Mangel der Vollmacht

  • Die Vollstreckungsschuldnerin ist seit Verfahrensanordnung unbekannten Aufenthalts. Der Anordnungsbeschluss wurde an den im Versteigerungsantrag vom Gläubiger genannten Rechtsanwalt zugestellt.
    Ein Beteiligter (nicht der betreibende Gläubiger) rügt die nunmehr Bevollmächtigung des Schuldnervertreters. Dieser wurde daraufhin zum Nachweis der Bevollmächtigung aufgefordert. Die gesetzte Frist ist ergebnislos abgelaufen. Gemäß § 88 ZPO wäre der Bevollmächtigte m.E.nunmehr vom Verfahren auszuschließen, der anberaumte Versteigerungstermin aufzuheben und der Anordnungsbeschluss sowie der Wertfestsetzungsbeschluss öffentlich an die Schuldnerin zuzustellen. Oder habe ich etwas übersehen und ich kann den Termin doch abhalten?

    Schöne Grüße

    Purzel

  • Ich könnte mir vorstellen, dass vorliegend nicht aus einer Grundschuld vollstreckt wird und dass die nun nicht mehr greifbare Vollstreckungsschuldnerin im titelschaffenden Prozess anwaltlich vertreten war, dass also ein Fall des § 81 ZPO vorliegt. Wie sonst der betreibende Gläubiger auf die Idee dieser konkreten anwaltliche Vertretung seiner Schuldnerin gekommen ist, bewegt sich außerhalb meiner Vorstellungskraft. Aber gut, das ist Sachverhaltsquetsche.

    Spannend finde ich die Rechtsfrage, wer im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens zum Kreis der "Gegner" iSd § 88 Abs. 1 ZPO zu zählen ist, der auf Vorlage der Vollmachtsurkunde bestehen kann.

  • Gegner ist jeder, dessen Rechtsstellung durch die konkrete Prozeßhandlung betroffen ist (BGH, Beschluss vom 16.05.2013, V ZB 24/12). Laut Sachverhalt ergibt sich der Anwalt nur aus dem Antrag. Denke nicht, dass das genügt, um an ihn zuzustellen. Da er selbst nicht als Vertreter aufgetreten ist, gibt es meiner Meinung nach nichts zu rügen. Man wird einfach wieder am Anfang stehen.

  • Man wird einfach wieder am Anfang stehen.

    So sehe ich das auch.

    Deshalb erfolgt bei mir, auch wenn ein Anwalt im Antrag benannt ist, die förmliche Zustellung der Anordnung an den Schuldner selbst; der Anwalt erhält eine Abschrift hiervon mit entsprechenden Hinweis und der Bitte um Vertretungsanzeige für das Verfahren, falls vom Mandanten gewünscht.

  • Laut BGH, Urteil vom 06.04.2011, VIII ZR 22/10, ist der vom Kläger beim Beklagten angegebene Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter nach § 172 ZPO anzusehen. Das Risiko einer nicht bestehenden Vollmacht und dadurch unwirksamen Zustellungen trägt der Kläger.

  • Wie verträgt sich die Ansicht des BGH vorliegend mit dem Paragraphen 88 ZPO? Damit der Beteiligte die fehlende Vollmacht rügen kann, müsste er durch das Auftreten des Anwalts in seiner Rechtsstellung betroffen worden sein. Hat der Anwalt denn wenigstens das Empfangsbekenntnis zurückgeschickt? Falls das für sich allein überhaupt genügt.

  • Laut BGH, Urteil vom 06.04.2011, VIII ZR 22/10, ist der vom Kläger beim Beklagten angegebene Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter nach § 172 ZPO anzusehen. Das Risiko einer nicht bestehenden Vollmacht und dadurch unwirksamen Zustellungen trägt der Kläger.

    Das kann man im Streitverfahren ja durchaus so sehen, denn die einzig bestehende weitere Risikosphäre ist die des Beklagten. Im Versteigerungsverfahren gibt es aber bekanntlich noch ein paar andere Zeitgenossen, die unmittelbar betroffen sind. Und denen mag ich schlimmstenfalls nicht nur etwas vom "Risiko des Gläubigers" erzählen.

    Die geschilderte Verfahrensweise war übrigens die Folge eines hiesigen Verfahrens, in dem der im Antrag benannte und deshalb beteiligte Anwalt eines Eigentümers ein paar Tage vor Versteigerung bekanntgab, kein Mandat für das Verfahren zu haben und es auch nie gehabt zu haben. Und dafür mußten wir ihm auch noch dankbar sein, denn hätte er damit bis ein paar Tage nach Verteilung gewartet, wäre bei dem Eigentümer auf uns etwas mehr zugekommen, als nur ein paar erneute Zustellungen und eine neue Terminsbestimmung (natürlich neben allen bis dahin möglichen und unmöglichen Rechtsmitteln).

  • Zitat Bang-J: Das kann man im Streitverfahren ja durchaus so sehen, denn die einzig bestehende weitere Risikosphäre ist die des Beklagten. Im Versteigerungsverfahren gibt es aber bekanntlich noch ein paar andere Zeitgenossen, die unmittelbar betroffen sind. Und denen mag ich schlimmstenfalls nicht nur etwas vom "Risiko des Gläubigers" erzählen.

