Nicht belegte Ausgaben §55 InsO

  • Hin und wieder kommt es vor, dass einzelne Belege oder gar ganze Ordner mit Belegen verschollen sind oder versehentlich vernichtet wurden. Bislang konnten wir solche Fälle über die Buchhaltung ganz gut hinsichtlich Plausibilität und Massezugehörigkeit überprüfen. Was aber, wenn fast die gesamten Belege nicht mehr beschafft werden können und gleichzeitig in der Buchhaltung durchgängig alle Sammelüberweisungen nur mit ihrem Endbetrag gebucht wurden?

    Ich hatte bereits Verfahren, bei denen nicht belegte Ausgaben von der Vergütung abgesetzt wurden. Das wäre hier aufgrund der Dimension nicht möglich.

  • Ich verstehe dich so, dass das Gericht dich mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt hat. Du musst alles was dir auffällt ins Gutachten schreiben.

    Das Gericht muss dann anhand deines Gutachtens entscheiden wie es weiter vorgeht.

    Abzug von der Vergütung?
    Ausführlicher Prüfungsvermerk?
    Sonderinsolvezverwalter?
    Entlassung nach § 59 InsO und Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters?
    Akte den Richtern vorlegen, damit die das bei neuen Bestellungen wissen?
    Maßnahmen in anderen Verfahren (z.B. Zwischenrechnungslegung anordnen) ergreifen?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Was steht denn dann in der Buchhaltung als Buchungstext? „Sammelüberweisung“?

    Kurz und ergreifend "Div. Kred."

    Die Beträge schwanken zwischen wenigen tausend und annähernd 200 TEUR je Überweisung. Lohn-Sammelüberweisungen sind als solche gekennzeichnet und scheiden aus.

  • Wenn Löhne gezahlt werden, müsste man doch auch die darauf entfallenden Lohnnebenkosten ermitteln können.

    Eventuell gibt es andere regelmäßige Zahlungen (Miete und Leasing).

    Wie redet sich den der Verwalter heraus? Es müsste doch in seinem Interesse sein, durch eigene Mitarbeit ein bisschen was beizutragen. Beim Finanzamt bekommt man auf Anforderung einen Kontoauszug bis mehrere Jahre zurück.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wenn Löhne gezahlt werden, müsste man doch auch die darauf entfallenden Lohnnebenkosten ermitteln können.

    Eventuell gibt es andere regelmäßige Zahlungen (Miete und Leasing).

    Die gesamten Ausgaben im eröffneten Verfahren belaufen sich auf mehrere Mio. EUR. Aktuell untersuche ich lediglich die vollkommen anonymen Ausgaben die als "Div. Kred." verbucht wurden. Diese alleine sind bereits siebenstellig.

    Wie redet sich den der Verwalter heraus? Es müsste doch in seinem Interesse sein, durch eigene Mitarbeit ein bisschen was beizutragen. Beim Finanzamt bekommt man auf Anforderung einen Kontoauszug bis mehrere Jahre zurück.

    Das sehe ich ganz genauso wie Du. Zur Klärung hatte ich daher den Verwalter vor knapp 2 Wochen über das Problem und die Ernsthaftigkeit informiert und um Rücksprache gebeten. Aufgrund "dringender Beratungssachen" konnten wir uns allerdings noch nicht darüber unterhalten.

  • Aber die Belege die Einnahmen betreffend sind vorhanden, nur so und natürlich auch zur Bestimmung der Berechnungsmasse..., oder? :gruebel:

    Bis auf die Belege eines nur wenig verwendeten Kontos sind sämtliche anderen Belegordner vernichtet worden. Die Berechnungsmasse wird aus der InsO-Buchhaltung abgeleitet.

    spart Einlagerungskosten..... :flucht:

    Und ich dachte immer, dass es bei Schuldnern verdächtig häufig unter dem Dachstuhl brennt oder aber der Keller absäuft.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Aber die Belege die Einnahmen betreffend sind vorhanden, nur so und natürlich auch zur Bestimmung der Berechnungsmasse..., oder? :gruebel:

    Bis auf die Belege eines nur wenig verwendeten Kontos sind sämtliche anderen Belegordner vernichtet worden. Die Berechnungsmasse wird aus der InsO-Buchhaltung abgeleitet.

