Gewaltschutz und polizeiliche Unterlagen

  • Mich würden Meinungen bzw. Erfahrungen zu diesem Thema interessieren:

    Bei uns ist es - wie wahrscheinlich überall - regelmäßig so, dass die Antragsteller von der Polizei zum Gericht geschickt werden, um nach einer Anzeige wg. Bedrohung, Beleidigung,... eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Unterlagen (Protokoll der Zeugenvernehmung) werden dabei in fast allen Fällen nicht mitgegeben. Die Antragsteller schlucken dann immer erstmal, wenn man ihnen erzählt, wie das Prozedere bei Gericht abläuft und sie jetzt alles nochmal haarklein darlegen müssen, um einen begründeten Antrag zu erhalten. Das Zeugenvernehmungsprotokoll würde in diesen Situationen helfen, weil man zur vertieften Sachverhaltsdarstellung darauf verweisen könnte. Das würde Zeit sparen und - vor allem - die Antragsteller müssten nicht noch einmal im Detail mit den verstörenden Erlebnissen konfrontiert werden.

    Mehrfache Nachfragen bei der Polizei ergaben, dass den Anzeigeerstattern eine Kopie des Protokolls der Zeugenvernehmung oder andere Unterlagen überhaupt nicht mitgegeben werden dürfen. Eine Rechtsgrundlage dafür konnte mir niemand nennen. Mir leuchtet auch nicht ein, weshalb das nicht gestattet sein sollte. Auf Gericht erhält ja auch jeder eine Kopie des Protokolls, wenn er eine Erklärung abgegeben hat. Datenschutzrechtliche oder personenschutzrechtliche Gründe wollen mir nicht einfallen.

    Vorhin wurde mir von einer Dame bei der Polizei erzählt, dass man diese Unterlagen nur herausgibt, wenn sie von Gericht angefordert werden. Meinen Anruf hat sie als eine solche Anforderung gesehen und die Unterlagen dann hergefaxt. Das kann doch aber nicht die Lösung sein...

    Wie läuft das anderswo?

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Für die Ermittlungsbehörden ist der Geschädigte in erster Linie immer nur Zeuge. Der soll sagen was er weiß. Und wenn es später ein Strafverfahren gibt, in der Hauptverhandlung nochmal sagen, woran er sich erinnert. Und nicht, was er in seiner eigenen Zeugenaussage nachgelesen hat. Deshalb wird auch das Akteneinsichtsrecht für Nebenkläger/Geschädigte zunehmend restriktiv gehandhabt. Eigene Interessen des Geschädigten spielen schlicht keine Rolle.

    (Im Gegensatz dazu ist der Polizeibeamte nachgerade verpflichtet, sich mit Hilfe seiner Aufzeichnungen auf seine Aussage in der Hauptverhandlung vorzubereiten. Der könnte sich ja sonst nicht erinnern.:gruebel:)

  • Ich kann das leider nur bestätigen. Auch bei uns werden die Protokolle den Beteiligten nicht ausgehändigt.
    Die Unterlagen können aber von uns telefonisch angefordert werden. Teilweise bekomme ich die Unterlagen auch vorab von der Polizei mit dem Hinweis, dass eine Antragstellung geplant ist.

    Ein Großteil der Antragsteller kündigt sich bereits telefonisch an, sodass die Vorgehensweise vorab besprochen werden kann. Ich erkläre den Beteiligten daher immer, dass der Antrag entsprechend begründet werden muss und bitte sie sich entsprechend vorzubereiten. Das bedeutet, dass die Antragsteller nach Möglichkeit die Vorfälle der letzten Zeit kurz zusammenfassen sollen. Im Antrag muss ich dann nur noch eine grobe Zusammenfassung machen und verweise auf die Anlage.
    Das klappt natürlich nicht immer, hat mir aber schon einiges an Arbeit erspart.

  • Läuft hier genauso. Die Polizei ist da recht restriktiv. Aber nicht alle. Von einer ländlichen PI erhalten wir auf Nachfrage immer die Zeugenvernehmung zugefaxt.

    Allerdings wollen die Richter bei uns inzwischen auch immer einen eigenen Gewaltschutzantrag und nicht nur einen Mantelantrag mit Verweis auf eine polizeiliche Vernehmung und abschließender eidesstattlicher Versicherung über die Richtigkeit der Angaben.
    Begründung: Der Antragsteller soll sich - unabhängig von einer strafrechtlichen Betrachtung - auch noch einmal zusätzlich Gedanken machen, ob er auch das zivilrechtliche Gewaltschutzverfahren will.

