fraglicher Strafzeitbeginn

  • Zur Zeit habe ich zwei Fälle, wo der tatsächliche Strafzeitbeginn aus meiner Sicht nicht so eindeutig ist.

    Fall 1: in einbezogener Sache eines anderen Gerichts wurde ein Sicherungshaftbefehl erlassen (Fall von § 27 JGG lag vor und die Verbüßung der Jugendstrafe stand im Raum). Es gab aber nicht nur die Sicherungshaft, sondern auch eine U-Haft. Diese U-Haft betraf "meine" Sache und in "meiner" Sache erging später ein Urteil mit Jugendstrafe unter obengenannter Einbeziehung. Nach Rechtskraft des Beschlusses betreffend der "Nichtaussetzung" wurde in einbezogener Sache ein Aufnahmeersuchen an die JVA geschickt. Darin wurde angekreuzt, dass die "Genehmigung zur Unterbrechung der U-Haft beantragt werde". Offenbar hat die JVA als Strafbeginn den Eingang des Aufnahmeersuchens "angenommen". Ob dies in Absprache mit der ehemals tätigen Vollstreckungsbehörde (=Rpfl. des AG der einbezogenen Sache) geschah kann ich nicht sagen, weil mir dieses frühere VH nicht vorliegt. Kann bzw. soll ich den "festgesetzten" Strafbeginn nun einfach so übernehmen (Motto: Beginn der jetzigen Strafe ist der Strafbeginn in einbezogener Sache) ohne genau zu prüfen, ob es tatsächlich am Eingang des Aufnahmeersuchens festgemacht wurde (und vor allem, ob dies tatsächlich auch das richtige Kriterium nach der StVollstrO ist)? Wer ist letztlich verantwortlich für die korrekte Festlegung des Beginns?


    Fall 2: der Betroffene wurde durch mich zum Antritt der Jugendstrafe geladen. Das Aufnahmeersuchen (AE) habe ich parallel an diese JVA geschickt mit dem Hinweis auf das Ladungsdatum. Urteil usw. habe ich einige Tage später nachgereicht. Es stellte sich dann heraus, dass er sich in anderer Sache in einer U-Haftanstalt befindet. Deshalb wurden die Mitarbeiter der ursprünglich vorgesehenen JVA ersucht, die Vollstreckungsunterlagen -insbesondere das AE- an die andere Haftanstalt weiterzuleiten, was augenscheinlich auch passiert ist. Die U-Haftanstalt wurde von mir per FAX informiert, wo sich die Vollstreckungsunterlagen gerade befinden und der Mitarbeiter der Vollzugsgeschäftsstelle war somit informiert, dass auch eine Vollstreckung einer Jugendstrafe "ansteht". Er hat dann die U-Haft unterbrochen und hat den Tag des FAX-Eingangs als Beginn der (Jugend-) Strafe angenommen. Der Gefangene bleibt noch in der U-Haftanstalt, da in der neuen Sache bereits im August diesen Jahres Termin zur Hauptverhandlung ist und eine vorherige Verlegung in den Jugendvollzug daher "nicht üblich sei" (wohl um die Transportentfernungen einzuschränken).
    Hat der Beamte der JVA den Beginn korrekt "festgesetzt" ? Hätte man hier nicht mit dem Amtsgericht in Kontakt treten sollen, um den Strafzeitbeginn besser abzustimmen? Mir ist nicht bekannt, nach welcher Bestimmung der StVollstrO hier vorgegangen wurde. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr gerne auch zum vorläufigen Verbleib in der U-Haftanstalt noch Ausführungen machen. Ich frage mich nämlich manchmal, wer solche "Abweichungen" anordnet bzw. anordnen darf oder ob das einfach aus "praktischen Gründen" gelegentlich so praktiziert wird.

  • zu Fall 1: § 38 II StrVollStrO. Beginn mit Verhaftung aufgrund des Sicherungshaftbefehl in einbezogener Sache.

    zu Fall 2: § 38 IV StrVollStrO. Beginn ist in Ordnung. In welcher JVA der VU einsitzt, hat Dich doch nicht zu interessieren. Die JVA entscheidet, welche Anstalt die geeignete ist.

  • die folgenden Ausführungen betreffen insbesondere Spidey, aber es können sich gerne auch weitere Forenteilnehmer mit Beiträgen melden:

    zu Fall 2: der von Dir (Spidey) genannte Paragraph besagt doch, dass der Eingang des Aufnahmeersuchens (künftig AE genannt) entscheidend ist. Und diesen Zeitpunkt hat ja der Mitarbeiter der Vollzugsgeschäftsstelle gerade nicht genommen, wie ich am 15.7. geschildert hatte (sondern er hat den Eingang eines FAX-Schreibens genommen, wo ich geschrieben hatte, dass von einer anderen JVA ein AE bzgl. einer Jugendstrafe kommt). Das war / ist ja gerade mein Problem, dass NICHT nach § 38 IV StVollstr0 verfahren wurde. Warum soll dann der festgesetzte Beginn in Ordnung sein?

