Nachlasspflegschaft wg Zweifel an der Testierfähigkeit eines notariellen Testaments

  • Guten Morgen,
    ich würde mich über Eure Ansichten zu folgendem Fall freuen:
    Die Erblasserin stirbt 2020.
    Es sind zwei notarielle Testamente vorhanden . Das erste von 12/2014 ( Erbe ist A) und das zweite von 02/2015 (Erbe ist B).
    A erscheint und stellt einen Erbscheinsantrag , er trägt vor die Erblasserin sei beim zweiten Testament nicht mehr testierfähig gewesen. Es habe einen Krankenhausaufenthalt zwischen der Errichtung der beiden Testamente gegeben und eine Verschlechterung des Gesundheitszustands.
    Letzte Woche gab es dann einen Zwischenfall beim Wohnhaus der Erblasserin, die Polizei musste eingreifen, weil A und B vor dem Haus stünden und beide die Schlösser austauschen und Sachen aus dem Haus nehmen wollten.
    Die Polizei hat beiden Parteien den Zutritt zunächst verwehrt und sie an das AG verwiesen.
    Nun stellt Erbe A den Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Er verweist auf das anhängige Erbscheinsverfahren und seine Einschätzung dass die Erblasserin nicht mehr testierfähig gewesen sei. Dies würde auch der behandelnde Arzt sowie nahestehende Personen bestätigen.
    Das Erbscheinsverfahren würde länger dauern und deswegen sei die Einrichtung einer Pflegschaft geboten.
    Ich habe in der Rechtsprechung wenig dazu gefunden, wie würdet ihr das sehen?
    Ich würde jetzt erst rechtliches Gehör gewähren und den Erben B anhören. Außerdem würde ich die Sache dem Nachlassrichter vorlegen, obnach seiner Einschätzung die Zweifel an der Erbfolge durch das zweite Testamentso erheblich sind, dass der Erbe zurzeit unbekannt ist.
    Ich finde man muss schon bedenken, dass es sich bei dem zweiten Testament um ein notarielles Testament handelt und die Testierfähigkeit vom Notar überprüft wurde.
    Durch die Nachlasspflegschaft würde der Erbe B erheblich eingeschränkt und bei 2 Millionen Nachlasswert fallen auch erhebliche Gerichtskosten und Kosten für den Pfleger an.
    Vielen Dank schon mal für Eure Meinungen.

  • Aus meiner Sicht ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft geboten, da über die Wirksamkeit des letzten Testaments gestritten wird.

    Der Erbe ist aus Sicht des Nachlassgerichts in rechtlicher Hinsicht unbekannt, sonst würde der Erbscheinsantrag umgehend zurückzuweisen sein.

    Es ist auch ein dringendes Sicherungsbedürfnis vorhanden, da Grundbesitz vorhanden ist. Dort hat es den besagten Zwischenfall gegeben, wobei sich der Erbe B gegenüber der Polizei nicht wirksam als Erbe durch sein notarielles Testament ausweisen konnte. Die Polizei hat ihm den Zutritt verweigert. Er ist also nicht als Erbe handlungsfähig.

    Der Fall stellt sich so dar, als ob das Erbscheinsverfahren länger andauern wird. Aus meiner Sicht kann ein so werthaltiger Nachlass nicht über längere Zeit ungesichert bleiben.
    Natürlich entstehen Kosten, aber der Nachlasspfleger rechnet nach Stunden ab, da ist der die Höhe des Nachlasses grundsätzlich nicht so entscheidend.

    Aus meiner Praxiserfahrung besteht eher die Gefahr, dass der Nachlass Schaden nimmt, wenn niemand für eine längere Zeit für den Nachlass handeln kann.

    Ich war selbst schon in ein er solchen Konstellation Nachlasspfleger, und da hat sich keiner der Beteiligten hinterher über die Kosten der Nachlassplflegschaft beschwert.

    PS. Zur rechtlichen Unsicherheit, wer Erbe wird: Würde in vorliegendem Fall das Grundbuchamt aufgrund des letzten notariellen Testaments das Grundbuch berichtigen, wenn nach dem ersten Testament ein Erbscheinsverfahren läuft?