    Also nehmen wir halt alles noch mal extra auf. Wir sind ja eh da...

    Für die Richter ist es auch mit dem positiven Nebeneffekt verbunden, dass sie Bausteine aus unserem Antrag in ForumStar bequem in ihren Beschluss kopieren können, was bei einer hergefaxten Zeugenaussage logischerweise nicht geht. Aber das nur am Rande :cool:.

  • Für die Richter ist es auch mit dem positiven Nebeneffekt verbunden, dass sie Bausteine aus unserem Antrag in ForumStar bequem in ihren Beschluss kopieren können, was bei einer hergefaxten Zeugenaussage logischerweise nicht geht. Aber das nur am Rande :cool:.

    Ich glaube das ist wahrscheinlich der eigentliche Grund :D. Das hat bei uns Gott sei Dank noch keiner beanstandet.

  • Allerdings wollen die Richter bei uns inzwischen auch immer einen eigenen Gewaltschutzantrag und nicht nur einen Mantelantrag mit Verweis auf eine polizeiliche Vernehmung und abschließender eidesstattlicher Versicherung über die Richtigkeit der Angaben.
    Begründung: Der Antragsteller soll sich - unabhängig von einer strafrechtlichen Betrachtung - auch noch einmal zusätzlich Gedanken machen, ob er auch das zivilrechtliche Gewaltschutzverfahren will.

    Das finde ich auch richtig so, ehrlich gesagt. Schließlich kann ein- und dieselbe Aussage von mir protokolliert ganz anders klingen, als wenn die Polizei es protokolliert. Die Polizei setzt strafrechtliche Schwerpunkte bei der Filterung der Aussagen, ich setze die Schwerpunkte im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 1 GewSchG.
    Klar ist es bequemer, zu sagen, "Das und das ist passiert, siehe Anlage". Aber - ein Argument, das eine Richterin mal brachte -: Die Angaben in den Anlagen werden nicht an Eides statt versichert, sofern man den Standardbaustein nicht entsprechend abändert. Zudem kann zwischen Zeugenaussage bei der Polizei und Antragstellung bei Gericht einiges an Erinnerungsstücken zusätzlich hochkommen oder wegfallen. Die Fragen, die ich bei Antragsaufnahme stelle, sind andere als die, die die Polizei bei einer Zeugenvernehmung stellt.

    Ich hatte übrigens noch nie eine komplette Abschrift der Zeugenaussage dar. Wenn mehr als die Bescheinigung über die Erstattung einer Anzeige vorlag, war es das Protokoll über einen Einsatz wegen häuslicher Gewalt, in dem der SV kurz durch die Polizei zusammengefasst wurde. Dass das nicht ausreichen dürfte, sollte klar sein.

    Natürlich ist es eine belastende Situation, das Geschehene noch einmal in Worte zu fassen. Nicht selten kommt es auch vor, dass Opfer von Gewalt dadurch emotional sehr aufgewühlt werden und anfangen zu weinen. Da ist natürlich Fingerspitzengefühl und Empathie auf unserer Seite gefragt.
    Es hilft aber nunmal nichts. Wir sind dafür da, die Worte der Antragsteller in einen sachdienlichen Antrag zu bringen. Dafür müssen wir die Worte der Antragstellerin kennen - und nicht das, was die Polizei als die Worte der Antragstellerin niedergeschrieben hat.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Läuft hier genauso. Die Polizei ist da recht restriktiv. Aber nicht alle. Von einer ländlichen PI erhalten wir auf Nachfrage immer die Zeugenvernehmung zugefaxt.


    Hier auch: Wir bekommen die Aussage auf telefonische Bitte zugefaxt oder gemailt. Die Antragsteller bekommen sie aber nicht ausgehändigt.

    Allerdings wollen die Richter bei uns inzwischen auch immer einen eigenen Gewaltschutzantrag und nicht nur einen Mantelantrag mit Verweis auf eine polizeiliche Vernehmung und abschließender eidesstattlicher Versicherung über die Richtigkeit der Angaben.
    Begründung: Der Antragsteller soll sich - unabhängig von einer strafrechtlichen Betrachtung - auch noch einmal zusätzlich Gedanken machen, ob er auch das zivilrechtliche Gewaltschutzverfahren will.