    zu Fall 1:

    nach Deinen Ausführungen bekräftigst Du meine Annahme, dass der Tag der Festnahme (zur Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls) der maßgebliche Zeitpunkt ist. Somit wurde in einbezogener Sache (mit der ich gar nichts zu tun hatte, da externe Behörde) von der JVA und/oder der damaligen Vollstreckungsbehörde nicht korrekt vorgegangen (offenbar wurde von § 38 der falsche Absatz zugrundegelegt, nämlich IV anstatt II). Daher bitte ich noch auf meine Fragestellung vom 15.7.20 einzugehen, wer jetzt verantwortlich ist für die korrekte Strafzeitberechnung (insbesondere für die korrekte Festlegung des Strafzeitbeginns, auch wenn man sicherlich zum gleichen Ergebnis bzgl. Endstrafe kommt, wenn man beide Berechnungen gegenüberstellen würde)

  • zu Fall 2: der von Dir (Spidey) genannte Paragraph besagt doch, dass der Eingang des Aufnahmeersuchens (künftig AE genannt) entscheidend ist. Und diesen Zeitpunkt hat ja der Mitarbeiter der Vollzugsgeschäftsstelle gerade nicht genommen, wie ich am 15.7. geschildert hatte (sondern er hat den Eingang eines FAX-Schreibens genommen, wo ich geschrieben hatte, dass von einer anderen JVA ein AE bzgl. einer Jugendstrafe kommt). Das war / ist ja gerade mein Problem, dass NICHT nach § 38 IV StVollstr0 verfahren wurde. Warum soll dann der festgesetzte Beginn in Ordnung sein? )

    Du hast der JVA B doch per Fax mitgeteilt, dass ein AE bei einer JVA A vorliegt. Also ist damit die anstehende Vollstreckung der JVA B bekannt. Warum sollte diese denn mit der Unterbrechung der U-Haft warten, bis irgendwann die andere JVA das AE weiterleitet?

  • weil in dem besagten Absatz IV nicht steht, dass ein "Bekanntwerden" entscheidend ist, sondern der Eingang eines wesentlichen Schriftstücks. Dieses AE versetzt JVA B "strenggenommen" erst in die Lage, die Jugendstrafe zu vollstrecken. Sonst könnte ja der Rechtspfleger in der U-Haft-JVA anrufen und in Extremfällen sagen " übrigens bekommen Sie von mir baldmöglich noch ein Aufnahmeersuchen wegen einer Jugendstrafe. Leider gehe ich jetzt aber 3 Wochen in Urlaub und ich schaffe es vorher nicht mehr. Und Vertretung ist Fehlanzeige."
    Würdest Du dann als JVA-Beamter die U-Haft ab dem Tag des Telefonats unterbrechen? Mal ganz abgesehen davon, dass es Fälle gibt, wo man die Stimme des Anrufers nicht kennt und theoretisch jeder irgendwas am Telefon behaupten könnte.

    Den Eingang des AE bei der Haftanstalt A kann man aber vermutlich auch nicht als Strafbeginn nehmen, weil es sich dabei ja nicht um die in Absatz IV genannte U-Haftanstalt handelt.

  • weil in dem besagten Absatz IV nicht steht, dass ein "Bekanntwerden" entscheidend ist, sondern der Eingang eines wesentlichen Schriftstücks. Dieses AE versetzt JVA B "strenggenommen" erst in die Lage, die Jugendstrafe zu vollstrecken. Sonst könnte ja der Rechtspfleger in der U-Haft-JVA anrufen und in Extremfällen sagen " übrigens bekommen Sie von mir baldmöglich noch ein Aufnahmeersuchen wegen einer Jugendstrafe. Leider gehe ich jetzt aber 3 Wochen in Urlaub und ich schaffe es vorher nicht mehr. Und Vertretung ist Fehlanzeige."
    Würdest Du dann als JVA-Beamter die U-Haft ab dem Tag des Telefonats unterbrechen? Mal ganz abgesehen davon, dass es Fälle gibt, wo man die Stimme des Anrufers nicht kennt und theoretisch jeder irgendwas am Telefon behaupten könnte.

    Den Eingang des AE bei der Haftanstalt A kann man aber vermutlich auch nicht als Strafbeginn nehmen, weil es sich dabei ja nicht um die in Absatz IV genannte U-Haftanstalt handelt.


    Nein, ich würde niemals eine UHaft auf "Zuruf" wegen einem Telefonat unterbrechen. Aber wenn ich Kenntnis bekomme, das ein AE in einer anderen JVA vorliegt, rufe ich dort an und lass mir zumindest die ersten beiden Seiten schon einmal durchfaxen. Eventuell hat der Kollege aus Fall 2 das auch so gemacht.

    LG

  • Dank auch an Knastknecht für die Äußerung. Würde mich freuen, wenn Du auch zu Fall 1 noch Deine Meinung sagst.