  • Rechtliche Erbenungewissheit (widerstreitende Testamente bzw. Erben)

    +

    Sicherungsbedürfnis (hoher Nachlass, Verfügungsmöglichkeit mit jeweiligem Testament)

    =

    100 % Nachlasspflegschaft von Amts wegen.

    Wenn dann sogar noch einer der Erben den Antrag (ist eher eine Anregung denn ein Antrag nach § 1961 BGB) auf Nachlasspflegschaft stellt...was gibt´s dann da noch zu überlegen?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Der Erbe ist unbekannt im Sinne des §1960 BGB, wenn er nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht (vgl. OLG München, 31 Wx 145/18).
    Ich würde hier daher auch eine NLP für erforderlich halten, wenn die Einwände des A nicht offensichtlich völlig substanzlos/haltlos sind.
    Die Einschätzung hinsichtlich der Unbekanntheit der Erben obliegt in diesem Fall dem Rechtspfleger. Eine Rücksprache mit dem Richter scheint mir aber durchaus zweckmäßig.

    Definitiv muss zuerst B angehört werden. Ggf. kann es erforderlich sein A auffordern seine Einwände weiter zu substantiieren.
    Sicherungsbedürfnis besteht offensichtlich.

  • Vielen Dank für Eure Einschätzungen, ich werde den Erben B anhören , aber auch den Erben A bitten, die Behauptung näher zu begründen. Wenn wirklich eine Einschätzung des behandelnden Arztes vorliegt, kann die ja schriftlich eingereicht werden.
    Das Sicherungsbedürfnis dürfte bei vermieteten Häusern auf jeden Fall gegeben sein.

    Gleichzeitig lege ich die Sache dem Dezernenten vor, ob nach seiner Einschätzung der Erbscheinsantrag des A nicht völlig unbegründet ist und Beweis erhoben werden soll.

  • Das ist der Klassiker für eine Nachlasspflegschaft. Ich habe allerdings einen Fall in Berlin erlebt, in dem der Nachlasspfleger regelmäßig 5-stellige Vergütungsbeträge entnimmt, alles vom KG gedeckt. (Stundensatz 175 € netto, Stunden aufgebläht, keine Chance für die Erbprätendenten)

  • Zwischen den beiden notariellen Testamenten liegt ja nur ein sehr kurzer Zeitraum.
    Da müsste A schon Erhebliches vortragen und belegen zu der zwischenzeitlichen angeblich eingetretenen Testierunfähigkeit.

    Allein dass jemand im Krankenhaus war belegt gar nichts. Hinzu kommt, dass der Erbfall erst 5 Jahre später eingetreten ist.

    Aus meiner Sicht steht B erstmal als Erbe fest. EineUngewissheit, die eine Nachlasspflegschaft rechtfertigen würde, sehe ich noch nicht.

    Nur dass A irgendetwas behauptet ändert daran nichts.

    Weiterhin ist zu bedenken ist, dass die Gerichte im Zweifel pro Testierfähigkeit entscheiden.

    Auch dass sich A und B in die Wolle bekommen haben, sagt nichts hinsichtlich der Gewissheit bzw Ungewissheit der Erbenstellung des B.

  • Aus meiner Sicht steht B erstmal als Erbe fest. Eine Ungewissheit, die eine Nachlasspflegschaft rechtfertigen würde, sehe ich noch nicht.

    Auch wenn fast alle (außer A) es so sehen, dass B der Erbe ist, hilft es nichts. Die Bank wird weder A noch B an das Konto der Erblasserin lassen. Wer soll dann zum Beispiel von welchem Geld für die vermietete Immobilie Heizöl kaufen? Spätestens, wenn die frierenden Mieter (der Winter kommt schneller als das OLG entscheidet) ihren unbekannten Vermieter verklagen wollen, wird man einen NP installieren müssen.

  • Und wieder zeigt sich der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Danke carlson. Genau das ist das Praxisproblem, vor dem die potentiellen Erben stehen. Die verweigern sich ja schon mit Polizeigewalt gegenseitig den Zutritt zum Objekt. Ohne Erbschein kommt keiner der Erben voran. Und bis es den gibt, wird es naturgemäß dauern. Möchte wissen was Montgelas als Anwalt des abgewiesenen Erben da so an das Gericht schreiben würde. Aber so ist das eben bei der Theorie. Sie passt nicht immer.

