Eröffnung durch deutsches Gericht/ letzter gew. Aufenthalt des dt. EL im EU-Ausland

  • Hallo Europa-Spezialisten!
    Ich brauche eure Hilfe…. Der Fall stellt sich wie folgt dar:
    Erblasser (dt. Staatsangehöriger) verstirbt in Italien, dort war auch sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt … die letzte inländische Anschrift in Deutschland liegt schon fast fünf Jahrzehnte zurück und kann nach Angaben der Kinder nur vermutet werden, eine Stadt wurde genannt, immerhin… Das Testament (schon beiTestamentserrichtung war der Erblasser in Italien wohnhaft – EL hat aber einen dt. Notar um Beurkundung gebeten) befand sich in amtlicher Verwahrung eines deutschen Gerichts, eine Rechtswahl wurde nicht getroffen … ich habe als Verwahrgericht eröffnet… UND JETZT?

    Ich weiß nicht, wie ich nach fünf Jahrzehnten an die letzte Meldeadresse kommen soll um gem. § 343 Abs. 2 FamFG zu verfahren … oder Abgabe an das AG Schöneberg? ODER Übermittlung an die dt. Auslandsvertretung? DAAANKE!

    ...der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann...

  • Hallo Europa-Spezialisten!
    Ich brauche eure Hilfe…. Der Fall stellt sich wie folgt dar:
    Erblasser (dt. Staatsangehöriger) verstirbt in Italien, dort war auch sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt … die letzte inländische Anschrift in Deutschland liegt schon fast fünf Jahrzehnte zurück und kann nach Angaben der Kinder nur vermutet werden, eine Stadt wurde genannt, immerhin… Das Testament (schon beiTestamentserrichtung war der Erblasser in Italien wohnhaft – EL hat aber einen dt. Notar um Beurkundung gebeten) befand sich in amtlicher Verwahrung eines deutschen Gerichts, eine Rechtswahl wurde nicht getroffen … ich habe als Verwahrgericht eröffnet… UND JETZT?

    Ich weiß nicht, wie ich nach fünf Jahrzehnten an die letzte Meldeadresse kommen soll um gem. § 343 Abs. 2 FamFG zu verfahren … oder Abgabe an das AG Schöneberg? ODER Übermittlung an die dt. Auslandsvertretung? DAAANKE!

    Es ist schon fraglich, ob Du überhaupt eröffnen durftest, weil für das gesamte Nachlassverfahren nahc Meinung des EuGH die italienischen Behörden zuständig sind.

    Fest steht aber, dass das gesamte weitere Verfahren sich in Italien abspielen wird.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich hatte hierzu in Rpfleger 2018, 649, 655 folgende Ausführungen gemacht:

    Wagt man einen Blick in die Zukunft, so ziehen bereits die nächsten Unbilden am rechtlichen Horizont herauf. Denn wenn bei letztem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedstaat nun auch noch die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte zur Eröffnung von bei den Nachlassgerichten verwahrten notariellen oder privatschriftlichen letztwilligen Verfügungen verneint werden sollte,[65] steht zu befürchten, dass solche Originaltestamente auf dem Übersendungswege ins Ausland (bei privatschriftlichen Testamenten: unwiederbringlich) verloren gehen können, weil dann unter Umständen auch keine Befugnis der deutschen Nachlassgerichte mehr besteht, die amtlichen Verwahrungsumschläge zu öffnen und zur Vermeidung eines solchen Urkundenverlustes noch vor der Übersendung an das zuständige ausländische Gericht beglaubigte Kopien der betreffenden letztwilligen Verfügungen anzufertigen. Diese Befürchtungen sind auch keineswegs von der Hand zu weisen, weil die bisherigen Erfahrungen leider gezeigt haben, dass die bedeutsame praktische Sicht der Dinge bei den theoretischen Erwägungen im Hinblick auf diese oder jene vorgeblich zutreffende Lösung völlig in den Hintergrund tritt. Man wird der weiteren Entwicklung in Angelegenheiten der EuErbVO daher durchaus skeptisch entgegensehen müssen.


    [65] Zu dieser Möglichkeit vgl. Lamberz Rpfleger 2018, 553, 554, dem aber ohne eine vorgängige Änderung der Norm des § 35 GBO nicht in der Annahme zuzustimmen ist, die deutschen Grundbuchämter müssten eine nicht durch ein Europäisches Nachlasszeugnis belegte Erbfolge nunmehr auch aufgrund der nationalen Erbnachweise anderer Mitgliedstaaten eintragen.

  • Seitdem sich das BVerfG neuerdings nicht mehr um das europäische Recht schert, sehe ich die Frage der internationalen Zuständigkeit ziemlich emotionslos. Es ist zu tun, was im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich ist, zumal dies keinesfalls schaden, sondern allenfalls nützen kann.