    Von den meisten Belegen wird sich bei den Banken Zweitschriften fertigen lassen können.
    Wenn er stur bleibt, wird das Gericht wohl versuchen müssen ihn mit Zwangsgeld zu brechen.
    Dein Sachverhalt ist so auffällig, dass ich an deiner Stelle sofort das Gericht informieren würde. Vielleicht müssen die ja auch in anderen Verfahren aktiv werden und haben es noch nicht gemerkt.

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    Zitat Josef Dörndorfer

  • Wenn eine Inso-Buchhaltung vorhanden ist, müsste diese doch die Ausgaben enthalten :gruebel:.

    Mir erscheint das Ganze jetzt auch sehr merkwürdig. Dass bei großen und/ oder langwierigen Verfahren mal etwas fehlt, kann passieren. Sollte nicht, aber kann vorkommen. Dann sollte aber wenigstens der Versuch gemacht werden, die fehlenden Belege durch andere Unterlagen bzw. glaubhafte Angaben zu belegen.

    Man könnte hier mit ein bisschen guten Willen noch einige Verrenkungen machen. Zum Beispiel anhand der Kalkulation hochrechnen, welcher Gewinn sich aus Umsatz/Materialquote/sonstige Kosten ergibt. Aber eigentlich sehe ich ein derartiges Entgegenkommen bei der Haltung des Verwalters als nicht berechtigt an.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Den zuständigen Rechtspfleger hatte ich bereits informiert. Er bespricht sich mit seinen KollegInnen um zu erfahren, ob es in anderen Verfahren Hinweise auf Belegverluste gibt.

    Nach 15 Jahren wird es mit Zweitschriften schwer. Zwangsgelder wären angebracht, falls keine Stellungnahme kommt. Davon gehe ich jetzt aber mal nicht aus. Aber weg ist weg ... und wenn ich nicht weiß, für was ich Geld ausgegeben habe, weil ich nur noch "Div. Kred." sehe, kann selbst der gutwilligste Verwalter keinen Zweitbeleg beschaffen.

    Es könnte ja auch sein, dass jemand mit Kontozugang Gelder abgezweigt und über die Sammelüberweisungen verschleiert hat. Das müssen nicht einmal der Verwalter oder die regelmäßig mit dem Geldverkehr beauftragen Mitarbeiter gewesen sein.

    Ich prüfe stets so, als wäre ich Gläubiger und mit der Situation habe ich ein echtes Problem.

  • Wenn eine Inso-Buchhaltung vorhanden ist, müsste diese doch die Ausgaben enthalten :gruebel:.

    Das wäre wünschenswert gewesen, ist aber nicht der Fall.

    Mir erscheint das Ganze jetzt auch sehr merkwürdig. Dass bei großen und/ oder langwierigen Verfahren mal etwas fehlt, kann passieren. Sollte nicht, aber kann vorkommen. Dann sollte aber wenigstens der Versuch gemacht werden, die fehlenden Belege durch andere Unterlagen bzw. glaubhafte Angaben zu belegen.

    Man könnte hier mit ein bisschen guten Willen noch einige Verrenkungen machen. Zum Beispiel anhand der Kalkulation hochrechnen, welcher Gewinn sich aus Umsatz/Materialquote/sonstige Kosten ergibt. Aber eigentlich sehe ich ein derartiges Entgegenkommen bei der Haltung des Verwalters als nicht berechtigt an.

    Wir haben insgesamt Ausgaben von mehreren Mio. EUR, alleine die schlimmsten Nebelwolken sind schon >1 Mio. EUR.

  • Ist der Verwalter seinen Verpflichtungen nach §155 InsO nachgekommen? Ich weiß, dass ersetzt die Belege nicht, aber man kann dann wenigstens auf die sonstige Sorgfalt schließen.


    Die handelsrechtliche Buchhaltung wurde nach bisheriger Erkenntnis extern erledigt. Ich bin gerade dabei herauszufinden, ob sich evtl. dort Informationen zur Zusammensetzung der Sammelüberweisungen recherchieren lassen.

    Richtig, das ersetzt die Belege nicht, aber wenn sich die Ausgaben hierdurch plausibilisieren und dem Verfahren zuordnen ließen, wäre das ein gutes Ergebnis - trotz des dazu erforderlichen Aufwandes.

  • Dürfte ich eine Zwischenfrage stellen, die mich interessiert? Auf welcher Grundlage würden denn nicht belegte Ausgaben von der Vergütung abgesetzt?

    Eigentlich nicht. Lediglich delegierte Aufgaben, die Regelaufgaben des Verwalters sind, können von der Vergütung abgesetzt werden, BGH vom 19.04.2012, IX ZB 23/11. Da müsste der IV anhand der Buchungslisten erläutern, welche Übertragung gerechtfertigt war.

