"Informelle" Titelbefristung - trotzdem vollstreckt. Fall des § 766 ZPO?

  • Der Schuldner ist einem herkömmlichen Titel ausgesetzt. Alle Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Demgemäß wird nun vollstreckt. Der Schuldner behauptet, der Gläubiger habe gesagt, bis zu einem bestimmten Datum nicht zu vollstrecken. Rein hypothetisch unterstellt, der Schuldner würde eine solche Absprache beweisen können, wäre das für ihn ein Fall des § 766 ZPO?

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • M. E. 766 ZPO i.V.m. § 775 Nr. 4 ZPO im Rahmen einer Stundung.

    Über § 775 Nr. 4 ZPO kommst du nicht in § 766 ZPO sondern nur in § 776 ZPO. Der gibt dir nur die Möglichkeit, die Vollstreckung einstweilen einzustellen. Eine endgültige Klärung ist nur über die Vollstreckungsgegenklage zu erreichen. Es handelt sich ja um eine materiellrechtliche Einwendung, die nach Abschluss des Hauptsachverfahrens entstanden ist.

  • Aus der zitierten BGH-Entscheidung:

    RN 28:
    Zwar ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) als gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen statthafter Rechtsbehelf begründet, wenn die Zwangsvollstreckung nicht eingestellt wird, obgleich die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 775 Nr. 4 ZPO gegeben sind (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 14. Aufl., § 775 Rn. 14; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 775 Rn. 35; Schuschke/Walker/Raebel, ZPO, 6. Aufl., § 775 Rn. 14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2015 - I ZB 107/14, NJW 2016, 876 Rn. 19).

    Aha, Einstellung über §§ 766, 775 ZPO möglich, Aufhebung nur über § 767 ZPO.

    Frage: Was hat der Schuldner beantragt?

  • Wobei für die Einstellung nach § 775 Nr. 4 ZPO "eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde" vorgelegt werden müsste, von der im Ausgangsfall gerade nicht die Rede ist. Also auch hierzu: Uldis, bitte kommen!

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Frage: Was hat der Schuldner beantragt?

    Vermutlich brütet Uldis als Schuldnervertreter noch über den richtigen Antrag...
    Ich sehe hier ein Nachweisproblem. Offensichtlich hat die Schuldnerseite keinen Beleg für die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung bzw. Stundung. Dann wird es sowohl für eine Einstellung nach § 766 ZPO bzw. für die Erfolgsaussichten der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO eng.

  • Ich vertrete den Gläubiger, der vollstreckt. Der Schuldner, der die Stundungsabrede behauptet, hat juristisch nichts Greifbares eingewandt, nur so emotionale Sachen wie die, dass der Gläubiger die Stundungsabrede abstreitet, "gehört angezeigt". Das hat er seiner telefonischen Behauptung dem Gerichtsvollzieher geschrieben, der ihm den PfüB zustellte, mit dem das Konto gepfändet wurde.

    Ich habe mich gefragt, ob der GV daraus irgend etwas liest, z. B. einen Antrag nach § 766 ZPO, und es dann dem Richter gibt.

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  • Wenn etwas kommt, kann es gut sein, dass der Gerichtsvollzieher das dem Richter als Erinnerung nach § 766 ZPO vorlegt und der Richter dann erst einmal prüft, ob es eher ein Fall der Vollstreckungsabwehrklage oder der Erinnerung ist. Oft sind die Anträge ja auszulegen, gerade wenn der Schuldner sie ohne anwaltliche Vertretung stellt.

    Aber die beide Rechtsbehelfe hätten an sich zunächst nicht zwangsläufig aufschiebende bzw. einstellende Wirkung. Das müsste der Richter extra beschließen und eigentlich müsste da auch ein eigener Einstellungsantrag der Schuldnerseite kommen, bei der Vollstreckungsabwehrklage ist das Prozessgericht da idR auch strenger, d. h. wenn kein eigener Antrag nach § 769 ZPO gestellt wird, wird auch nicht einstweilen eingestellt.

    In sehr, sehr bedeutsamen Fällen, könnte einer möglichen Einstellung ohne vorherige Anhörung der Gläubigerseite eine Schutzschrift angezeigt sein...

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