Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers (§ 1961 BGB)

  • Hallo alle zusammen :)
    Ich bin Berufsanfänger und arbeite an einem sehr kleinen Gericht. Da die Anderen bei uns hatten diesen Fall auch noch nicht.

    Erblasser im Mai verstorben
    Ehefrau, Tochter und Eltern haben das Erbe ausgeschlagen - Großeltern und weitere Verwandte sind dem Gericht derzeit nicht bekannt

    Es haben sich mehrere Gläubiger gemeldet und gefragt, ob das Gericht Erben oder den Nachlasspfleger benennen könnte.
    Einer der Gläubiger hat außerdem angeregt, dass eine Nachlasspflegschaft eingerichtet werden soll, sofern dies noch nicht geschehen ist.

    Ich bin mir jetzt unsicher, ob ich die Nachlasspflegschaft anordnen kann, da dem Gericht kein sicherungsbedürftiger Nachlass bekannt ist - Grundvermögen gibt es nicht.

    Ist das Vorhanden sein von sicherungsbedürftigem Nachlass eine Anordnungsvoraussetzung der Prozesspflegschaft nach § 1961 BGB.

    Würde mich über hilfreiche Antworten sehr freuen.

    Vielen Dank im Voraus :)

  • Hallo alle zusammen :)
    Ich bin Berufsanfänger und arbeite an einem sehr kleinen Gericht. Da die Anderen bei uns hatten diesen Fall auch noch nicht.


    Ist das Vorhanden sein von sicherungsbedürftigem Nachlass eine Anordnungsvoraussetzung der Prozesspflegschaft nach § 1961 BGB.


    Vielen Dank im Voraus :)

    Nein, wenn der Gläubiger den Antrag stellt, muss das Gericht anordnen.

  • Ergänzend zum Sicherungsbedürfnis für den Fall, dass nach § 1960 BGB angeordnet werden soll. Hier sagt Zimmermann (Zimmermann, W.: Die Nachlasspflegschaft 4. Aufl. 2017 Rn 48) meines Erachtens zutreffend:

    "Ein Vermögen braucht immer eine Fürsorge. In der Praxis sind die Fälle häufig, in denen der Verstorbene nur ein Mietverhältnis, eine bescheidene Wohnungseinrichtung und ein Bankkonto hinterlassen hat und wo sich schließlich zeigt, dass nach Bezahlung der Bestattungskosten nichts mehr vorhanden ist. Auch in einem solchen Falle besteht ein Fürsorgebedürfnis, schon deswegen, weil man vorher nicht wissen kann, ob nicht doch Wertgegenstände oder größere Guthaben vorhanden sind. Selbst das Sparbuch kann nicht sich selbst überlassen werden, weil sich sonst Unberechtigte möglicherweise daran vergreifen".

    Was passieren kann, wenn man ein Sicherungsbedürfnis verneint, weil der Erblasser vermeintlich verarmt ist, habe ich hier verlinkt:

    https://www.rechtspflegerforum.de/sh...=1#post1195401

  • Beantragt der Gläubiger die Pflegschaft, bekommt (und bezahlt) er sie ohne weitere Nachfragen. Insoweit also wie #2.
    Hier hat der Gläubiger aber nur angeregt, was für gewöhnlich bedeutet, das Gericht solle tätig werden, ohne daß es zu einer Haftung des Gläubigers kommen solle. Diese "Vorfrage" würde ich klären.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Beantragt der Gläubiger die Pflegschaft, bekommt (und bezahlt) er sie ohne weitere Nachfragen. Insoweit also wie #2.
    Hier hat der Gläubiger aber nur angeregt, was für gewöhnlich bedeutet, das Gericht solle tätig werden, ohne daß es zu einer Haftung des Gläubigers kommen solle. Diese "Vorfrage" würde ich klären.

    Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung sieht das anders. Die Anordnung nach § 1960 oder 1961 BGB kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger einen Vorschuss leistet oder gar die Kosten trägt. Die Kosten der Nachlasspflegschaft trägt der Nachlass bzw. die Landeskasse, wenn der Aktivnachlass dafür nicht ausreicht (vgl. Zimmermann, W.: Die Nachlasspflegschaft 4. Aufl. 2017 Rn 74). Dort ist in der Fußnote auch ein Überblick über die Rechtsprechung dazu gegeben.

