Gesetzesinitiative "besitzerlose Konten"

  • Das Bundesland Niedersachsen hat eine Gesetzesinitiative zur Behandlung von „besitzerlosen“ Konten in die Wege geleitet.

    https://www.n-tv.de/politik/Nieder…le21879368.html

    Der wahre Hintergrund für die offiziell „zum Wohl der Erben“ eingeleitete Initiative dürfte natürlich sein, dass man diese verwaisten Konten im Wege der angestrebten Feststellung des Fiskuserbrechts dem Staat zuschanzen möchte. Die Chancen hierfür stehen wohl auch nicht schlecht, weil etliche Kollegen in den „üblichen verdächtigen“ Bundesländern nicht das Rückgrat haben, sich solchen Bestrebungen als Nachlassgericht zu widersetzen und daher entweder verfrüht das Fiskuserbrecht feststellen oder ohne ausreichende Ermittlungen jedenfalls eine Hinterlegung zugunsten der unbekannten Erben veranlassen, was nichts anders als eine verkappte Feststellung des Fiskuserbrechts darstellt. Dass Fiskus und insolvenzrechtliche Klientel insoweit Hand in Hand arbeiten, zeigen einige problematische Aufsätze, die - obwohl von keinerlei oder jedenfalls zweifelhafter Sachkenntnis getrübt - Stimmung gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung von Nachlasspflegschaften schüren und die Tätigkeit von "widerspenstigen" Rechtspflegern im Ergebnis in die Nähe der Rechtsbeugung rücken (vgl. etwa Holl Rpfleger 2008, 285; Roth ZinsO 2013, 1567 und Rpfleger 2019, 495; hiergegen zu Recht Niewerth/Neun/Schnieders Rpfleger 2009, 121; zur letztgenannten Abhandlung von Roth vgl. auch meine Kritik in Rpfleger 2019, 679, 689).


    „Rein zufällig“ kommt die besagte Initiative denn auch aus Niedersachsen.

  • Also der tatsächliche Hintergrund ist, dass aktuell die Banken irgendwann "verwaiste" Konten auflösen und dem Eigenkapital zuschlagen. Da wäre mir eine Erbschaft der Allgemeinheit (=Fiskus) doch lieber als die "Erbschaft" der Aktionäre.

    Außerdem gibt es für diese Regelung einen echten Bedarf. Man sollte nicht glauben, wie oft das Finanzamt von Erben (vergeblich) um einen Kontoabruf auf den Namen des Erblassers angebettelt wird, weil dessen Konten einfach nicht auffindbar sind.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Es fragt sich allerdings, ob die geschilderte Verfahrensweise der Banken rechtmäßig ist. Ich gehe davon aus, dass sie es nicht ist. Die Bank hat sich beim Nachlassgericht unter Angabe der Höhe des Guthabens um die Bekanntgabe bzw. Ermittlung der Erben zu bemühen und dann nehmen die Dinge ihren gewohnten Gang (Nachlasspflegschaft).

    Ich halte nichts davon, sich als Gesetzgeber die erforderlichen Maßnahmen von zweifelhaften Praktiken der Banken diktieren zu lassen.

  • Es fragt sich allerdings, ob die geschilderte Verfahrensweise der Banken rechtmäßig ist. Ich gehe davon aus, dass sie es nicht ist. Die Bank hat sich beim Nachlassgericht unter Angabe der Höhe des Guthabens um die Bekanntgabe bzw. Ermittlung der Erben zu bemühen und dann nehmen die Dinge ihren gewohnten Gang (Nachlasspflegschaft).

    Ich halte nichts davon, sich als Gesetzgeber die erforderlichen Maßnahmen von zweifelhaften Praktiken der Banken diktieren zu lassen.

    Wonach besteht die Verpflichtung der Banken, sich an das Nachlassgericht zu wenden?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Das sollte der übliche Weg sein, wenn man einen Gläubiger hat, der verstorben ist.

    Sich Fremdgelder einfach einzuverleiben, ist keine rechtmäßige Option.

    Kontoguthaben sind Forderungen des Kunden gegen die Bank, also Ansprüche und keine Sachen oder Gegenstände, an denen man Eigentum hat. Lernt jeder Jurist in den ersten Semestern.

    Und Ansprüche verjähren, im Gegensatz zum Eigentum. So einfach ist das.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • DIe Diskussion geht m. E. auch am Kern der Sache vorbei. Die Banken verweigern ja niemanden die Auszahlung, der Schuldner bzw. dessen mögliche Erben bleiben ja Schuldner. Die Bank ist aber keineswegs verpflichtet, sich an ein Nachlassgericht zu wenden.