    Bei uns in der Versteigerung sind wirklich mehr als nur der Schuldner und Gläubiger betroffen. Der Beschluss des BGH V ZB 20/19 offenbar hier noch nicht diskutiert, muss zu Denken geben.

  • Der Anwalt hat sogar Beschwerde gegen einen meiner Beschlüsse eingelegt, welche vom LG zurückgewiesen wurde. Betrieben wird das Verfahren aus einem persönlichen Anspruch. In dem Titel (Urteil) ist der Anwalt als Beklagtenvertreter (Schuldner) benannt.
    Im Übrigen wurde an den Rechtsanwalt alles aus guten Gründen per PZU zugestellt.

  • Mit fruchtlosem Ablauf der Frist ist davon auszugehen, dass der Anwalt nicht bevollmächtigt war (ex tunc!) und seine Prozesshandlungen unwirksam sind (LG Würzburg, Urteil vom 24.01.2018, 14 O 2197/17; Juris). Man ist wieder am Anfang. Da man bislang von einer ordnungsgemäßen Vertretung ausging, wird man die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung noch nicht wirklich geprüft haben.


  • Deshalb erfolgt bei mir, auch wenn ein Anwalt im Antrag benannt ist, die förmliche Zustellung der Anordnung an den Schuldner selbst; der Anwalt erhält eine Abschrift hiervon mit entsprechenden Hinweis und der Bitte um Vertretungsanzeige für das Verfahren, falls vom Mandanten gewünscht.

    So verfahre ich meist nur bei einem Beitrittsantrag, in dem der aus der Akte ersichtliche Anwalt nicht benannt ist. Ansonsten stelle ich wegen § 172 I ZPO und der genannten BGH-Entscheidung VIII ZR 22/10 an den vom Gläubiger genannten Anwalt zu.

    Trotz des unstreitig umfassenderen Beteiligtenkreises ist der Gläubiger wie der Kläger im Streitverfahren "Herr des Verfahrens".

    Stellt man nicht an den vom Gläubiger benannten Anwalt zu, obwohl dieser tatsächlich Prozessbevollmächtigter nach § 172 ZPO ist, ist es auch blöd. In solchen Fällen kann eine parallele Zustellung an Schuldner und seinen mutmaßlichen Anwalt sinnvoll sein. Ich sehe das ähnlich wie mitunter bei Beteiligung eines InsO-Verwalters im Hinblick auf eine etwaige Freigabe.


  • Deshalb erfolgt bei mir, auch wenn ein Anwalt im Antrag benannt ist, die förmliche Zustellung der Anordnung an den Schuldner selbst; der Anwalt erhält eine Abschrift hiervon mit entsprechenden Hinweis und der Bitte um Vertretungsanzeige für das Verfahren, falls vom Mandanten gewünscht.

    So verfahre ich meist nur bei einem Beitrittsantrag, in dem der aus der Akte ersichtliche Anwalt nicht benannt ist. Ansonsten stelle ich wegen § 172 I ZPO und der genannten BGH-Entscheidung VIII ZR 22/10 an den vom Gläubiger genannten Anwalt zu.

    Trotz des unstreitig umfassenderen Beteiligtenkreises ist der Gläubiger wie der Kläger im Streitverfahren "Herr des Verfahrens".

    Stellt man nicht an den vom Gläubiger benannten Anwalt zu, obwohl dieser tatsächlich Prozessbevollmächtigter nach § 172 ZPO ist, ist es auch blöd. In solchen Fällen kann eine parallele Zustellung an Schuldner und seinen mutmaßlichen Anwalt sinnvoll sein. Ich sehe das ähnlich wie mitunter bei Beteiligung eines InsO-Verwalters im Hinblick auf eine etwaige Freigabe.

    "Gebot eines fairen Verfahrens" (Zöller/Stöber ZPO § 172 Rn 7). Zum Zivilprozess.

  • Der Anwalt hat sogar Beschwerde gegen einen meiner Beschlüsse eingelegt, welche vom LG zurückgewiesen wurde. Betrieben wird das Verfahren aus einem persönlichen Anspruch. In dem Titel (Urteil) ist der Anwalt als Beklagtenvertreter (Schuldner) benannt.
    Im Übrigen wurde an den Rechtsanwalt alles aus guten Gründen per PZU zugestellt.

    Falls das nicht sowieso anfangs des Beschwerdeschreibens steht, dass er den Schuldner vertritt, ergibt sich das dann konkludent durch eben diese Prozesshandlung.

    Da sich die Vollmacht aus dem vorangegangenen Prozess ergibt, könnte man sich da nicht die Prozessakte anfordern, ob sich die Vollmacht dort befindet?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Der Anwalt hat sogar Beschwerde gegen einen meiner Beschlüsse eingelegt, welche vom LG zurückgewiesen wurde. Betrieben wird das Verfahren aus einem persönlichen Anspruch. In dem Titel (Urteil) ist der Anwalt als Beklagtenvertreter (Schuldner) benannt.
    Im Übrigen wurde an den Rechtsanwalt alles aus guten Gründen per PZU zugestellt.

    Falls das nicht sowieso anfangs des Beschwerdeschreibens steht, dass er den Schuldner vertritt, ergibt sich das dann konkludent durch eben diese Prozesshandlung.

    Ist hier doch aber auch gleichzeitig das Problem. Jemand tritt als Vertreter auf und derjenige, der durch dessen Handeln betroffen ist, will wissen, ob der das überhaupt darf.

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