Güter- bzw. Erbrecht vor 1900

  • Hallo zusammen,

    im Grundbuch ist ein Mann M als Eigentümer eingetragen, mit dem Vermerk, dass er mit F verheiratet ist, dass er in landrechtlicher Errungenschafts-Gesellschaft lebt, und dass es sich bei dem Grundstück um Sondergut handelt.
    Anschließend wurde eingetragen, dass der Mann gestorben ist, die Eventual-Teilung aufgehoben ist und F das ausschließliche Verwaltungsrecht am gemeinschaftlichen Vermögen eingeräumt wurde. Zur Veräußerung von Liegenschaften ist die Mitwirkung und Zustimmung der volljährigen Kinder und die vormundschaftliche Genehmigung für die Minderjährigen notwendig.

    Mir liegt ein Erbschein vor, laut dem M von F und sodann von den ehelichen Abkömmlingen A, B und C beerbt wurde. Handschriftlich steht auf dem Erbschein der Vermerk "Altes Recht". M ist 1897 verstorben.

    Die Ehefrau ist nach 1900 verstorben und wurde laut Erbschein von den Kindern A, B und C beerbt. Es folgen noch ein paar Erbfolgen und nun ist die Grundbuchberichtigung beantragt.

    Das Grundbuch liegt in Württemberg. Was für ein Recht galt vor 1900? Ist die Ehefrau Eigentümerin geworden, sodass ich nun aufgrund der Erbscheine berichtigen kann? Für mich klingt das so nach Vor- und Nacherbschaft...

    Liebe Grüße
    Lisa2020

  • Das dürfte das Dritte Württembergische Landrecht (von 1610) sein, das bis zum Inkrafttreten des BGB galt.

    Danach galt für Ehegatten, die nur gemeinsame Kinder hinterliessen und kein Testament hatten:

    Zitat von Drittes Württembergisches Landrecht 1610

    Titel 7
    Wie ein Ehegemächt zuerben so allein in letzter Ehe erzihlte Kinder und sonsten auß vorgehenden Ehen keins hinderlassen

    § 1
    Wann deren Ehegemächt eins, so Kinder mit einander erzeugt, ohne Testament oder andere rechtmässige Verordnung, mit Tod abgehet, vnd das verstorben eintweder zuvor niemal verheurath gewesen oder doch ausser vorgehenden Ehen keine Kinder hinderlassen, soll es zuforderst mit der Obsignation vnd Inventirung vermög obigen dritten Tituls; so dann mit Bezahlung der Schulden auch Ergäntzung vnd Hindannemmung des vberlebenden Ehegemächts Vorauß, obgesegten vierten Tituls vnderschidlicher Disposition gemäß gehalten werden.

    § 2
    Vnd dann hat das in Leben gebliben Ehegemächt, (es sey Mann oder Weib) für sein eigne Portion vnd Angebührnus von dem in solcher Ehe errungenen vnd gewonnenen den halben Theil pleno iure innzuhalten.

    § 3
    Ferner, an des abgestorbnen Ehegemächts gantzer so wol mit dem Eigenthumb allein Ihme angefallener, als volkommenlich beseßner Verlassenschafft, (nämlich allen seinen zugebrachten vnd im Stand der Ehe ererbten oder in andere weg bekommenen, auch zu seinem halben theil errungenens vnd gewonnenens, vnd also allen seinen ligenden vnd fahrenden Hab vnd Güttern, nichts außgenommen) hat das in Leben gebliben Ehegemächt wann nur ein Kind vorhanden einen dritten Theil: so aber der Kinder zwey, drey oder mehr, einen Kindstheil, pleno iure frey ledig vnd eigenthumblich zuerben, damit seines gefallens zuschalten vnnd zuwalten.

    § 4
    Vnd was von des abgestorbnen Ehegemächts verlassenschafft, den hinderlaßnen Kindern zugetheilt vnd erblich angefallen, solches hat das vberlebend Ehegemächt sein lebenlang (doch ohngeschwächt des Hauptguts) zunutzen vnd zuniessen.

    Also ganz anders als im Gemeinen Recht. Nach altem württembergischen Recht bekam der Überlebende (egal ob m/f/d)

    • erstmal den Voraus
    • dann vom Errungenschaftsvermögen seine Hälfte
    • vom danach sich ergebenden Vermögen des/der Verstorbenen (also halbe Errungenschaft plus alles andere, egal ob ererbt oder sonstwie erworben) ein Drittel oder soviel wie jedes Kind, je nachdem wieviel Kinder da sind, zu freiem Eigentum
    • an dem den Kinden anfallenden Vermögen hat der überlebende Ehegatte einen gesetzlichen Nießbrauch.

    Heißt für Dich: Eigentümer nach dem Tod von Vater und Mutter waren die Kinder A, B und C, in nicht auseinandergesetzer Errungenschaftsgemeinschaft und Erbengemeinschaft (alten württembergischen Rechts, nach dem Vater) und in Erbengemeinschaft (des BGB, nach der Mutter)


    http://'https//books.google.…rc="%5Burl 16%2C793%2C1094&edge=0"]https://books.google.lu/books/content?…3%2C1094&edge=0
    [/URL]

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!