Vereinfachte Unterhaltsfestsetzung -Möglichkeit zur Nachreichung von Belegen?

  • Folgender Fall: Antrag auf Unterhaltsfestsetzung durch Beistand Jugendamt für ein 4-jähriges Kind, Mindestunterhalt 100 % ab 1.4.20, Eingang im Juni; KV erhebt Einwendungen und zwar: 1. nicht leistungsfähig, da er nach Ausbildung, Arbeitslosigkeit etc. zwar Arbeit habe, aber coronabedingt in Kurzarbeit ist (das sind alle Angaben) und 2. gegen die Rückstände April bis Juni, da er keine Aufforderung zur Nachweisung seines Einkommes noch sonstige Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen erhalten habe; insoweit seien die Angaben des JA falsch. Er erklärt sich zur Zahlung von 200 € bereit und verpflichtet sich zur Zahlung diese Betrages an das Kind. Unter Berufung auf seine Privatssphäre legt er keine Belege bei, er sei aber bereit, diese "bei Bedarf" persönlich zu übergeben.

    Rein formal betrachtet ist der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit somit unzulässig erhoben, weil die Belege fehlen und somit unbeachtlich. Ich müsste also den Festsetzungsbeschluss über 100% Mindestunterhalt machen. Der Einwand bezüglich der Rückstände ist zulässig erhoben. Die Festsetzung kann ich also erst ab 01.07.2020, nicht ab 1.4.. machen. Da ich mich in einem streng formalen Verfahren befinde, ist das m.M. nach die korrekte Vorgehensweise.

    Oder nicht??:confused:
    Bin ich verpflichtet, dem KV die Möglichkeit zur Nachreichung der Belege zu geben? Das hieße, ich müsste ihn anschreiben und ihm Gelegenheit zur Vorlage geben. Legt er die Belege vor, wird sein 1. Einwand zulässig und ich muüsste die Festsetzung nur über 200 € machen, wozu er sich verpflichtet hat? Also sähe das Ergebnis anders aus. Und da stelle ich mir Frage: Darf ich in diesem formalen Unterhaltsfestsetzungsverfahren dem KV überhaupt die Möglichkeit der Nachbesserung geben?
    Oder hat er "verloren", weil er die Belege nicht gleich vorgelegt hat? In § 252 Abs 4 FamFG steht ausdrücklich drin, dass die Belege "zugleich" vorzulegen sind. Macht meiner Meinung ja auch Sinn in einem formalisierten Verfahren; da will man entscheiden, nicht diskuttieren.
    Ich habe schon ausgiebig gesucht, aber nirgendwo was dazu gefunden. Zwischenverfügungen werden gemacht, ja; aber sind die auch zulässig? Tue ich nicht der Antragstellerseite damit Unrecht?
    Was tun?

  • M. E. entspricht es dem Gebot des fairen Verfahrens, den Antragsgegner darauf hinzuweisen, dass sein Einwand als unzulässig angesehen wird, weil die Nachweise fehlen.

    Eine Festsetzung ohne diesen Hinweis dürfte eine unzulässige Überraschungsentscheidung darstellen.

  • Das ist der Hintergrund für die Frage, ob ich den KV darauf hinweise. Aber die Frage ist doch, ob das dann gegenüber dem Antragsteller noch fair ist, oder? Der würde dann ja den Unterhaltstitel nur über 200 € bekommen. oder mal anders gefragt: Wenn der KV aufgrund des gerichtlichen Hinweises die Belege vorlegt, würdest du den Einwand der verminderten Leistungsfähigkeit dann als zulässig betrachten oder trotzdem den 100%-Mindestunterhalt festsetzen, weil die Belege zu spät i.S.d. § 252 IV FamFG vorgelegt wurden?

  • Ich halte es für angebracht, den AG darauf hinzuweisen, dass die Nachweise erforderlich sind (dies wäre ja auch nur eine Wiederholung der bereits mit dem Antrag gegebenen Hinweise).
    Ob man ihm dafür nur die Restfrist lässt oder mehr Zeit einräumt, muss jeder selbst entscheiden.