    Also nehmen wir halt alles noch mal extra auf. Wir sind ja eh da...

    Ich würde mich da nicht anweisen lassen. Auf welcher Grundlage auch? Weisen die Richter den Antrag etwa zurück, wenn er zur Begründung auf die Anlage (Aussage) verweist? Warum sollten wir nochmal runterschreiben, wer wann wen wie geschlagen/beleidigt/bedroht hat?

    Wir bitten die Leute auch oft, selbst den Sachverhalt vorzuschreiben und verweisen im Antrag dann darauf. Gefällt den Richtern je nach Handshrift und Ausdrucksvermögen der Antragsteller auch nicht, aber wenn alle Informationen enthalten sind (darauf achten wir natürlich und ergänzen bei der Antragsaufnahme ggf.), müssen sie eben über die Anträge entscheiden.

    Natürlich erweitern wir die eidesstattliche Versicherung so, dass sie die Anlage umfasst.

  • Natürlich lassen wir uns nicht anweisen, wie wir unsere Anträge aufzunehmen haben.

    Aber es gab tatsächlich schon Antragszurückweisungen, weil lediglich auf die Zeugenvernehmung verwiesen wurde und der Richter Zweifel hatte, ob der Antrag tatsächlich so gewollt war.

    Bei Gewaltschutz gibt es ja viele rechtliche und vor allem emotionale Aspekte. Es herrscht ja selten Freude auf der RASt, wenn jemand wegen Gewaltschutz kommt, weil dann - unabhängig vom emotionalen Ballast - klar ist, dass man sich jetzt erst mal Zeit nehmen muss. Rückschläge in Form von Antragsrücknahmen am nächsten Tag oder "Versöhnung" der Beteiligten und ggf. Folgegewaltschutzantrag erwischen ja jeden von uns auch mal.

    Es ist eine sehr ambivalente Angelegenheit: Einerseits kennt jeder Fälle, in denen Gewaltschutz unabdingbar und absolut gerechtfertigt war und anderseits gibt es auch viele Fälle, in denen es doch sehr fraglich ist, ob das tatsächlich unter Gewaltschutz fällt (z. B. Nachbarschaftsstreitigkeiten).

    Auch ist vielen, die bei der RASt aufschlagen und von der Polizei geschickt werden, ja gar nicht klar, dass sie mit dem Antrag ein Gerichtsverfahren lostreten. Es gibt ja auch viele Grenzfälle, in denen es fraglich ist, ob es tatsächlich Gewaltschutz, eine zivilrechtliche Unterlassungsklage oder ein Fall für die Seelsorge ist.
    Insofern kann ich es grundsätzlich schon befürworten, wenn die Antragsteller sich bei uns noch einmal Gedanken machen müssen - auch wenn viele das emotional überfordert. Dann ist es eben unsere Aufgabe, ein Taschentuch zu reichen, geduldig zuzuhören und den Vortrag in einen Antrag zu gießen.
    Zur Vorbereitung des Antrags verlangen wir grundsätzlich, dass ein Fragebogen ausgefüllt wird, den wir dann als Anlage beifügen und der auch von der eidesstattlichen Versicherung umfasst ist. Bei vielen klappt das, bei vielen aber auch nicht (emotional oder intektuell überfordert, erhebliche Sprachbarrieren). Nachdem es aber ja schon Fälle gab, bei denen Antragstellerinnen von Gerichten abgewiesen wurden und dann unmittelbar darauf von ihren Ex-Partnern umgebracht wurden (auch bei uns an einem Nachbargericht), machen wir im Zweifel lieber mal etwas mehr als etwas zu wenig.

  • Schwieriger und aufwendiger finde ich ja die Fälle, in denen die Polizei nichts macht und die Leute dann pauschal zu uns schickt.

    So grausam es klingt: Am schnellsten und eindeutigsten sind ja die tatsächlichen Fälle von häuslicher Gewalt mit Einsatzprotokoll Polizei und Arztbrief des Opfers. Das ist schnell aufgenommen und vor allem dafür ist GewSch ja auch da.