    Und Papenmeier: Ich hatte mal den Fall...und dann war damals das und jenes...und dann hat der Anwalt noch tausende von Euro wollen...alles aufgebläht und unnötig...

    Was soll das? Willst du allen Ernstes sagen, dass das die Realität wäre, die du schilderst? Und sogar dem KG vorwerfen, es würde blind entscheiden? So eine undifferenzierte Aussage bin ich normalerweise von dir nicht gewohnt. Es wäre nett, wenn du den KG-Beschluss der offenbar standardisierte Stundensätze von netto 175 € zuspricht benennst. Daran wären ich und sicher andere Nachlasspfleger hoch interessiert. Schöne neue Welt.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (13. Juli 2020 um 20:53)


  • Auch wenn fast alle (außer A) es so sehen, dass B der Erbe ist, hilft es nichts. Die Bank wird weder A noch B an das Konto der Erblasserin lassen. Wer soll dann zum Beispiel von welchem Geld für die vermietete Immobilie Heizöl kaufen? Spätestens, wenn die frierenden Mieter (der Winter kommt schneller als das OLG entscheidet) ihren unbekannten Vermieter verklagen wollen, wird man einen NP installieren müssen.

    Warum sollte der Vermieter das Öl bestellen?
    Außerdem gibt es im Mietrecht dafür Lösungen. Die Mieter können auch selbst bestellen.

    Wenn es keine Ungewissheit über den Erben gibt, dann darf auch keine Nachlasspflegschaft angeordnet werden. Egal wie unbequem das dann in der Praxis auch ist.

    Das ist nicht der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, sondern der Unterschied zwischen Recht und Unrecht.


  • Wenn es keine Ungewissheit über den Erben gibt, dann darf auch keine Nachlasspflegschaft angeordnet werden. Egal wie unbequem das dann in der Praxis auch ist.

    Wenn ich bei widerstreitenden Erbscheinsanträgen nicht zeitnah und ohne weitere Ermittlungen eine Entscheidung treffen kann (Erteilung eines Erbscheins/Zurückweisung des anderen Erbscheinsantrags) ordne ich Nachlasspflegschaft an. Dann ist neben noch nicht klar, wer Erbe ist. Und dass ggf. ein Sicherungsbedürfnis vorliegt, zeigen die Streithähne uns ja durch ihr jeweiliges Handeln.

    Jeder Erbprädent kann gegen meine Entscheidung Rechtsmittel einlegen und das OLG meine Entscheidung ggf. aufheben. Dann hätten wir mal wieder eine Entscheidung eines OLG.

  • Warum sollte der Vermieter das Öl bestellen?


    Weil er sich im Mietvertrag verpflichtet hat, eine funktionierende Zentralheizung vorzuhalten

    Außerdem gibt es im Mietrecht dafür Lösungen. Die Mieter können auch selbst bestellen.


    Und dann? Wer bestellt, bezahlt! Der Mieter der bezahlt hat, wird das Geld, das er vorgelegt hat, notfalls einklagen müssen. Und schon sind wir bei § 1961 BGB.

    Wenn es keine Ungewissheit über den Erben gibt, dann darf auch keine Nachlasspflegschaft angeordnet werden. Egal wie unbequem das dann in der Praxis auch ist.


    Die Ungewissheit gibt es aber (für Bank, Mieter, Heizölhändler und alle anderen), solange nicht einer der beiden Erbprätendenten mit einem Erbschein daherkommt. Das Gericht ist nun mal, auch wenn die Sache noch so klar erscheint, durch § 352e Abs. 2 FamFG daran gehindert, sofort einem der beiden einen Erbschein zu erteilen, wenn das dem erklärten Willen des anderen widerspricht.

    Das ist nicht der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, sondern der Unterschied zwischen Recht und Unrecht.


    Nun ja, Unrecht kann auch darin bestehen, dass ein Gericht nicht tätig wird, obwohl es tätig werden müsste.

  • Wenn ich aber einen rechtsmittelfähigen Erteilungsbeschluss erlassen kann, werde ich keine Nachlasspflegschaft mehr anordnen können. Mir als Gericht sind die Erben bekannt. Ob meine Kenntnis der Bank ausreicht, kann m.E. kein Maßstab für die evtl. Anordnung einer Nachlasspflegschaft sein. Sonst müsste ich bei jedem privatschriftl.. Testament und dem Verlangen der Bank nach einem Erbschein Nachlasspflegschaft anordnen.