    Ansonsten kann von der Vergütung nichts abgesetzt werden, wobei schon die Bestimmung der Berechnungsmasse ohne Belege nicht nachprüfbar ist. Ergeben sich mögliche Schadenersatzansprüche sind diese gerichtlich geltend zu machen über einen Sonderinsolvenzverwalter, sofern es sich um einen Gesamtschaden handelt, also die Kette § 60 InsO -> § 92 InsO.

    Oder aber die Gläubigerversammlung verzichtet auf den Sonderinsolvenzverwalter....

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)


  • Nach 15 Jahren wird es mit Zweitschriften schwer. Zwangsgelder wären angebracht, falls keine Stellungnahme kommt. Davon gehe ich jetzt aber mal nicht aus. Aber weg ist weg ... und wenn ich nicht weiß, für was ich Geld ausgegeben habe, weil ich nur noch "Div. Kred." sehe, kann selbst der gutwilligste Verwalter keinen Zweitbeleg beschaffen.

    Puh, man sollte doch ab einem gewissen Zeitraum besser Zwischenrechnungslegungen verlangen bzw. als IV anregen, damit so etwas nicht so leicht passieren kann. Wir waren da auch immer etwas nachlässig. Zum Glück hatten wir so einen Fall noch nicht.

  • Dürfte ich eine Zwischenfrage stellen, die mich interessiert? Auf welcher Grundlage würden denn nicht belegte Ausgaben von der Vergütung abgesetzt?

    Eigentlich nicht. Lediglich delegierte Aufgaben, die Regelaufgaben des Verwalters sind, können von der Vergütung abgesetzt werden, BGH vom 19.04.2012, IX ZB 23/11. Da müsste der IV anhand der Buchungslisten erläutern, welche Übertragung gerechtfertigt war.

    Ansonsten kann von der Vergütung nichts abgesetzt werden, wobei schon die Bestimmung der Berechnungsmasse ohne Belege nicht nachprüfbar ist. Ergeben sich mögliche Schadenersatzansprüche sind diese gerichtlich geltend zu machen über einen Sonderinsolvenzverwalter, sofern es sich um einen Gesamtschaden handelt, also die Kette § 60 InsO -> § 92 InsO.

    Oder aber die Gläubigerversammlung verzichtet auf den Sonderinsolvenzverwalter....

    Das wäre die verkürzte Fassung der Haftung nach § 60 InsO und sie funktioniert ohne Einschaltung eines SIV etc. solange der IV mitzieht, weil er selbst einsieht, dass er hier Mist gebaut hat. Also im Kern unter zwei Bedingungen:
    -) Der IV kann es verkraften
    -) Er legt Wert auf ein ungestörtes Verhältnis zum InsG

    In der Sache ist klar: Jede nicht hinreichend nachvollziehbare Abverfügung aus der Masse führt zu einem Ersatzanspruch gegen den IV in gleicher Höhe. Und dann kann man den Aufwand noch durch SIV und gerichtliche Durchsetzung erhöhen, wenn man will oder es erforderlich ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Dürfte ich eine Zwischenfrage stellen, die mich interessiert? Auf welcher Grundlage würden denn nicht belegte Ausgaben von der Vergütung abgesetzt?

    Eigentlich nicht. Lediglich delegierte Aufgaben, die Regelaufgaben des Verwalters sind, können von der Vergütung abgesetzt werden, BGH vom 19.04.2012, IX ZB 23/11. Da müsste der IV anhand der Buchungslisten erläutern, welche Übertragung gerechtfertigt war.

    Ansonsten kann von der Vergütung nichts abgesetzt werden, wobei schon die Bestimmung der Berechnungsmasse ohne Belege nicht nachprüfbar ist. Ergeben sich mögliche Schadenersatzansprüche sind diese gerichtlich geltend zu machen über einen Sonderinsolvenzverwalter, sofern es sich um einen Gesamtschaden handelt, also die Kette § 60 InsO -> § 92 InsO.

    Oder aber die Gläubigerversammlung verzichtet auf den Sonderinsolvenzverwalter....

    Eigentlich hat der BGH das doch sogar erweitert auf Beträge, die der Verwalter unberechtigt für die Bezahlung externer Fachleute aus der Masse entnommen hat (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 28/14 -, Rz. 13). Das müssen ja nicht unbedingt nur Entlastungen von Regelaufgaben sein.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

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