    Wenn das im Abänderungsverfahren geregelt werden muss, hat auch keiner was davon.

  • Hat der Antragsteller sich schon zu den Einwendungen geäußert, gegebenenfalls mit welchem Inhalt?

    Der Antragsgegner kann grundsätzlich bis zum Erlass des Festsetzungsbeschlusses "nachbessern", § 252 Abs. 5 FamFG. Entsprechende Hinweise des Gerichts dürften entbehrlich sein, wenn der Antragsgegner zusammen mit der Zustellung des Festsetzungsantrags ausreichend belehrt worden ist.

    Ich verfahre in diesen Fällen so, dass ich zunächst eine Stellungnahme des Antragstellers zur Zulässigkeit der erhobenen Einwendungen einhole, diese anschließend dem Antragsgegner unter Fristsetzung übermittle und erst danach entscheide.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Das ist der Hintergrund für die Frage, ob ich den KV darauf hinweise. Aber die Frage ist doch, ob das dann gegenüber dem Antragsteller noch fair ist, oder? Der würde dann ja den Unterhaltstitel nur über 200 € bekommen.

    Gegenüber der Antragstellerseite sehe ich kein besonderes Fürsorgebedürfnis des Gerichts. Denn im Gegensatz zum Antragsgegner muß der Antragsteller lediglich Behauptungen aufstellen... Weißt du denn, ob der ASt. überhaupt einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem AGeg. hat?

    Hier ist eindeutig ein Hinweis zu erteilen und dem AGeg. Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Ober diese dann nutzt, ist seine Sache.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Mit dem Fürsorgebedürfnis in diesem Verfahren stehe ich echt auf Kriegsfuß. Bis zur Abschaffung des Formularszwangs für die Erhebung von Einwendungen war das knallhart: Hat der AG ein einziges Kreuzchen auf dem echt unübersichtlichen Formular vergessen, waren die Einwendungen unbeachtlich. Da konnte nicht "nachgebessert" werden.
    Sinn und Zweck des vereinfachten Verfahrens ist es ja gerade, schnell und einfach zu einem Titel zu kommen - das geht nur, wenn man nicht lang diskuttiert, sondern aufgrund der vorliegenden Fakten (=Antrag und Einwendungen) entscheidet.
    Und eine Entscheidung könnte ich zum jetzigen Zeitpunkt treffen, nämlich 100% Mindestunterhalt festsetzen ab 01.07.20, da Unterhaltsanspruch an sich unstreitig, nur die Höhe streitig ist und AG die erforderlichen Belege nicht vorgelegt hat, was seine Einwendungen bezüglich der Höhe des Unterhalts unzulässig macht. Damit ist das Verfahren beendet. Wenn Einwendungen nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form erfolgten, könnte dieser Fehler nicht einmal mehr im Beschwerdeverfahren korrigiert werden (Nach FamFG-Kommentar Bork/Jacoby/Schwab von 2018, zu § 252).
    Der Ast könnte nun Antrag auf Abänderung im richterlichen Verfahren einreichen, wenn er seine Rückstände noch tituliert haben will bzw. der AG könnte ebensolchen Antrag stellen wegen der Herabsetzung des Unterhalts.

    Den Antragsteller habe ich noch nicht informiert. Das würde ich ja auch nur in dem Fall tun, dass Eiwendungen zulässig erhoben wurden. Denn dann würde ja nur der Teilbeschuss über 200 € ergehen und ansonsten die Mitteilung an den Ast, dass zulässige Einwendungen erhoben wurden und Antrag auf streit. Vrfahren gestellt werden kann.
    Ich prüfe nur die Zulässigkeit der Einwendungen im vereinfachten Verfahren, nicht die Begründetheit. Das müsste das Streitgericht machen, wenn Ast. den Antrag stellt.

  • ... Den Antragsteller habe ich noch nicht informiert. Das würde ich ja auch nur in dem Fall tun, dass Eiwendungen zulässig erhoben wurden. ...