    Für die Nachlasspflegervergütung ist der gesamte Aktivnachlass heranzuziehen. Die übrigen Nachlassverbindlichkeiten bleiben außer Betracht (OLG Düsseldorf vom 25.09.2012 https://openjur.de/u/580485.html mit weiteren Nachweisen).

  • Da stecke ich nicht tief genug in der Materie, als daß ich mich hier streiten könnte.:)

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Da stecke ich nicht tief genug in der Materie, als daß ich mich hier streiten könnte.:)

    Ich gebe zu, dass das vor 10-15 Jahren teilweise so gehandhabt und von den Gläubigern ein Vorschuss verlangt wurde. Inzwischen ist da die Rechtsprechung doch recht eindeutig.

    Allerdings: Bei der Nachlassverwaltung nach § 1975 BGB ist das anders. Die Anordnung der Nachlassverwaltung kann abgelehnt werden, wenn eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist (§1982 BGB).

  • Es bleibt aber fraglich, was der Nachlasspfleger ohne Aktivnachlass dann macht, also er fungiert als Briefkasten. Eine Vermögenssuche auf Staatskosten ist m. M. n. nicht der Sinn des § 1961 BGB.


    Eine andere Frage ist, wie viel Recherche der Antragsteller betrieben haben sollte, wobei der obige Fall für mich keine weitere Recherche des Antragstellers rechtfertigt

  • Es bleibt aber fraglich, was der Nachlasspfleger ohne Aktivnachlass dann macht, also er fungiert als Briefkasten. Eine Vermögenssuche auf Staatskosten ist m. M. n. nicht der Sinn des § 1961 BGB.

    Eine andere Frage ist, wie viel Recherche der Antragsteller betrieben haben sollte, wobei der obige Fall für mich keine weitere Recherche des Antragstellers rechtfertigt

    Ich verstehe nicht ganz, was der Antragsteller recherchieren soll. Das Vermögen?

    Es gibt sicherlich Fälle, in denen der Nachlasspfleger nur als "Briefkasten" fungiert. Wieso soll der nach § 1961 bestellte Nachlasspfleger nicht "auf Staatskosten" Vermögenssuche betreiben? Wenn er das nicht darf, wie soll er dann seiner Verpflichtung aus § 2012 Abs. 1 S. 2 nachkommen?
    (Der Nachlasspfleger ist den Nachlassgläubigern gegenüber verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen.)

    Der häufigste Fall des § 1961 BGB ist doch der Vermieterantrag, wenn der Vermieter das Mietverhältnis rechtssicher beenden will. In diesem Fall empfiehlt es sich, nach 1960 BGB anzuordnen mit dem Wirkungskreis "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses". Erfahrungsgemäß besteht bei der Abwicklung eines Mietverhältnisses nur in Ausnahmefällen kein Sicherungsbedürfnis.

    Übrigens, was die Tätigkeit des Nachlasspflegers "auf Staatskosten" betrifft, habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich in der Regel wenigstens so viel Aktivnachlass sichern lässt, dass die Kosten der Nachlasspflegervergütung gedeckt sind. Daran hat man als Nachlasspfleger auch Interesse, da dann höhere Stundensätze als die des § 3 VBVG beantragt werden können.

  • Ich hänge mich hier mal an:

    Folgender Fall:
    Ich habe eine Prozessnachlasspflegschaft auf Antrag nach § 1961 BGB angeordnet. Musste ich ja.
    Die Nachlasspflegerin machte sofort 4 Geschwister des Verstorbenen ausfindig, sodass die Nachlasspflegschaft wieder aufgehoben wurde.
    Nach GNotKG sind nur die Erben Kostenschuldner. Ich würde gerne dem Gläubiger die Kosten auferlegen, da mit etwas Recherche eine Nachlasspflegschaft vermeidbar gewesen wäre. Für die Gerichtskosten sicher kein Problem. Wie ist es mit der Vergütung der Nachlasspflegerin? Die Erben werden sich freuen, wenn der Nachlass diese tragen müsste. Kann ich diese auch dem Gläubiger auferlegen?