    Nur wird die Rückzahlungsverpflichtung irgendwann aus der Bilanz der Bank nach Handelsrecht ausgebucht. Meldet sich also niemals jemand, ist es zwar nicht rechtlich aber rein faktisch so, als wäre die Forderung auf die Bank übergegangen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

    Einmal editiert, zuletzt von Exec (30. Juni 2020 um 13:22)

  • DIe Diskussion geht m. E. auch am Kern der Sache vorbei.

    Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in allem. Das Problem des rumliegenden Geldes ist ja schon so alt wie die Bundesrepublik alt ist. Girokonten hat man einfach gegen die Kontoführungsgebühr leerlaufen lassen und dann geschlossen. Nur momentan haben die Banken das Problem, das verwahrtes Geld Geld kostet. Da helfen auch die paar Kontoführungsgebühren nicht und bei Sparbüchern wird es noch teurer.

    Ich halte es auch für eine kalte Enteignung, wenn sich die Banken das Geld einverleiben. Automatisches Fiskus erbrecht halte ich Grundgesetz rechtlich für bedenklich. Der einzig formaljuristische richtige Weg ist der Weg über das Nachlassgericht. Bei der Bekanntgabe des Vermögens muss ich Cromwell widersprechen, da das dem Nachlassgericht im ureigentlichen Sinn auch nichts angeht. Den es scheint Praxis zu sein, dass wenn der Geldbetrag zu klein ist, gleich auf Fiskus Erbrecht entschieden wird. Selbst die Anweisung zur Hinterlegung durch das Nachlassgericht halte ich persönlich für Vertragsrechtlich bedenklich, da lediglich der Nachlasspfleger der Vertreter der unbekannten Erben ist. Aber das haben wir hier, glaube ich, schon öfters diskutiert.

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  • Als ich den Banken zu bedenken gab, dass das Nachlassgericht auch einen Nachlasspfleger bestellen könne, dem die Bank dann Auskunft geben müsste und dass man sich daher schlecht weigern könne, dem Nachlassgericht selbst die betreffenden Auskünfte zu geben, hat man das ohne weiteres eingesehen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den Eigenbefugnissen des Nachlassgerichts im Anwendungsbereich des § 1960 BGB.

  • Als ich den Banken zu bedenken gab, dass das Nachlassgericht auch einen Nachlasspfleger bestellen könne, dem die Bank dann Auskunft geben müsste und dass man sich daher schlecht weigern könne, dem Nachlassgericht selbst die betreffenden Auskünfte zu geben, hat man das ohne weiteres eingesehen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den Eigenbefugnissen des Nachlassgerichts im Anwendungsbereich des § 1960 BGB.

    Hat die Justiz denn die Kapazität, den Banken die Arbeit abzunehmen und deren verschollene Kunden zu suchen? Ich habe nämlich keine Ahnung, welche Fallzahlen es an unbewegten Konten gibt, aber wenige werden es schon nicht sein.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wenn der Anwendungsbereich des § 1960 BGB eröffnet ist, ist dies keine Frage der Kapazitäten der Justiz. Richtig ist allerdings - und auch dies spielt in die vorliegende Problematik hinein -, dass sich manche Rechtspfleger der sich aus § 1960 BGB ergebenden Verpflichtung entziehen, indem sie eine Nachlasspflegschaft erst gar nicht anordnen oder eine angeordnete Nachlasspflegschaft über die Hilfskrücke der Hinterlegung ohne ausreichende Erbenermittlung auf kaltem Wege beenden.


  • <…> Die Chancen hierfür stehen wohl auch nicht schlecht, weil etliche Kollegen in den „üblichen verdächtigen“ Bundesländern nicht das Rückgrat haben, sich solchen Bestrebungen als Nachlassgericht zu widersetzen und daher entweder verfrüht das Fiskuserbrecht feststellen oder ohne ausreichende Ermittlungen jedenfalls eine Hinterlegung zugunsten der unbekannten Erben veranlassen, was nichts anders als eine verkappte Feststellung des Fiskuserbrechts darstellt.

    Dass Fiskus und insolvenzrechtliche Klientel insoweit Hand in Hand arbeiten, zeigen einige problematische Aufsätze, die - obwohl von keinerlei oder jedenfalls zweifelhafter Sachkenntnis getrübt - Stimmung gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung von Nachlasspflegschaften schüren und die Tätigkeit von "widerspenstigen" Rechtspflegern im Ergebnis in die Nähe der Rechtsbeugung rücken (vgl. etwa Holl Rpfleger 2008, 285; Roth ZinsO 2013, 1567 und Rpfleger 2019, 495; hiergegen zu Recht Niewerth/Neun/Schnieders Rpfleger 2009, 121; zur letztgenannten Abhandlung von Roth vgl. auch meine Kritik in Rpfleger 2019, 679, 689).


