• Hallo zusammen,

    ich bin noch neu im Betreuungsrecht und brauche daher eure Hilfe.

    Meine Betroffene hat ca. 300.000,00 EUR Vermögen. Sie ist hochgradig dement und lebt in einem Heim. Betreuerin ist eine Berufsbetreuerin.

    Die Tochter der Betroffenen ist wohl im Moment in finanziellen Schwierigkeiten, weshalb die Betreuerin nun "eine Schenkung in Höhe von 5.000,00 EUR an die Tochter" beantragt hat.

    Angeblich hat die Betroffene klar zum Ausdruck gebracht, dass Sie die Tochter unterstützen will. Im Anhang habe ich ein von der Betroffenen unterschriebens, aber (vermutlich von der Betreuerin) vorbereitetes Schreiben, aus dem hervor geht, dass die Betroffene durch Nicken bestätigt hat, dass sie diese Schenkung möchte.

    Ist das eine Anstandsschenkung? Im Hinblick auf das hohe Vermögen ist es ein relativ "geringer" BEtrag und könnte eine Anstandsschenkung sein. Genehmigen kann ich es ja aber nicht, ist ja kein Genehmigungstagsbestand.

    Was meint ihr?

  • Musst du überhaupt genehmigen?


    • Schenkungen durch die Betreuerin sind laut BGB verboten, können also auch nicht durch eine Genehmigung zulässig gemacht werden.


    • Wenn die Betreuerin für die Betroffene als Botin handelt, muss die Betroffene entsprechend geschäftsfähig sein und dann bedarf es keiner Genehmigung.


    • Wenn die Betreuerin eine Anstandsschenkung vornimmt, ist auch diese nicht genehmigungspflichtig (oder?) und unterliegt damit der Haftung der Betreuerin, nicht deiner Einschätzung. Ggfs. muss sie sich dann dazu rechtlich beraten lassen, ob das angemessen wäre oder nicht.
  • Finanzielle Probleme der Tochter aus dem Weg zu räumen ist keine Anstandssache- also keine Anstandsschenkung (eigene Meinung).

    Der Betreuer darf nicht schenken.

    Also: Entweder kann die Betreute selbst schenken- dann mal los und ich bin raus.

    Oder: Sorry, das geht nicht.

    (prüfe bei so etwas immer das Gutachten- sollten darin dargelegte Befunde Zweifel aufkommen lassen an der Möglichkeit der Betreuten selbst zu schenken, teile ich das der Betreuerin auch mit und wirke darauf hin, dass nichts verschenkt wird.) Ein Nicken oder eine Unterschrift bekommst du von fast jedem Betreuten- ob dieser wirklich versteht, was er da gerade macht ist immer so gut es geht nachzuprüfen, ggf. auch durch eigene Anhörung im Heim.)


    Die Rechtsprechung ist wie auch die genannte (in dieser Insolvenzgefahr für das Kind und dessen Familie, Gleichbehandlung von Kindern und insbesondere: Verzicht auf Pflichtteile durch den später Beschenkten in etwa in Höhe der späteren Schenkung! ) oftmals einzigartig daher und auf andere Fälle nicht übertragbar. (zumal ich dieser selbst bei gleichem Sachverhalt nicht folgen würde, es sei denn es wäre ein vollkommen identischer Fall und das Urteil stammte von meinem Landgericht- was niemals der Fall sein dürfte. Grundsatz ist und bleibt: Schenkungen gehen nicht) Ich hätte nicht damit schlafen können, so was zu genehmigen: nicht geschäftsfähige Betreute und Schenkung, ich hätte es abgelehnt und ggf. das LG entscheiden lassen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Insulaner (23. November 2020 um 13:44) aus folgendem Grund: # 3

  • Bei einem Vermögen von 300.000 Euro ist eine Schenkung von 5.000 Euro an die Tochter durchaus als Anstandsschenkung oder Ausstattung zu werten. Man stelle sich diese Konstellation nur mal zwischen Tochter und nichtdementer Mutter vor und "was die Leute denken", wenn die Mutter nicht mal 1,6 Prozent ihres Vermögens hergibt, um der Tochter aus der Patsche zu helfen (-> #Anstandsschenkung).