  • Kostenschuldner sind nur die vertretenen Erben. Der antragstellende Gläubiger haftet nie.:oops:

    Einstein war ne Sekunde schneller ;)

    Es ist nicht Aufgabe des Gläubigers Erben zu suchen, da ihm diese durch die Universalsukzession ohnehin in Form des Nachlasses (und ggf. darüber hinaus) haften. aber solange die Erben unbekannt sind, braucht es halt einen Vertreter des Nachlasses.

    Da stecke ich nicht tief genug in der Materie, als daß ich mich hier streiten könnte.

    Ich gebe zu, dass das vor 10-15 Jahren teilweise so gehandhabt und von den Gläubigern ein Vorschuss verlangt wurde. Inzwischen ist da die Rechtsprechung doch recht eindeutig.

    Allerdings: Bei der Nachlassverwaltung nach § 1975 BGB ist das anders. Die Anordnung der Nachlassverwaltung kann abgelehnt werden, wenn eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist (§1982 BGB).

    jup... aber Nachlasspflegschaft ist eben auch etwas anderes als die Nachlassverwaltung...

  • Im letzten Satz von § 24 GNotKG heißt es ja, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

    Interessante Frage. Die Rechtsprechung, die ich auf die Schnelle gefunden habe, bezieht sich noch auf die KostO und im dortigen § 6 war der Halbsatz "sofern das Gericht nichts anderes bestimmt" nicht vorhanden.

    Wenn die Nachlasspflegerin die Erben in kurzer Zeit gefunden hat, sollte ja eigentlich keine so hohe Vergütung angefallen sein. Warum sollten die Erben die Kosten nicht tragen? Ich denke, einem Gläubiger kann nicht zugemutet werden, die Erben (auf eigene Kosten) zu ermitteln. Nur weil dass für die Nachlasspflegerin nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden war, heißt das ja nicht, dass das nicht für den Gläubiger schwierig gewesen wäre. Dafür gibt es doch den § 1961 BGB.

    Angenommen, der Erblasser oder die Erben waren mit der Forderung in Verzug und der Gläubiger hätte sich einen Anwalt genommen, dann wären im Zivilprozess doch diese Kosten auch dem Schuldner im Wege des Schadensersatzes aufzuerlegen.

  • Letztendlich hat doch das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft angeordnet, nachdem es festgestellt hat, dass die Erben unbekannt sind. Der Nachlasspfleger vertritt die unbekannten Erben. Insoweit sind sie Kostenschuldner.

    Wenn die Erbenermittlung tatsächlich so einfach war, hätte doch bereits das Nachlassgericht die Erben ermitteln und vom Erbrecht in Kenntnis setzen können. Dann hätte es die Anordnung der Nachlasspflegschaft abgelehnt. Die Kostenfrage wäre nie entstanden.

    Wenn dem Nachlassgericht aber eine diesbezügliche Erbenermittlung nicht zugemutet werden kann, dann zweimal nicht dem antragstellenden Gläubiger.

    Im übrigen ist die Antragstellung i.S. des § 1961 BGB m.E. jederzeit zulässig. Und die Ablehnung der Anordnung durch das Nachlassgericht erfolgt ohne Kostenansatz.

  • Letztendlich hat doch das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft angeordnet, nachdem es festgestellt hat, dass die Erben unbekannt sind.

    Dieser Gedanke führt - konsequent weitergedacht - zur Amtshaftung, falls die Erben so einfach zu ermitteln waren, dass man sie eigentlich nicht als unbekannt ansehen kann. Allerdings kann eine Nachlasspflegschaft auch angeordnet werden, wenn die Annahme der Erbschaft unbekannt ist. Vom Gesetz ist nicht vorgesehen, dass das Gericht die Akte einfach 6 Wochen (oder Monate) weglegt, was aber häufig geschieht.

  • Wie ist es mit der Vergütung der Nachlasspflegerin? Die Erben werden sich freuen, wenn der Nachlass diese tragen müsste. Kann ich diese auch dem Gläubiger auferlegen?

    Ich weiß nicht, warum die Erben hier geschont werden sollen. Getreu dem Grundsatz: Kümmert Euch um Eure Familie, dann muss Euch nicht der Erbenermittler finden!, ist die Kostenauflegung nur Konsequent und Logisch.

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