  • Warum sollte der Vermieter das Öl bestellen?


    Weil er sich im Mietvertrag verpflichtet hat, eine funktionierende Zentralheizung vorzuhalten

    Außerdem gibt es im Mietrecht dafür Lösungen. Die Mieter können auch selbst bestellen.


    Und dann? Wer bestellt, bezahlt! Der Mieter der bezahlt hat, wird das Geld, das er vorgelegt hat, notfalls einklagen müssen. Und schon sind wir bei § 1961 BGB.

    Was für ein Mietertraum bzw Vermieteralbtraum, dass der Vermieter alles bezahlen muss.
    Das ist doch kompletter Unsinn, dass die Verpflichtung
    aus dem Mietvertrag eine gebrauchsfähige Mietsache (z.B.funktionierende Heizung) zu gewährleisten, beinhalten soll, dass der Vermieter auch die Energiekosten trägt. Die Energiekosten trägt (idR - Ausnahme Spezialfall Warmmiete vereibart etwa bei einem Untermietverhältnis) doch immer der Mieter.

    Einmal editiert, zuletzt von Montgelas (13. Juli 2020 um 23:45)

  • Was für ein Mietertraum bzw Vermieteralbtraum, dass der Vermieter alles bezahlen muss.
    Das ist doch kompletter Unsinn, dass eine Verpflichtung im Mietvertrag eine funktionierende Heizung vorzuhalten beinhalten soll, dass der Vermieter auch die Energiekosten trägt. Die Energiekosten trägt (idR - Ausnahme Spezialfall Warmmiete vereibart etwa bei einem Untermietverhältnis) doch immer der Mieter.


    Natürlich trägt die Heizkosten letztlich der Mieter. Aber Sinn und Zwecke einer Zentralheizung ist es, dass nicht jeder Mieter sein eigenes Öl kauft, sondern dass der Vermieter beizeiten den Tank füllt und das auch vorfinanziert und nachher eine Nebenkostenabrechnung erstellt. Auch letzteres im Übrigen eine vertragliche Pflicht (§ 556 BGB) die eher ein NP erfüllen kann als die zerstrittenen Erbprätendenten (Techem will nämlich fürs Röhrchenablesen auch Geld haben).

  • Die Erprätendenten bilden keine Erbengemeinschaft und müssen auch nix zusammen regeln.

    Auch die Heizkostenablesung müssen die Mieter bezahlen.

    Irgendetwas vorzufinanzieren ist keine Pflicht eines Vermieters, sondern allenfalls ein Entgegenkommen.

    Und wenn andere Kosten anfallen, können die Mieter das doch einfach von der Miete abziehen.
    Und wenn unklar ist an wen die Miete zu zahlen ist, können die hinterlegen.

    Ein Mietverhältnis ist überhaupt kein Problem.. Im Gegenteil, das Grundstück wird von den Mietern gesichert.

  • Wenn ich aber einen rechtsmittelfähigen Erteilungsbeschluss erlassen kann, werde ich keine Nachlasspflegschaft mehr anordnen können. Mir als Gericht sind die Erben bekannt. Ob meine Kenntnis der Bank ausreicht, kann m.E. kein Maßstab für die evtl. Anordnung einer Nachlasspflegschaft sein.

    Ist das Dein Ernst? Die Erben gelten schon dann als bekannt, wenn es einen rechtsmittelfähigen Beschluss gibt, auch wenn der andere Erbprätendent sofort Rechtsmittel gegen diesen Beschluss einlegt?

    Sonst müsste ich bei jedem privatschriftl.. Testament und dem Verlangen der Bank nach einem Erbschein Nachlasspflegschaft anordnen.

    Sicherlich nicht bei jedem. Aber dann wenn's streitig wird und ein Sicherungsbedürfnis besteht.

  • Ein Mietverhältnis ist überhaupt kein Problem.. Im Gegenteil, das Grundstück wird von den Mietern gesichert.


    jetzt wird die Diskussion albern. Gute Nacht.

    Ich meine das ernst. Ein leerstehendes Haus ist etwas ganz anderes als ein vermietetes Haus, wo die Mieter den Besitz ausüben und auf die Mietsache aufpassen müssen.

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