    Langwierig sind aber die Stalking-Geschichten, bei denen nicht so ganz klar ist, ob der Antragsteller auch tatsächlich Ruhe vor dem Antragsgegner will. Da die wiederholte unzumutbare Belästigung aus den Vorträgen herauszudestillieren ist nicht immer einfach, wenn dann auch whatsapp-Chats vorhanden sind, aus denen eine muntere Konversation von beiden Seiten aus geht, es aber auch sein könnte, dass der Antragsteller sich da gerade verrennt oder aber auch tatsächlich schutzbedürftig ist.
    Daher bin ich großer Freund des Fragebogens, damit die Leute den Sachverhalt möglichst in eigenen Worten schildern. Denn sonst habe ich auch manchmal des Gefühl, mich bremsen zu müssen, damit der Vortrag von uns nicht so gequetscht wird, dass er am Ende in unsere Standardbausteine passt und der Richter gar nicht weiß, wie ernst es tatsächlich ist. Ähnlich ist es auch bei den polizeilichen Aussagen - es besteht immer die Gefahr, dass den Geschädigten/Antragstellern etwas in den Mund gelegt wird, damit man am Ende zum Ziel kommt. Selbst wenn der Fragebogen nicht wirklich brauchbar ist, lasse ich ihn in der Akte, damit der Richter mal einen Blick drauf werfen kann für die Entscheidung Zurückweisung/Terminierung/positive Beschlussfassung.

  • Deshalb wird der eigentliche Antrag ja immer noch bei Gericht gestellt. Wir klären, ob es überhaupt ein Fall für Gewaltschutz ist. Der Antragsteller wird aufgeklärt, dass es sich um ein Gerichtsverfahren handelt, wie das abläuft, dass ein Termin stattfinden könnte, dass evtl. Kosten entstehen.
    Was das alles damit zu tun hat, ob ich, die Polizei oder der Antragsteller den Sachverhalt niederschreibt, erschließt sich mir immer noch nicht.
    Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht die Begründung selbst aufnehme, wenn der Antragsteller dies nicht kann (sprachlich oder emotional). Ich lese ja die Anlagen auch immer und ergänze sie um evtl. fehlende Angaben. Das kann auch mal doch noch eine Seite Text sein.

    Ich finde es schon frech, wenn die Richter Anträge abweisen, weil sie auf die Zeugenvernhemung Bezug nehmen. Das spricht euch ja ab, dass ihr die Antragsteller bei der Antragsaufnahme bzw. Abnahme der eV aufgeklärt habt.

    Dieser Fragebogen würde mich übrigens mal interessieren. Gerne per PN

  • Danke für die interessanten Antworten.

    Bei uns ist es oftmals eben leider so, dass die Antragsteller, die von der Polizei geschickt werden, wirklich überhaupt keine Ahnung haben, was ein Gewaltschutzverfahren ist. Sie kommen hierher, erwarten, dass ich aus meiner Schublade ein Schriftstück ziehe und es ihnen übergebe, und danach alles gut wird. Deswegen vermisse ich auch etwas die Sensibilität bzw. das Problembewusstsein bei der Polizeibehörde. Eben in Form einer gewissen Voraufklärung über einen solchen Antrag. Dass damit ein Verfahren in Gang gesetzt wird. Dass es gut wäre, sich vorzubereiten und gegebenenfalls vorab einen Termin zu vereinbaren. Ich wäre ja schon froh, wenn ich mich ein potentieller Antragsteller vorher anriefe und ich ihm mitteilen könnte, was er alles mitbringen oder schon vorher ausfüllen kann. Meistens kommen die Leute jedoch komplett unvorbereitet.

    Dass man sich Zeit für jeden Antragsteller nimmt und nicht nur einen "Mantelantrag" mit der Zeugenaussage im Zentrum aufnimmt, geschweige denn sich von Richtern sagen lässt, wie der Antrag auszusehen hat, versteht sich von selbst. Aber wie gesagt, mir geht es um das meines Erachtens - vor allem bei Opfern sexueller Übergriffe - unnötige Wiederholen des kompletten Sachverhalts und die damit einhergehende erneute seelische Belastung, wo doch alles schon einmal gesagt wurde.

    Bei uns hat sich mittlerweile die Behördenleitung der Sache angenommen und ein Hinweisschreiben an die PI verfasst. Dort wird unter anderem nachgefragt, ob eine Übergabe der Protokolle über das zweckgebundene Akteneinsichtsrecht in § 32f Abs. 5 StPO möglich wäre. Bin gespannt, was da noch kommt.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Danke für die interessanten Antworten.