  • Cromwell, wenn Du im BVerfG sitzt, kannst Du Dich vielleicht über geltendes EU-Recht hinwegsetzen. Bis dahin bleibt es eben geltendes Recht.
    Wenn man seinen Job pragmatisch erledigen möchte und die von Cromwell erwähnten Ziele erreichen möchte, gibt’s auch im Regelungssystem der Verordnung eine Lösung: Art. 15 ErbRVO. Man erklärt sich für unzuständig für die Testamentseröffnung und stellt diese Unzuständigkeitserklärung den Beteiligten zu - wie man die Testamentseröffnung zustellen würde. Daraus ergibt sich, dass es in Deutschland eine letztwillige Verfügung gibt und wo sie sich befindet. Gleichzeitigt wird dem zuständigen Mitgliedstaat nicht vorgegriffen. Für den Rest sind die Italiener zuständig. Auch dort gibt es Dichter und Denker.

  • Man braucht nicht Dichter, sondern bestenfalls Denker zu sein, um auf die einfachste Lösung zu verfallen, die darin besteht, den Verwahrungsumschlag zu öffnen und sich vor der Versendung des Originaltestaments ins Ausland eine beglaubigte Sicherungheitskopie zu fertigen, das Testament aber nicht förmlich zu eröffnen.

    Allerdings erschließt sich diese pragmatische Lösung nur, wenn man schon einmal ein Nachlassgericht von innen gesehen hat und man demzufolge weiß, wie sich die dortigen Abläufe in concreto darstellen. Denn dann kommt es auf die "reine Lehre" nicht mehr an.

  • Man braucht nicht Dichter, sondern bestenfalls Denker zu sein, um auf die einfachste Lösung zu verfallen, die darin besteht, den Verwahrungsumschlag zu öffnen und sich vor der Versendung des Originaltestaments ins Ausland eine beglaubigte Sicherungheitskopie zu fertigen, das Testament aber nicht förmlich zu eröffnen.

    Allerdings erschließt sich diese pragmatische Lösung nur, wenn man schon einmal ein Nachlassgericht von innen gesehen hat und man demzufolge weiß, wie sich die dortigen Abläufe in concreto darstellen. Denn dann kommt es auf die "reine Lehre" nicht mehr an.

    Genau so. Aber das ändert nichts daran, dass das Verfahren sich ausschließlich in Italien abspielen wird.
    Re BVerfG: die Uhr tickt...

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  • Cromwell: als Notar in Oberschlesien sehe ich das Nachlassgericht jeden Tag - in der Kanzlei, denn ich eröffne Testamente in Wahrnehmung nachlassgerichtlicher Aufgaben.
    Die Eröffnung selbst ist verfahrens-technisch tief im nationalen Nachlassverfahrensrecht verankert. Ich würde nie auf den Gedanken kommen, mich in einer Diskussion mit deutschen Rechtspflegern über die Anwendung deutschen Rechts zu äußern. Denn eine derartige Besserwisserei kenne ich aus eigener Erfahrung in spiegelbildlichen Konstellationen. In der Regel sind solche Beiträge auf der Sachebene – gelinde gesagt – erstaunlich.

    Meine Ausführungen beziehen sich auf die gemeinsame Ebene der Erbrechtsverordnung. Selbst die Unzuständigkeitserklärung nach Art. 15 ErbRVO erfolgt im Detail nach nationalem Verfahrensrecht. Hauptsache ist: man braucht weder die ErbRVO auf klare Weise zu verletzen, noch sich auf das BVerfG zu berufen, um einen vernünftigen Weg zu finden.

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (30. Juni 2020 um 12:27)

  • Man braucht nicht Dichter, sondern bestenfalls Denker zu sein, um auf die einfachste Lösung zu verfallen, die darin besteht, den Verwahrungsumschlag zu öffnen und sich vor der Versendung des Originaltestaments ins Ausland eine beglaubigte Sicherungheitskopie zu fertigen, das Testament aber nicht förmlich zu eröffnen.

    Allerdings erschließt sich diese pragmatische Lösung nur, wenn man schon einmal ein Nachlassgericht von innen gesehen hat und man demzufolge weiß, wie sich die dortigen Abläufe in concreto darstellen. Denn dann kommt es auf die "reine Lehre" nicht mehr an.

    Habe mit dem Problem bisher keine Erfahrungen; wird aber noch kommen...und frage daher unbedarft :

    Wie muss man sich das praktisch vorstellen ?
    1.) Ausländische Nachlassbehörde selbst ermitteln oder von Beteiligten angeben lassen ?
    2.) Originaltestament zusammen mit Unzuständigkeitserklärung nach dorthin senden ?
    3.) In welcher Form soll übersandt werden ? Einfacher Brief oder internationaler Rückschein ?

