Nacherbschaft - wieder einmal

  • Folgender Fall:
    Ursel und Anne sind befreite Vorerben. Nacherbfolge nach dem Tod einer Vorerbin ist angeordnet.
    Nacherbe ist die überlebende Vorerbin.
    Es ist Ersatznacherbfolge angeordnet, die eintritt, wenn die Vorerbinnen kinderlos versterben.
    Ersatznacherben sind C und D.
    Ursel ist 81 Jahre alt und Anne ist 79 Jahre alt. Beide kinderlos.
    Sie verkaufen jetzt an Dritte.
    Dürfte doch möglich sein als befreite Vorerben - oder?
    Es wird beantragt, eine AV für die Käufer mit Wirksamkeitsvermerk hinsichtlich des Nacherbenvermerks einzutragen.

  • Ursel und Anne sind also wechselseitig Nacherben, so dass für beide Erbteile jeweils eine (eigene) Nacherbfolge angeordnet ist?

    Oder sind in erster Linie die jeweiligen Abkömmlinge von Ursel und Anne zu Nacherben berufen (auch hier: jeweils eine Nacherbfolge für jeden Erbteil), sodass die wechselseitige Nacherben-Zuwendung nur greift, wenn der Erstversterbende keine Abkömmlinge hinterlässt, woraus dann folgt, dass die Ersatznacherbenregelung nur greift, wenn auch der Zweitversterbende ohne Abkömmlinge verstirbt oder wenn beide Vorerbinnenen gleichzeitig versterben?

  • Ich würde mir vorsichtshalber die Unterlagen für die Eintragung des Nacherbenvermerks ansehen.

    Wenn es eine Ersatznacherbfolge für den Fall des kinderlosen Versterbens gibt, weshalb sollte dann der jeweils andere Vorerbe als Nacherbe zum Zuge kommen, wenn der Erstversterbende Abkömmlinge hinterlässt?

    Das erscheint mir nicht plausibel und deshalb sollte zunächst geprüft werden, ob der Nacherbenvermerk die Rechtslage auch zutreffend wiedergibt.

    Die Frage, wer Nacherbe ist, ist im vorliegenden Fall dafür bedeutsam, wer im Hinblick auf die beantragte Eintragung des Wirksamkeitsvermerks anzuhören ist. Denn Erstversterbender kann jeder der beiden sein und wenn vorrangig die Abkömmlinge des Erstversterbenden als Nacherben berufen sind, dann sind wir bei der Fallgestaltung der unbekannten Nacherben i. S. des § 1913 BGB. Und beim Überlebenden der beiden (was wieder jeder von beiden sein kann), sind wir das wohl ohnehin.

    Mir schwebt folgende "Reihenfolge" der Nacherbschaftsanordnungen vor:

    Nach dem Erstversterbenden: Dessen Abkömmlinge, ersatzweise der Überlebende.
    Nach dem Überlebenden: Dessen Abkömmlinge, ersatzweise C und D (und des Weiteren ersatzweise evtl. deren jeweilige Abkömmlinge - steht wohl auch nicht im Nacherbenvermerk).

    So wäre es nach meiner Ansicht plausibel, weil alles andere nur schwerlich einen Sinn ergibt.

  • Du könntest ohne Weiteres eintragen, wenn kein Wirksamkeitsvermerk beantragt wäre. Da ein solcher aber beantragt ist, musst Du die Nacherben nach meiner Ansicht zur Frage der Entgeltlichkeit (§ 2113 Abs. 2 BGB!) anhören, auch wenn der Nacherbenvermerk erst Zug um Zug mit Eintragung der Auflassung gelöscht wird (früher ist die Löschung ja gar nicht möglich: OLG München Rpfleger 2020, 383).

  • Auch vor der Löschung des Nacherbenvermerks müsstest Du die Nacherben anhören, weil der Erblasser vom Verbot der unentgeltlichen Verfügung (§ 2113 BGB) nicht befreien kann. Wie ich bereits dargestellt hatte, ist diese Anhörungspflicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung völlig unstreitig.

    Dass Du bereits jetzt anhören musst, liegt am beantragten Wirksamkeitsvermerk. Wäre er nicht beantragt, könntest Du problemlos eintragen und Du müsstest erst bei der Löschung des Nacherbenvermerks anhören.

  • Natürlich macht er Sinn.

    Es geht doch nur darum, dass die Beteiligten vor einer Entscheidung anzuhören sind, und dazu muss man zunächst wissen, wer die Beteiligten (also hier: die Nacherben) sind.

    Die Anhörung erfolgt in der Weise, dass den Nacherben (bzw. einem für sie bestellten Pfleger) eine Kopie des Kaufvertrags mit dem Hinweis übermittelt wird, dass das Grundbuchamt aufgrund des vorliegenden Verkaufs an einen Dritten von einem wertentsprechenden Kaufpreis und daher einer voll entgeltlichen Veräußerung ausgeht, dass den Nacherben aber im Wege der Anhörung Gelegenheit gegeben wird, etwaige Einwendungen im Hinblick auf einen nicht wertentsprechenden zu niedrigen Kaufpreis bis zum ... vorzubringen.