    Du kritisierst problematische Aufsätze, die "Stimmung schüren" und "die Tätigkeit von widerspenstigen Rechtspflegern in die Nähe von Rechtsbeugung" rücken, machst aber selbst nichts anderes. Durchaus bedenklich, wie ich finde.
    Genauso wie das übliche Kollegen-Bashing, die angeblich "nicht das Rückgrat haben". Finde ich nicht gut.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Du darfst mir glauben, dass ich über durch Insider vermittelte Kenntnisse verfüge, die es durchaus nicht als abwegig erscheinen lassen, insbesondere in Niedersachsen von unhaltbaren Zuständen zu sprechen, wo nach meinen Informationen auch Großnachlässe ohne ausreichende Erbenermittlung (und mitunter sogar ohne öffentliche Aufforderung) dem Fiskus "zukommen".

    Die Nachlasspfleger trauen sich nur nichts zu sagen, weil sie - wohl nicht zu Unrecht - befürchten, dann nicht mehr bestellt zu werden. Ich habe zur Diskussion gestellt, dass Nachlasspfleger oder Erbenermittler in einem exemplarischen Fall auf eigene Kosten die Erben (oder zumindest einen einzigen Miterben) ermitteln und dann - über einen Dritten - das ganze "System" zum Einsturz bringen. Vielleicht kann man dann einige Überraschungen erleben, wenn die Staatsanwaltschaft alle bei den fiskuserbrechtsverwaltenden Behörden "gebündelten" Fiskuserbrechtsfeststellungen der letzten Jahre unter die Lupe nimmt. Haben wir in anderen Bundesländern in anderem Zusammenhang (etwa auf kommunaler Ebene) alles schon erlebt.

    Im Übrigen empfehle ich die Lektüre der Fundstelle Rpfleger 2019, 679, 689, wo ich ausführlich dargestellt habe, mit welchen Methoden gearbeitet wird.

  • Ich habe in zwei Fällen erlebt, dass zwei verschiedene Volksbanken wegen Gläubigerungewissheit hinterlegten, in einem Fall nach zehn Jahren, in einem anderen Fall nach noch längerer Zeit, dort aber obwohl die Erben mittlerweile feststanden, jedoch ungewiss war, wem wieviel zustand (§ 2050 BGB).

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • Die Verschwörungstheorie rund um die Fiskuserbschaften kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Haushaltseinnahmen des Landes Niedersachsen aus Fiskuserbschaften liegen insgesamt konstant so zwischen 6 bis 7 Mio. Euro im Jahr und damit weit unter den Kosten, die das ganze verursacht. Das spricht m. E. klar gegen ein institutionalisiertes Abgreifen von Großerbschaften durch den bösen Fiskus wie Cromwell es hier insinuiert.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Aber dass die Vertreter des dortigen Fiskus mehr oder weniger direkt bei den Nachlassgerichten Druck machen, das Fiskuserbrecht festzustellen, interne „Schulungen“ mit Fiskusvertretern bei den Gerichten stattfinden, ist wohl auch eine Verschwörungstheorie?

    Oder dass im Vergleich zu anderen Bundesländern dort im Schnitt viel viel früher das Fiskuserbrecht festgestellt wird? Oft schon innerhalb von 1-3 Monaten nach dem Erbfall? Wenn man sich die Mühe macht (ist geschehen!) den Bundesanzeiger auszuwerten, werden einem die Augen geöffnet!

    Dass Nachlasspfleger aus dem Bundesland flächendeckend ihrem Berufsverband berichten, krass weniger Fälle zu bekommen und wenn, dann das Gericht möglichst bald den Vorgang durch Fiskuserbrecht erledigen will...

    Alles Verschwörungstheorien?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Also ich habe mit Fiskuserbschaften nichts zu tun. Mich wundert aber die Aussage, dass das für Fiskuserbschaften zuständige Landesamt es schafft, die sachlich unabhängigen, auch in Niedersachsen durchaus mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestatteten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger unter Druck zu setzen. Vielleicht sollte ich bei denen mal eine Schulung besuchen.

    Aber "Großnachlässe" als Fiskuserbschaften erscheinen mir angesichts der Peanuts eines jährlichen mittleren einstelligen Millionenbetrags an Einnahmen dann doch sehr fraglich. Nur zum Vergleich: Das Erbschaftsteueraufkommen beträgt in Niedersachsen im Jahr fast 500.000.000 Euro.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

    Einmal editiert, zuletzt von Exec (1. Juli 2020 um 10:42)

  • Ich denke nicht, dass da ein bewusstes System hinter steckt.

    Ich vermute vielmehr, dass viele Nachlassgerichte die Feststellung des Fiskalerbrechts als relativ aufwandsarme Möglichkeit entdeckt haben, Akten vom Tisch zu bekommen.

    Und möchte wirklich wegen rund 1.000 € Nachlasswert ein Pfleger mit der Erbenermittlung tätig werden? :gruebel:

    Ulf

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