    Was Spidey am 16.7. im letzten Satz zu Fall 2 schreibt, ist zwar grundsätzlich richtig. Es gilt aber m.E. auch zu beachten, dass bei einer aktuell zu vollziehenden Jugendstrafe die Verlegung in die spezielle Jugendstrafanstalt nicht zu lange verzögert wird (aktuell in einer Haftanstalt, wo vorwiegend U-Haft an Erwachsenen vollzogen wird, allerdings bald Hauptverhandlung in neuer Sache)

  • Zur Zeit habe ich zwei Fälle, wo der tatsächliche Strafzeitbeginn aus meiner Sicht nicht so eindeutig ist.

    Fall 1: in einbezogener Sache eines anderen Gerichts wurde ein Sicherungshaftbefehl erlassen (Fall von § 27 JGG lag vor und die Verbüßung der Jugendstrafe stand im Raum). Es gab aber nicht nur die Sicherungshaft, sondern auch eine U-Haft. Diese U-Haft betraf "meine" Sache und in "meiner" Sache erging später ein Urteil mit Jugendstrafe unter obengenannter Einbeziehung. Nach Rechtskraft des Beschlusses betreffend der "Nichtaussetzung" wurde in einbezogener Sache ein Aufnahmeersuchen an die JVA geschickt. Darin wurde angekreuzt, dass die "Genehmigung zur Unterbrechung der U-Haft beantragt werde". Offenbar hat die JVA als Strafbeginn den Eingang des Aufnahmeersuchens "angenommen". Ob dies in Absprache mit der ehemals tätigen Vollstreckungsbehörde (=Rpfl. des AG der einbezogenen Sache) geschah kann ich nicht sagen, weil mir dieses frühere VH nicht vorliegt. Kann bzw. soll ich den "festgesetzten" Strafbeginn nun einfach so übernehmen (Motto: Beginn der jetzigen Strafe ist der Strafbeginn in einbezogener Sache) ohne genau zu prüfen, ob es tatsächlich am Eingang des Aufnahmeersuchens festgemacht wurde (und vor allem, ob dies tatsächlich auch das richtige Kriterium nach der StVollstrO ist)? Wer ist letztlich verantwortlich für die korrekte Festlegung des Beginns?


    Wenn ich das richtig verstehe saß der Gefangene in Untersuchungshaft ein, und der Sicherungshaftbefehl war als Überhaft notiert. Dann hätte auch ich den Eingang des Aufnahmeersuchens, in Unterbrechung der UHaft, als Strafbeginn genommen. Zumindest lässt mich das Kreuzchen bei "Genehmigung zur Unterbrechung der U-Haft wurde beantragt" darauf schließen. :)

    Sollte der Gefangene jedoch zuerst in der Sicherungshaft gesessen haben, so wäre nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, der Tag der Festnahme Strafbeginn gewesen.

    Letztendlich verantwortlich für die Richtigkeit der Strafzeitberechnung ist immer die Vollstreckungsbehörde. Wir als JVA machen immer nur eine "vorläufige Strafzeitberechnung".

    Vielleicht noch eine Bemerkung bzgl. der Verlegungen pp.
    In der Regel ist es so, das unzuständige Gefangene schnellstmöglich in die nunmehr zuständige JVA zu verlegen sind. Gerade wenn es Jugendstrafe betrifft. Allerdings gibt es auch hier immer wieder Hürden, warum dies nicht immer zeitnah geschehen kann. Sei es das die aufnehmende Anstalt einfach keine freien Haftplätze hat, oder auch bevorstehende Hauptverhandlungstermine. Ich kann nur für mich sprechen, aber gerade bei anstehenden HVTs muss geprüft werden, ob der Gefangene im Rahmen des Sammeltransportes auch wieder rechtzeitig zurück kommen kann für den HVT. Die Busse haben ja verschiedene Transporttage, nicht jede JVA wird jeden Tag angefahren, und teilweise dauern Transporte (obwohl Luftweg vielleicht 100 km entfernt) fast eine Woche. :)

    LG

  • Knastknecht:

    Danke für die Ausführungen. Bezüglich der Verantwortlichkeit für die Strafzeitberechnung hatte ich nicht das Verhältnis Vollstreckungsbehörde/JVA gemeint, sondern das "Verhältnis" zwischen Jugendgericht der einbezogenen Sache und Jugendgericht der jetzt vollstreckenden Sache (da unterschiedliche Behörden). Da hoffe ich noch auf den ein oder anderen Beitrag von Rechtspflegern von Strafabteilungen.
    Das von Dir (und mir) angesprochene Kreuzchen innerhalb des Aufnahmeersuchens hatte mich etwas gewundert, weil es ja offensichtlich gar keines Antrags auf Genehmigung zur Unterbrechung aufgrund des relativ neuen Paragraphen § 116 b StPO mehr bedarf. Nunmehr kann doch die JVA sozusagen "von Amts wegen" unterbrechen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich verweise da auf das am 24.05.2020 eingeleitete Thema "Reihenfolge der Vollziehung im Falle von einstweiliger Unterbringung und Jugendstrafe" und die Beiträge dazu. Nachdem diese auch einen gewissen JVA-Bezug aufweisen, würde ich mich über einen Beitrag freuen. Vermutlich macht es aber mehr Sinn, diesen auch unter diesem anderen Thema zu schreiben. Danke.

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