    Im Übrigen: Manchmal sind als Dritte erscheinende Käufer gar nicht so unbeteiligt, wie man dies anhand der Aktenlage vermuten möchte. Wir sehen doch nur das Blatt Papier, auf dem geschrieben steht, wer der Käufer ist. Das kann sogar ein Neffe oder eine Nichte sein, ohne dass man anhand des Namens oder Geburtsnamens merken könnte, dass die Beteiligten miteinander verwandt sind.

    Also: Nie ohne Anhörung, mag die Sache auch völlig klar erscheinen, denn darauf kommt es nicht an.

  • Anzuhören sind die Nacherben.

    Aktuell ist aber noch gar nicht sicher bekannt, wer die Nacherben sind (vgl. mein Posting unter #4). Sind die Nacherben objektiv in persona unbekannt - was der Fall ist, wenn nach beiden Vorerben zunächst deren jeweilige Abkömmlinge als Nacherben berufen sind -, ist ein vom Betreuungsgericht zu bestellender Pfleger nach § 1913 BGB anzuhören. In diesem Fall kann es schon begrifflich keine Ersatznacherben geben, sondern es ist ungewiss, wer überhaupt zum Nacherben berufen ist (je nach Vorhandensein etwaige Abkömmlinge nach beiden Sterbefällen, der überlebende Vorerbe beim ersten Sterbefall oder eben C und D bzw. deren Abkömmlinge beim zweiten Sterbefall).

    Da beide Vorerbinnen gehandelt haben, ist es im Übrigen ohnehin gleichgültig, ob sie in ihrer Eigenschaft als Nacherben anzuhören sind, da sich aus ihrem vorliegenden Handeln bereits ergibt, dass sie dem Rechtsgeschäft zustimmen.

    Beim eingetragenen Nacherbenvermerk gibt es im Übrigen noch eine weitere Ungereimtheit. Dort ist vom "kinderlosen" Versterben der Vorerbinnen die Rede. Aber was ist kinderlos? Sind nur leibliche Abkömmlinge gemeint? Oder auch etwaige Adoptivkinder? Dies spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob noch Abkömmlinge zu "erwarten" sind.

    Ich hatte noch nach dem Inhalt der Eintragungsgrundlagen für den Nacherbenvermerk gefragt. Der Nacherbenvermerk ist jedenfalls in einer Weise formuliert, dass er die genannten rechtlichen Fragen offen lässt. Hier zeigt sich wieder einmal, dass man später erhebliche Schwierigkeiten bekommen kann, wenn man die Nacherbschaftsanordnungen nicht bis in ihre letzten Verästelungen aufdröselt. Ob das Nachlassgericht (im Erbscheinsverfahren) oder das Grundbuchamt (bei Berichtigung ohne Erbschein) diese gebotene Prüfung unterlässt, bleibt sich einerlei. Es ist jedenfalls kein Trost, dass die diesbezüglichen Schwierigkeiten mitunter durch unklare - leider auch notarielle - Testamente hervorgerufen werden, obwohl sie natürlich - wie nicht selten - auf einer falschen Rechtsanwendung seitens der Nachlassgerichte oder Grundbuchämter beruhen. Oft erkennt man nicht einmal, dass es sich einer Nacherbfolge, die beim Tod eines jeden Vorerben für dessen Erbteil eintreten soll, im Rechtssinne natürlich um zwei verschiedene Nacherbfolgen handelt, weil die Nacherben jeweils andere sind.

    Für die zwingende Anhörung der Nacherben im Übrigen auch (neben den bereits genannten obergerichtlichen Stimmen) OLG Düsseldorf FamRZ 2012 1762 = openJur 2012, 132181, und zwar auch dann, wenn aus Sicht des Grundbuchamts kein ernsthafter Zweifel an der vollen Entgeltlichkeit der Verfügung besteht. Das Gericht kann nicht seine Meinung an die Stelle derjenigen der Nacherben setzen und diese daher nicht anhören.

  • Also die Eintragung erfolgte aufgrund Erbschein im Jahre 1983.

    Der genaue Text lautet:
    Ursel und Anne sind befreite Vorerben.
    Es ist Nacherfolge angeordnet. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tode der Vorerbin ein. Nacherbe ist die überlebende Vorerbin.
    Es ist Ersatznacherbfolge angeordnet, die eintritt, wenn die Vorerbinnen kinderlos versterben. Ersatznacherben sind:
    Frau Eva Schulz , ersatzweise ihre Kinder z.Zt. Anton, Marie, Birgit, Bärbel, Gustav, Anne, Ursula und Heinrich,
    und Hendrik Baum, ersatzweise seine Kinder, z. Zt. Sibylle und Hubert.

    Alles merkwürdig. Die Ersatznacherbfolge ist m.E. aufschiebend bedingt, weil entweder Ursel oder Anne auf jeden Fall erst einmal Nacherbe ist.

    Wen müsste ich denn hiernach anhören? Wie sieht die Anhörung aus? Muss der Kaufvertrag mit ZU zugestellt werden unter Fristsetzung? Was ist, wenn sich einige Nacherben nicht melden?
    Ist die Form des § 29 GBO für die Erklärung der Nacherben erforderlich?

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