    Bei uns ist es oftmals eben leider so, dass die Antragsteller, die von der Polizei geschickt werden, wirklich überhaupt keine Ahnung haben, was ein Gewaltschutzverfahren ist. Sie kommen hierher, erwarten, dass ich aus meiner Schublade ein Schriftstück ziehe und es ihnen übergebe, und danach alles gut wird. Deswegen vermisse ich auch etwas die Sensibilität bzw. das Problembewusstsein bei der Polizeibehörde. Eben in Form einer gewissen Voraufklärung über einen solchen Antrag. Dass damit ein Verfahren in Gang gesetzt wird. Dass es gut wäre, sich vorzubereiten und gegebenenfalls vorab einen Termin zu vereinbaren. Ich wäre ja schon froh, wenn ich mich ein potentieller Antragsteller vorher anriefe und ich ihm mitteilen könnte, was er alles mitbringen oder schon vorher ausfüllen kann. Meistens kommen die Leute jedoch komplett unvorbereitet.

    Dass man sich Zeit für jeden Antragsteller nimmt und nicht nur einen "Mantelantrag" mit der Zeugenaussage im Zentrum aufnimmt, geschweige denn sich von Richtern sagen lässt, wie der Antrag auszusehen hat, versteht sich von selbst. Aber wie gesagt, mir geht es um das meines Erachtens - vor allem bei Opfern sexueller Übergriffe - unnötige Wiederholen des kompletten Sachverhalts und die damit einhergehende erneute seelische Belastung, wo doch alles schon einmal gesagt wurde.

    Bei uns hat sich mittlerweile die Behördenleitung der Sache angenommen und ein Hinweisschreiben an die PI verfasst. Dort wird unter anderem nachgefragt, ob eine Übergabe der Protokolle über das zweckgebundene Akteneinsichtsrecht in § 32f Abs. 5 StPO möglich wäre. Bin gespannt, was da noch kommt.


    Das war hier auch Dauer-Thema. Bei dem für uns zuständigen Polizeipräsidium gibt es auch Koordinatoren für den Themenbereich Häusliche Gewalt. Mit denen habe ich vereinbart, dass sie unseren Fragebogen an den Dienststellen verbreiten und die Sachbearbeiter für häusliche Gewalt diesen Fragebogen möglichst ausdrucken und den Leuten mitgeben, wenn sie die zu uns schicken.

    Das hat aber ehrlich gesagt nur in wenigen Fällen geklappt und ist inzwischen wieder komplett eingeschlafen. Offensichtlich waren auch wieder zu viele personelle Wechsel innerhalb der Polizei, so dass diese Vereinbarung wohl wieder untergegangen ist. Ich persönlich habe auch nicht mehr die Energie, da neue Vorstöße zu machen, da ich keine Hoffnung habe, dass sich bei der Polizei wieder etwas ändert und auch die Richter bei uns auch gerne wechseln und mit ihnen die Moden, was sie gerne im Antrag hätten.

    Ich sehe Gewaltschutzanträge inzwischen wie Naturphänomene. Wie Sturm, Regen, Hagel oder Gewitter - kommt immer wieder und man kann nichts dagegen machen. Schlechtem Wetter ist es auch egal, wie es uns gefällt.

  • Wegen der Bezugnahme auf das polizeiliche Vernehmungsprotokoll:

    Ich hätte da rechtliche Bedenken. Die Anzeigeerstatter bekommen ja bewusst keine Abschrift ausgehändigt (aus den oben genannten Gründen).

    In dem Moment, in dem du das Ding zu einem Bestandteil deines Protokolls machst, geht es an die Gegenseite und kann sich von dort aus unkontrolliert verbreiten. Und wenn der Antragsteller gem. § 129a Abs. 2 ZPO eine Kopie der Niederschrift will, müsste du ihm ja auch das Vernehmungsprotokoll, auf das Bezug genommen wird, aushändigen, oder? Spätestens wenn der Antragsteller Akteneinsicht beantragt, hat der das Protokoll in jedem Fall. Das könnte dann aber für das Ermittlungs- und Strafverfahren ungünstig sein.

