Kann der Vertreter handeln?

  • Der im Grundbuch eingetragene Eigentümer X ist verstorben.

    Jetzt soll das Grundbuch berichtigt und eine Auflassungsvormerkung eingetragen werden.

    Für die Erbengemeinschaft nach X ist ein Vertreter nach Art. 602 Abs. 3 ZGB bestellt.

    Aus dem vorgelegten Erbschein ergibt sich, dass der Miterbe Y zwischenzeitlich verstorben ist. (Zum Zeitpunkt der Bestellung des Vertreters hat Y noch gelebt.)

    Da ich Y nicht mehr im Grundbuch eintragen kann, muss hierfür mitgeteilt werde, wer Erbe nach Y ist, entsprechende Erbnachweise sind vorzulegen.

    Die Frage ist jetzt, ob der

    nach Art. 602 Abs. 3 ZGB bestellte

    Vertreter noch für den mittlerweile verstorbenen Miterben Y handeln und die Auflassungsvormerkung ohne das Mitwirken der Erben des Y eingetragen werden kann.

    Oder müssen die Erben des Y den Kaufvertrag noch genehmigen?

  • Hatte diesen Fall noch niemand?

    Wie wäres es denn, wenn man den nach Art. 602 Abs. 3 ZGB bestellten Vertreter wie einen Testamentsvollstrecker behandelt? Könnte dieser dann noch für den bereits verstorbenen Miterben Y handeln?

    Die Frage ist ob das überhaupt geht, denn den Vertreter hat ja nicht der Erblasser bestellt, sondern die Erben haben den Antrag auf Bestelllung eines Vertreters gestellt.

    Ich tendiere dazu, Genehmigungen der Erben des Y anzufordern.

  • Der Erbenvertreter nach Art. 602 des schweiz. ZGB ist vom Willensvollstrecker zu unterscheiden. Die Aufgaben des Erbenvertreters stimmen grundsätzlich mit denjenigen des Erbschaftsverwalters überein, wobei die Behörde, welche den Erbenvertreter bestellt hat, dessen Aufgaben noch näher umschreiben kann (Haas in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 7. Auflage 2020, § 9 Internationale Testamentsvollstreckung, RN 443). Und Aufgabe des Erbschaftsverwalters ist es, den Wert und die Gegenstände des Nachlasses zu erhalten und das „Interregnum” zu überbrücken (vergleichbar der deutschen Nachlasspflegschaft) (Zitat nach Haas, aaO). Und die Veräußerung von einzelnen Nachlassgegenständen (Zitat: „Jetzt soll das Grundbuch berichtigt und eine Auflassungsvormerkung eingetragen werden“) kommt bei einem nach deutschem Recht bestellten Nachlasspfleger nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn dies erforderlich ist, um Schaden vom unbekannten Erben abzuwenden (Heinemann im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.08.2020, § 1960 BGB, RN 96).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Wenn ich es richtig verstehe, kann der Vertreter nach Art. 602 ZGB die Erben grundsätzlich nicht beim Abschluss des Kaufvertrages vertreten.

    Laut der mir vorliegenden Vertreterbestellung können die Kompetenzen des Vertreters allgemein gelten, wenn ihm die gesamte Verwaltung der Erbschaft anvertraut wurde. "Dann kommt seine Position der eines Testamentsvollstreckers gleich oder der eines amtlichen Verwalters. Der Auftrag des amtlichen Vertreters besteht in der Teilung der Erbschaft."

    Der hier bestellte Vertreter hat laut der Vertreterbestellung Generalkompetenz.

    Also müsste in meinem Fall der Vertreter die Erben beim Abschluss des Kaufvertrages doch grundsätzlich vertreten können.

    Die Frage ist jetzt: Kann er auch noch für den bereits verstorbenen Miterben handeln?

  • ..Der hier bestellte Vertreter hat laut der Vertreterbestellung Generalkompetenz....