  • Dazu gibt der Sachverhalt nichts her- eine Ausstattung verlangt ein entsprechendes Ereignis, ebenso eine Anstandsschenkung- nur die Info "ist wohl im Moment in finanziellen Schwierigkeiten" reicht da überhaupt nicht. ( wie ist das Verhältnis Tochter/Mutter? gab es bereits Schenkungen? wie entstanden die finanziellen Probleme? Wie hat die Tochter sich bisher zur Mutter verhalten?-Warum übt sie selbst die Betreuung nicht aus? Ggf gibt die Akte auch dazu Auskunft. Wie alt sind Mutter und Tochter- auch da ist es ein Unterschied, ob die Tochter gerade mit der Ausbildung/Studium fertig ist und es eine Ausstattung sein könnte oder ob die Tochter selbst schon in einem Alter ist, in dem man eine Schenkung von Muttern kaum noch erwarten darf)


    "Man stelle sich diese Konstellation nur mal zwischen Tochter und nichtdementer Mutter vor und "was die Leute denken", wenn die Mutter nicht mal 1,6 Prozent ihres Vermögens hergibt, um der Tochter aus der Patsche zu helfen (-> #Anstandsschenkung)." - halte ich für inzwischen veraltet. Das ist noch aus der Zeit, in der auch verschuldete Erbschaften angenommen wurden und nicht ausgeschlagen, damit der Verstorbene und die Familie weiterhin einen guten Ruf haben- das kommt kaum noch vor. Und auch auf dem Dorf wird nicht erwartet, dass Mutter was springen lässt, wenn Töchterchen Mist gebaut hat, nur weil Mutter "genug" hat. Selbst da müssen die weiteren Umstände stimmen. Davon ab, dass auch in einem Dorf kaum jemand weiß wieviel die besagte Mutter auf dem Konto hat und daher das 1,6 % Argument total weltfremd ist.

  • Ich finde nicht, dass es veraltet ist, sich innerhalb der (engen) Familie gegenseitig finaziell aus der Patsche zu helfen. Kenne das auch so (Großstadt, Elterngeneration 50/60er, "Kinder" 80er). Von daher könnte ich mich hier auch mit dem Begriff Anstandsschenkung anfreunden. Aber ich stimme Insulaner zu, dass das ein relativ enges Verhältnis von Mutter und Tochter voraussetzt.

  • Ich wollte damit auch nicht sagen, dass es veraltet oder ungewöhnlich ist sich finanziell zu helfen.(würde das selbst auch in meiner Familie tun)

    Nur, dass man es tut aus dem Grund: Zu verhindern- "was die Leute sonst denken"-dieses Motiv halte ich für veraltet und kaum noch ausschlaggebend. Und dass man sich innerhalb von Familien eben nicht immer hilft, es also nicht dem allgemeinen Moralkodex entspricht dies zwingend zu tun, das sehe ich täglich in meinen Sachgebieten (Vollstreckung, Nachlass, Betreuung, Zivil). Daher hätte ich für so eine Schenkung gern sehr viel mehr "Futter". Natürlich darf das jeder anders sehen. Aber bisher haben wir nur: Tochter möchte gern 5000,00 € (Gründe nicht genau dargelegt- "wohl im Moment in finanziellen Schwierigkeiten" kann alles heißen von: möchte sich gern `nen Lamborghini kaufen und es fehlt das Geld für die 4. Felge bis hin zu: verliert sonst ihr Heim, hat durch Kurzarbeit nicht mehr die Möglichkeit das Haus zu halten ) und weil Mutter Geld hat soll sie es ihr schenken- das reicht mir persönlich nun mal nicht.

  • Über das Schenkungsverbot gibt es bereits viele Threads, in welchen die divergierenden Auffassungen erschöpfend dargestellt wurden.

    Der Gesetzgeber hat angeordnet, dass es vom Schenkungsverbot - wenn auch begrenzte - Ausnahmen gibt. Also kann man durch eine restriktive Handhabung nicht so tun, als wenn es diese Ausnahmen nicht gäbe. Und zu sagen, das ist mir zu heiß, ich lehne ab, soll es das Landgericht entscheiden, ist nach meiner Ansicht für einen sachlich unabhängigen Rechtsanwender eine zumindest zweifelhafte Sicht der Dinge.

    Im vorliegenden Fall hat die Betroffene ein Vermögen von 300.000 € und es werden 5.000 € benötigt, um der Tochter aus einer finanziellen Patsche zu helfen. Das würde jeder Elternteil tun, es sei denn, das Kind wäre ein notorischer Schuldenmacher, und selbst dann tun es viele Eltern (auch wiederholte Male), weil Blut eben dicker ist als Wasser.

    Der entscheidende Satz aus der Entscheidung des LG Kassel ist folgender:

    Es entspricht den durchschnittlichen Moralvorstellungen, dass in einer intakten Familie Eltern ihren Kindern finanziell beistehen, wenn diese unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten sind und die Eltern diese finanzielle Notlage ohne drohende Gefährdung des eigenen Lebensstandards beheben können.