    Daher lasse ich mir zwar auch Protokolle schicken, nehme die aber nicht zum Antrag. Ich lese sie nur vorher, dass ich den Sachverhalt schon grob kenne und weniger nachfragen muss. Leider erzählen die Antragsteller weder chronologisch noch gehen sie auf die rechtlich relevanten Punkte von sich aus ein (soll kein Vorwurf sein, macht die Arbeit aber leider sehr mühsam).

  • Die Bedenken von Corypheus teile ich.

    Aus diesem Grund erhalten die Geschädigten von der hiesigen Polizei auch nie eine Abschrift des Anzeigenprotokolls. Natürlich verstehen viele dann nicht, weshalb sie bei Gericht noch einmal alles erzählen müssen und wir nicht auf die Unterlagen der Polizei zugreifen können.

  • Hier war es immer so, daß das polizeiliche Protokoll nie eine große Rolle spielte, wenn die polizeiliche Tgb Nr vorlag wurde diese ins Protokoll aufgenommen. Wenn es ärztliche Zeugnisse oder ähnliches gab, wurden diese natürlich beigefügt. Ansonsten wurde der Antrag aus dem Vortrag des Antragsstellers protokolliert, ein Spruch von mir war dann meist geben Sie etwas Fleisch an den Knochen, damit der Richter dann auch tatsächlich eine Entscheidungsgrundlage hat. Das hat den meisten dann auch eingeleuchtet und es wurde vorgetragen. Es war teilweise schon schwierig den ganzen Sachverhalt dann nochmals vortragen zu lassen, hat aber auch dazu geführt, daß man vor manchen wenig aussichtsreichen Anträgen Abstand genommen hat.

  • Stimmt, das hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, weil wir auf der RASt ohnehin darauf gepolt sind, immer im Blick zu haben, welche Angaben gemacht werden und wie die Angaben und Unterlagen dann weiterverbreitet werden müssen.

    Ich fände es nur wünschenswert, wenn die Polizei dann nach der Zeugenvernehmung des Opfers und der Empfehlung bei Gericht Gewaltschutz zu beantragen, dann vielleicht auch gleich sagen würde, dass sie bei Gericht für die Antragstellung nochmals aussagen müssen und warum die polizeiliche Zeugenvernehmung eben nicht automatisch weitergegeben werden kann; im Idealfäll würde die Polizei dann - zumindest bei uns - den Geschädigten den Fragebogen mitgeben, damit sie dann schon einmal in jeglicher Hinsicht vorbereitet zu uns kämen. Aber da ist dieses Forum der falsche Adressat für meine Wünsche ....

  • Hier war es immer so, daß das polizeiliche Protokoll nie eine große Rolle spielte, wenn die polizeiliche Tgb Nr vorlag wurde diese ins Protokoll aufgenommen. Wenn es ärztliche Zeugnisse oder ähnliches gab, wurden diese natürlich beigefügt. Ansonsten wurde der Antrag aus dem Vortrag des Antragsstellers protokolliert, ein Spruch von mir war dann meist geben Sie etwas Fleisch an den Knochen, damit der Richter dann auch tatsächlich eine Entscheidungsgrundlage hat. Das hat den meisten dann auch eingeleuchtet und es wurde vorgetragen.

    Schon, aber viele Antragsteller sind halt nicht in der Lage - auch mit unserer Hilfe - einen vernünftigen Vortrag hinzubekommen. Ich hatte mal eine da, die schon sehr vom Alkoholismus gekennzeichnet war und die immer wieder Anlauf für Gewaltschutz genommen hat und der insgesamt fünf mal richterlich zurückgewiesen worden ist. Beim sechsten Mal war dann eine Polizistin mit auf der RASt dabei und es wahr wirklich schlimm, was da an Sachverhalt rauskam. Aber in den fünf Anläufen davor war es nur wirrer Vortrag, bei dem noch nicht mal ersichtlich war, dass es zu Polizeieinsätzen kam.
    Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber hier ist es schon Alltag, dass viele - auch mit Hilfe und geduldigem Nachfragen - keinen vernünftigen Vortrag hinkriegen. Da bin ich schon dankbar, wenn ich etwas polizeiliches als Grundlage habe. Es sind ja nicht nur sprachliche Hürden bei Ausländern, aber das ist ja bei allen RASt-Praktikern hinreichend bekannt.

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