    Nach den Ausführungen hier
    https://www.kendris.com/sites/default/…zgb_kuenzle.pdf
    unter III. 3, 5 und 6 gehört zu den Aufgaben des Generalerbenvertreters die umfassende Verwaltung des Nachlasses Er hat vergleichbar umfassende, selbständige und exklusive Kompetenzen wie der Willensvollstrecker (Zitat: BGer vom 24.11.2014, 5A_813/2014 E. 3 und vom 30 20 26.7.2013, 5A_416/2013 E. 3.1: ohne Zustimmung oder Genehmigung der Erben; Art. 517 f.; BSK ZGB II-SCHAUFELBERGER/KELLER LÜSCHER, Art. 602 N 47). Dazu könne auch die Veräusserung von Liegenschaften gehören, um die notwendigen Mittel zur Bezahlung der Schulden oder die Ausrichtung von Vermächtnissen zu beschaffen (Zitat: vgl. BGE 101 II 47 E. 2c [Willensvollstrecker]; PICENONI, 60 ff.). Ebenso hier: https://blog.froriep.com/de/welche-komp…-erbenvertreter

    Allerdings führt das Schweizerische Bundesgericht im Urteil vom 26. Juli 2013, 5A_416/2013 + 5A_424/2013
    https://www.bger.ch/ext/eurospider…ument&zoom=YES&
    unter 3.1 und 3.2 aus (Hervorhebung durch mich):

    „3.1 Nach Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen. Die Vertretung kann für bestimmte einzelne Handlungen bestellt werden, über die sich die Erben nicht zu einigen vermögen. Die Behörde kann dem Vertreter aber auch einen generellen Auftrag geben und ihm die ganze Verwaltung der Erbschaft anvertrauen, in welchem Fall sich seine Rechtsstellung derjenigen des amtlichen Erbschaftsverwalters angleicht. Der Erbenvertreter ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann (E. 1 des die Parteien betreffenden Urteils 5P.83/2003 vom 8. Juli 2003). Er schliesst im ihm übertragenen Tätigkeitsbereich eigenes Handeln der Erben für den Nachlass aus, können doch die Erben nur "unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam verfügen" (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Prozesse führt er in eigenem Namen anstelle der materiell Berechtigten als Partei. Nach heutiger Begrifflichkeit handelt es sich dabei im technischen Sinne nicht um die Zuerkennung der Aktiv- und Passivlegitimation (so noch BGE 53 II 202 E. 4 S. 208), sondern um einen Fall von Prozessstandschaft (Urteil 5C.172/1997 vom 18. November 1997 E. 2).
    3.2. Nicht zu seinen Aufgaben gehören die Liquidation und die Erbteilung (E. 1 des die Parteien betreffenden Urteils 5P.83/2003 vom 8. Juli 2003). Der Erbenvertreter hat weder Erbschaftssachen zu liquidieren noch die Erbteilung durchzuführen oder die Auflösung der Erbengemeinschaft zu beschleunigen (Urteil 5D_133/2010 vom 12. Januar 2011 E. 5.2.2 mit Hinweis auf BGE 113 II 121 E. 3c S. 128). In der Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Miterben genügt es, wenn daran alle Miterben auf der Aktivseite oder auf der Passivseite beteiligt sind. Die Bestellung eines Erbenvertreters ist nicht erforderlich (BGE 54 II 243; 109 II 400 E. 2 S. 403; Urteil 5C.172/1997 vom 18. November 1997 E. 2).
    3.3. Der Erbenvertreter kann die Auflösung der Erbengemeinschaften X.________ und Y.________ somit weder bewirken noch verhindern und ist bezüglich der Erbteilungsklage nicht legitimiert.“

    Und wenn der Erbenvertreter keine Erbschaftssachen zu liquidieren hat, dann kann er mE auch keine Nachlassgegenstände an einen Dritten veräußern.

    Zu den Folgen des Todes eines Miterben siehe die Ausführungen des Schweizerische Bundesgerichts unter 4.1 ff.

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  • Hallo zusammen,

    kann ein schweizer Willensvollstrecker auch nur vollentgeltliche Verfügungen über den Grundbesitz vornehmen wie der dt. TV?
    Sofern ja, kann der Willensvollstrecker zusammen mit den Erben verfügen ohne das es auf die Entgeltlichkeit ankommt, wie im deutschen Recht?

    Ich habe einen Erbschein von einem dt. Notariat in Anwendung des schweizerischen Erbrechts, welcher den Zusatz trägt: Testamentsvollstreckung/Willensvollstreckung nach schweizerischem Erbrecht ist angeordnet.

    Ich würde in Abt. II eintragen: "Willensvollstreckung nach schweizerischem Erbrecht ist angeordnet" und nicht das Wort Testamentsvollstreckung verwenden. Seht ihr das auch so?

    Vielen Dank für eure Antworten. :)

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

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