  • 1. Selbst ermitteln.
    2. Ja.
    3. Mit einfachem Brief sicher nicht. Können Kollegen entsprechendes berichten?

    Nebenbei:

    Wenn man eröffnet und sich eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung zurückbehält, stellt sich die interessante Frage, ob diese Unterlagen für Bankzwecke und im Fall der notariellen letztwilligen Verfügungen sogar für das Grundbuchamt ausreichen.

  • 1. Selbst ermitteln.


    Das ist jedenfalls in den Ländern, in denen kein "Nachlassgericht" im deutschen Sinne existiert und sich die Beteiligten z.B. einen Notar, den sie frei wählen können, beauftragen (wie etwa in Frankreich, Luxemburg oder Belgien), nicht sehr erfolgversprechend.

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  • Das war ja auch in Ordnung so, weil die deutschen Gerichte zuständig waren.

    Wenn heute jemand seinen Ruhestand in Mallorca verbringt und dort verstirbt, er sein Bankvermögen und seinen Grundbesitz aber in Deutschland hat, dann ist die Beibringung eines spanischen ENZ für die im Inland lebenden Erben höchst umständlich und lästig. Ich bezweifle, ob dies der Zweck der Übung war. Jedenfalls hat uns der "Experte aller Experten" (Lechner) dann fortgesetzt völligen Unsinn erzählt (vgl. meine Ausführungen in Rpfleger 2018, 649, 654 f.). Und bei den "Experten" der anderen Länder hat es sich wohl auch nicht anders verhalten, denn offenbar hat niemand die sich ergebenden praktischen Probleme erkannt. Und diejenigen, die sie erkannt hätten, hat man nicht gefragt.

  • Das war ja auch in Ordnung so, weil die deutschen Gerichte zuständig waren.

    Wenn heute jemand seinen Ruhestand in Mallorca verbringt und dort verstirbt, er sein Bankvermögen und seinen Grundbesitz aber in Deutschland hat, dann ist die Beibringung eines spanischen ENZ für die im Inland lebenden Erben höchst umständlich und lästig. Ich bezweifle, ob dies der Zweck der Übung war. Jedenfalls hat uns der "Experte aller Experten" (Lechner) dann fortgesetzt völligen Unsinn erzählt (vgl. meine Ausführungen in Rpfleger 2018, 649, 654 f.). Und bei den "Experten" der anderen Länder hat es sich wohl auch nicht anders verhalten, denn offenbar hat niemand die sich ergebenden praktischen Probleme erkannt. Und diejenigen, die sie erkannt hätten, hat man nicht gefragt.

    Kein Kommentar zu Lechner und den anderen Experten. Warum man z.B. nicht das Recht des derzeitigen Aufenthalts wählen kann weiß ich bis heute nicht.

    Aber generell:
    Es waren früher im Zweifel eine ganze Menge Gerichte zuständig (in jedem Belegenheitsstaat und im Herkunftsstaat), gerne auch mit unterschiedlichen Ergebnissen. Jetzt ist nur ein Gericht zuständig.

    Und der Ruheständler in Mallorca hat es in der Hand, durch Verfügung von Todes wegen deutsches Recht zu wählen, was sogar die Möglichkeit des abweichenden Gerichtsstandes ermöglicht (Art. 5 EuErbVO). Man kann nicht immer nach Eigenverantwortlichkeit der Bürger schreien und dann jammern, wenn jemand eigenverantwortlich seine Rechte nicht wahrnimmt oder sich nciht informiert.

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  • Ich für meinen Teil habe noch nie nach der Eigenverantwortlichkeit der Bürger geschrien. Das ist, wie wenn man in der Corona-Zeit an etwas appelliert, was es - jedenfalls in der Masse - noch nie gegeben hat: An die Vernunft der Leute.


  • Das ist jedenfalls in den Ländern, in denen kein "Nachlassgericht" im deutschen Sinne existiert und sich die Beteiligten z.B. einen Notar, den sie frei wählen können, beauftragen (wie etwa in Frankreich, Luxemburg oder Belgien), nicht sehr erfolgversprechend.

    1. Gilt m.W. mind. noch für Rumänien und

    2.) spricht dafür , in diesen Fällen , sich die "Nachlassbehörde" von den Beteiligen benennen zu lassen, bevor Versendung erfolgt.

  • Dass die Eröffnung sinnvoll ist, steht außer Frage.

    Es geht aber um die internationale Zuständigkeit. Wenn ein Inlandsgericht nicht international zuständig ist, stellt sich die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit nicht mehr.

    Vielleicht kann man sich mit der Überlegung behelfen, dass es sich hier nicht um eine nachlassgerichtliche, sondern um eine verwahrungsgerichtliche Tätigkeit handelt, wobei das Verwahrungsgericht in der Gerichtsorganisation nur "zufällig" beim Nachlassgericht angesiedelt ist.

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