Teilweise Grundbuchberichtigung? Erbfolge nach ungarischem Recht

  • Hallo,

    ich hätte gerne mal Meinungen/Erfahrungen zu folgendem Sachverhalt (vielleicht hat sich ja schonmal jemand mit diesem Thema beschäftigt):

    Der im Grundbuch eingetragene Alleineigentümer ist verstorben und wurde nach ungarischem Erbrecht von seinen beiden Kindern zu je 1/2 beerbt. Wie ich inzwischen weiß, entsteht nach ungarischem Recht keine Erbengemeinschaft, sondern eine Bruchteilsgemeinschaft.

    Nunmehr beantragt Kind 1 unter Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses, dass in Ungarn ausgestellt wurde und nur die Erbfolge von Kind 1 u. a. an dem deutschen Grundbesitz zu 1/2 ausweist, die Grundbuchberichtigung hinsichtlich des von ihm erworbenen Anteils (Kind 1 will also als 1/2-Eigentümers ins Grundbuch, Kind 2 ist nicht beteiligt, insofern liegt mir auch kein Erbnachweis vor - hat aber von mir inzwischen ein Schreiben mit Hinweis auf § 82 GBO bekommen).

    Die erste Frage war nun, ob die Kinder auch tatsächlich Eigentümer zu je 1/2 des Grundbesitzes geworden sind oder in Erbengemeinschaft. Hier bin ich nach Lektüre u.a. der Entscheidungen/Aufsätze zum Vindikationslegat zu der Meinung gelangt, dass wohl der Erwerb wie im ungarischen Recht vorgesehen in Bruchteilsgemeinschaft erfolgt, da es diese im deutschen Recht ja grundsätzlich auch gibt.

    Weiter stellt sich aber die Frage, ob das Grundbuch nur einheitlich berichtigt werden kann oder ob auch nur bzgl. des 1/2-Anteils eine Berichtigung möglich ist. Hat sich jemand schon mal mit der Frage beschäftigt?

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

  • ....Die erste Frage war nun, ob die Kinder auch tatsächlich Eigentümer zu je 1/2 des Grundbesitzes geworden sind oder in Erbengemeinschaft. ....

    Wenn ich nach der Abhandlung von Küpper, „Ungarns neues BGB – Teil 3: Familien- und Erbrecht“, WiRO 2014, 205/211 ff.
    https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath…RO%2B2014%2B205
    gehe, dann geht mit dem Tod des Erblassers der Nachlass als Ganzes auf den oder die Erben über, ohne dass der Erbe irgendetwas tun muss (Zitat §§ 7:1, 7:87 des BGB 2013). Mehrere Erben erwerben gemeinsames Eigentum und bilden eine Miterbengemeinschaft, die sie durch Aufteilung des Nachlasses beenden können. Falls der Erblasser die Aufteilung nicht regelt, geht das BGB von einem Aufteilungsvergleich der Miterben aus; kommt dieser nicht zustande, ist eine gerichtliche Aufteilung möglich. Das Miteigentum der Erben ist stärker gesamthänderisch gebunden als das normale sachenrechtliche Miteigentum (Zitat §§ 7:92-7:93 des BGB 2013).

    Eine Aufteilung in Bezug auf das hier belegene Nachlassgrundstück haben die Miterben jedoch nicht vorgenommen, denn dann hätte ja wohl auch der restliche ½ Anteil aufgeteilt werden müssen.

    Allerdings gibt es in Ungarn auch Vindikationslegate (s. Leitzen, „Kubicka und die Folgen: Vindikationslegate in der Rechtspraxis, ZEV 2018, 311/313).

    Und ebenso wie in Österreich gibt es den Einantwortungsbeschluss (s. Süß, Anm. zu OLG München, Beschluss vom 10.02.2020, 34 Wx 357/17 in der ZEV 2020, 233/237 ff unter 1 (4).

    Wie für Österreich unter
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…691#post1186691
    ausgeführt, bewirkt die Einantwortung dann, wenn die Erbteilung vor der Einantwortung vorgenommen wurde, dass jeder Miterbe die ihm so zukommende Sache als unmittelbare Folge des Erbschaftserwerbes und daher als unmittelbarer Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers so erwirbt, wie es die Erbteilung vorsieht. Aufgrund der Einantwortung wäre dann das hälftige Miteigentum am Grundstück im Wege der Grundbuchberichtigung einzutragen (s. Süß, aaO).

    Nur: wo bleibt dann der andere ½ Miteigentumsanteil ?

    Ein Erbteilungsübereinkommen, in welchem sich die Erben über die Aufteilung der einzelnen Nachlassbestandteile einigen, damit bereits im Einantwortungsbeschluss auf die entsprechenden Aufteilungen Bedacht genommen werden kann, wird dann wohl kaum geschlossen worden sein.

    Und wenn nach dem maßgeblichen ungarischen materiellen Erbrecht Universalsukzession eintritt (siehe oben: „mit dem Tod des Erblassers geht der Nachlass als Ganzes auf den oder die Erben über“) und das ungarische Recht keine dingliche Teilungsanordnung kennt, dann müsste die Aussage des OLG München im Beschluss vom 10.02.2020, 34 Wx 357/17 zum österreichischen Recht,
    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-N-1573?hl=true
    wonach die Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses keine Wirkung entfaltet, eigentlich auch hier gelten.

    Erfolgt ein Eigentumserwerb erst infolge einer Erbauseinandersetzung, wird dies als Übertragung unter Lebenden qualifiziert und fällt aus der EuErbVO heraus (so OLG München, Beschluss v. 29.09.2020 – 34 Wx 236/20 (zu Italien) unter Zitat Süß ZEV 2020, 237). In Rz. 31 führt das OLG München aus: „Damit kann durch ein Europäisches Nachlasszeugnis grundsätzlich auch die Zuweisung von Nachlassgegenständen an einen Erben nachgewiesen werden, selbst wenn dieser quotal am Nachlass beteiligt ist (Kleinschmidt in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger Art. 63 EuErbVO Rn. 33). Dies gilt aber nicht für schuldrechtlich wirkende Teilungsanordnungen oder Zuweisungen aufgrund einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. In diesem Fall erfolgt die Sachzuordnung außerhalb der EuErbVO durch den Übertragungsakt unter Lebenden und nicht durch den Erbgang (Kleinschmidt in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger Art. 63 EuErbVO Rn. 33).“

    Und wenn es vorliegend nur um eine nur schuldrechtliche Teilungsanordnung geht, müsste sich die Wirksamkeit der Übertragung des Miteigentums dem Sachstatut, Art. 43 EGBGB, bestimmen.

    Das setzt dann aber die Auflassung des hälftigen Miteigentums durch die Erbengemeinschaft voraus.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort, dann werde ich mich da mal tiefer einlesen. Ich hatte mich jetzt auf die Ausführungen hier unter Ziff. 7 verlassen, nachdem das zum Inhalt des Nachlasszeugnisses und den Ausführungen der Antragstellerin gepasst hat, die sich in Ungarn durch eine Anwältin vertreten lies.

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

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