    Dem stimme ich zu.

    Abzulehnen ist allerdings die Ansicht des LG Kassel, dass der Betreuer im Zweifel eine betreuungsgerichtliche Entscheidung verlangen könne. Dies kann er nur, wenn die Schenkung als solche (etwa bei Grundstücksgeschäften) oder deren Vollzug (etwa nach § 1812 BGB für die Abhebung des Geldes) eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erfordert.

    Wenn die besagte Tochter das einzige Kind der (verwitweten oder nicht verheiratet gewesenen) Betroffenen ist, löst sich das Ganze beim Erbfall vermutlich ohnehin in Wohlgefallen auf (obwohl dies natürlich kein rechtliches Kriterium für die Zuläsigkeit einer Schenkung ist).

    Ich wünschte mir, alle "Schenkungsfälle" wären so relativ einfach gelagert wie der vorliegende Fall.

  • Ich habe "was die Leute denken" bewusst in Parenthese gesetzt, weil es im weitesten Sinne der Moralvorstellung entspricht, die der Anstandsschenkung zugrunde liegt - nicht juristisch korrekt, sondern auf das Wesentliche reduziert.
    Im übrigen gibt der Vortrag des Sachverhaltes noch etwas Wesentliches her:

    Zitat

    Angeblich hat die Betroffene klar zum Ausdruck gebracht, dass Sie die Tochter unterstützen will. Im Anhang habe ich ein von der Betroffenen unterschriebens, aber (vermutlich von der Betreuerin) vorbereitetes Schreiben, aus dem hervor geht, dass die Betroffene durch Nicken bestätigt hat, dass sie diese Schenkung möchte.


    Ansonsten sehe ich das wie Cromwell.

  • Falls es hier falsch angekommen ist: Ich bin nicht generell gegen eine Schenkung.

    Mir fehlt nur zuviel:

    Es entspricht den durchschnittlichen Moralvorstellungen, dass in einer intakten Familie Eltern ihren Kindern finanziell beistehen, wenn diese unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten sind und die Eltern diese finanzielle Notlage ohne drohende Gefährdung des eigenen Lebensstandards beheben können.

    da hätte ich gern: intakt? unverschuldet? Form der Notlage- und- wie schon angesprochen: ist es wirklich eine Notlage?Bedarf sie wirklich der Hilfe oder ist es nur bequem oder gar ein- die hat genug, die könnte auch mal was springen lassen, wir könnten ein neues ... gebrauchen. (Sorry- ich mache schon länger Betreuung und genau so etwas kommt sehr oft vor)

    Angeblich hat die Betroffene klar zum Ausdruck gebracht, dass Sie die Tochter unterstützen will. Im Anhang habe ich ein von der Betroffenen unterschriebens, aber (vermutlich von der Betreuerin) vorbereitetes Schreiben, aus dem hervor geht, dass die Betroffene durch Nicken bestätigt hat, dass sie diese Schenkung möchte.

    Dies ist für mich allein sonderbar: Angeblich klar zum Ausdruck gebracht- wie, wann, wo? Und dazu: warum sollte eine Betroffene ein Schriftstück unterschreiben, in dem sie angibt, etwas durch nicken bestätigt zu haben? Wenn diese unterschreiben könnte, dann könnte sie auch einfach einen entsprechenden Schenkungsauftrag unterschreiben und keine Bestätigung von: Ich habe genickt.

    Wie geschrieben: da würde ich erst einmal das Gutachten ansehen.

    Ich würde es nicht ablehnen, weil es mir zu heiß wäre, ich würde es ablehnen, weil ich hier nicht die notwendigen Voraussetzungen sehe- noch nicht.

    Daher halte ich den vorliegenden Fall anders als Cromwell für gar nicht einfach- denn dazu fehlt mir zuviel, insbesondere das sichere Vorliegen einer Notlage.

  • Dass die für eine Anstandsschenkung erforderlichen Voraussetzungen zu prüfen sind, steht natürlich außer Frage. Der Umstand, dass ich das LG Kassel zitierte, bedeutet natürlich nicht, dass das, was das LG Kassel nach erfolgter diesbezüglicher Prüfung im dortigen Einzelfall bejaht hat, bei anderen Fällen einfach unterstellt werden kann.

    Gleichwohl sind solche relativ geringfügigen Geldschenkungen nicht das Hauptproblem beim Schenkungsverbot. Ans Eingemachte geht es insbesondere dann, wenn die Schenkung von Grundbesitz in Frage steht.

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