben und Annahme als gesetzliche würde weder die TV beseitigen, noch das gewünschte Ergebnis (Alleinerbfolge) bringen, ist also abwegig.

  • Uschi, vielen Dank für deine Erläuterungen und deine Hilfe.
    Nein, ein Testamentsvollstrecker ist nicht namentlich benannt worden.
    Also werde ich ich es so aufnehmen, wie du es vorgeschlagen hast.:)

    Dann denk aber dran den Leuten zu erklären, dass der Ehemann - wenn er ausschlägt - nichts erbt und den Pflichtteil ggf. gelten machen muss. Die Notizen der Kollegin lassen nämlich darauf schliessen, dass da jemand der Meinung war, es würde die gesetzliche Erbfolge eintreten.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Nach der testamentarischen Konzeption ist entweder der eingesetzte Erbe oder der Ersatzerbe (jeweils) Alleinerbe. Unter dieser Prämisse ist eine Testamentsvollstreckung (auch) zur Auseinandersetzung des Nachlasses ersichtlich sinnlos.

    Es liegt also tatsächlich die Vermutung nahe, dass die einzelnen "Bausteine" des Testaments irgendwo "abgemalt" wurden, ohne zu realisieren, was die Anordung einer Testamentsvollstreckung im Rechtssinne überhaupt bedeutet. Hierfür spricht auch, dass kein Testamentsvollstrecker in persona ernannt wurde. Wenn man ganz sicher gehen möchte, kann man auch den Weg gehen, dass das Nachlassgericht mittels rechtskräftigen Beschlusses die Ernennung eines TV nach § 2200 BGB ablehnt. Dann ist die TV in jedem Fall materiell tot.

    Der Vorschlag der Kollegin ist nach meiner Ansicht rechtliches Harakiri. Denn die Tochter wird durch die Ausschlagung alleinige Ersatzerbin und wenn die TV (im Wege der Auslegung) materiell nicht angeordnet ist, erlangt der ausschlagende Ehegatte mangels Anwendbarkeit des § 2306 BGB nicht einmal seinen Pflichtteil. Und selbst wenn Ehegatte und Tochter ausschlagen, wird man über § 2069 BGB zu einer weiteren Ersatzerbenstellung der Abkömmlinge der Tochter und demzufolge nicht zur gesetzlichen Erbfolge kommen.

    Vielleicht war es also ganz gut, dass die Sache ein Vertretungsfall wurde.

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