    Schon die Frage der Zulässigkeit kann umstritten sein. Deshalb gewähre ich insoweit stets zunächst rechtliches Gehör. Im Übrigen kommt es hier häufig vor, dass die Einwendungen zwar unzulässig sind, der Antragsteller aber gleichwohl daraufhin seinen Festsetzungsantrag zurücknimmt oder zumindest erst einmal das Ruhen des Verfahrens beantragt.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Das klingt plausibel. Ich könnte aber drauf wetten, dass nach Übersendung der Einwendungen mein JA bei mir anruft und nachfragt, was sie denn jetzt machen sollen.
    Würdest du im Fall hier, wo es um die Rechtmäßigkeit der Titulierung rückständigen Unterhalts geht, den rückständigen Unterhalt trotz der Einwendung des KV festsetzen, wenn das JA nach rechtlichem Gehör ordnungsgemäße Aufforderung und Mahnung nachweist?

  • Was ich auch noch sagen wollte, ist, dass wir uns ja in einem Verfahren befinden, in dem nur die Zulässigkeit geprüft wird, nicht auch die Begründetheit. Hätte ich die Belege über das Einkommen des KVs/AGs vorliegen, würde ich nicht prüfen, wieviel Unterhalt er sich tatsächlich "leisten" kann, sondern ich müsste sagen: Einwendungen sind zulässig erhoben, Verpflichtung zur Zahlung erklärt - also Beschluss über 200 € Unterhalt. Der Rest ist Sache des streitigen Verfahrens.

    Genauso verhält es sich bei den Rückständen von April bis Juni: Selbst wenn das JA mir die Aufforderung/Mahnung nachweist, dürfte ich die nicht festsetzen, da Einwände zulässig erhoben sind. Ob der Einwand gerechtfertigt ist oder nicht, prüfe ich nicht.

    Ich denke, ich werde den Festsetzungsbeschluss über 100% Unterhalt ab 1.7. machen; dem AG traue ich aufgrund seines Schreibens zu, dass er in Beschwerde geht. Vielleicht kommt eine OLG-Entscheidung dabei rum.

  • Was ich auch noch sagen wollte, ist, dass wir uns ja in einem Verfahren befinden, in dem nur die Zulässigkeit geprüft wird, nicht auch die Begründetheit. Hätte ich die Belege über das Einkommen des KVs/AGs vorliegen, würde ich nicht prüfen, wieviel Unterhalt er sich tatsächlich "leisten" kann, sondern ich müsste sagen: Einwendungen sind zulässig erhoben, Verpflichtung zur Zahlung erklärt - also Beschluss über 200 € Unterhalt. Der Rest ist Sache des streitigen Verfahrens.

    Genauso verhält es sich bei den Rückständen von April bis Juni: Selbst wenn das JA mir die Aufforderung/Mahnung nachweist, dürfte ich die nicht festsetzen, da Einwände zulässig erhoben sind. Ob der Einwand gerechtfertigt ist oder nicht, prüfe ich nicht.

    Ich denke, ich werde den Festsetzungsbeschluss über 100% Unterhalt ab 1.7. machen; dem AG traue ich aufgrund seines Schreibens zu, dass er in Beschwerde geht. Vielleicht kommt eine OLG-Entscheidung dabei rum.

    Richtig und hält. Ldf. Unterhalt ist unzulässig erhoben, fehl. Belege, wobei er weiß, dass er vorzulegen hat, aber nicht will! Sehe ich, dass aus Unvermögen, Übersehen etc. mal was fehlt, gebe ich Nachfrist. Rückstände sind tatsächlich nicht mehr ! auf Begründetheit zu prüfen, z.alten Recht, vgl. OLG Rostock, 10 WF 22/10. Zulässig ist der Einwand, da er sich zum Unterhalt verpflichtet hat.

    Der Gesetzgeber meint in der Begründung, dass es sich hierbei plötzlich um eine Einwendung nach § 252 Abs. 2 FamFG und nicht mehr Abs. 1 handeln würde. Ich finde dazu im Gesetzestext keinen Anhaltspunkt.:gruebel: Aber sei es drum. Fast alle anderen Punkte des Fehlens / Bestreitens der Vorauss. nach §§ 249, 250 FamFG sind nach wie vor auf Begründetheit! zu prüfen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!