Teilweise Aufhebung nach §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO

  • Liebe Foristen,

    ich würde mich über Meinungen zu folgendem Fall freuen:
    Feb 2020 Erlass PfüB; zugrunde liegende Titel: Urteil 1, Urteil 2 und KFB 2;
    bzgl. Urteil 1 erging durch das Prozeßgericht ein Beschluss, wonach bei Zahlung einer Sicherheitsleistung die ZV aus dem Urteil einstw. eingestellt wird. Nach Nachweis Zahlung der Sicherheitsleistung habe ich gem. § 775 Nr. 2 ZPO die ZV einstw. einhgestellt soweit die Vollstreckung aus dem Urteil 1 erfolgt. Nun wird vorgelegt Urteil 3 womit Urteil 1 aufgehoben wird. Schuldner beantragt nun "endgültige Einstellung" der ZV. Ich habe ihm geschrieben, dass gem. § 775 Nr. 1 eine Einstellung oder Beschränkung in Betracht käme und die Rechtsfolgen sich aus § 776 ergeben. Nun liegt mir das Urteil 3 in Ausfertigung rechtskräftig vor. M.E. muss ich nun von Amts wegen teilweise aufheben.
    Einen teilweisen Aufhebungsbeschluss nach § 775 Nr. 1habe ich noch nie gemacht, die Formulierung bereitet mir Probleme:

    Mache ich einen Beschluss, nach dem der Pfüb des AG …. vom …. gem. §§ 775 Nr. 1, 776 aufgehoben wird, soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil 1 vom … erfolgte?
    Oder mache ich einen Beschluss, wonach die bereits erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Pfüb vom … aufgehoben werden, soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil 1 erfolgte?
    Oder ganz anders???
    Würde den Beschluss erst mit RK wirksam werden lassen.

    Bestehen Bedenken gegen eine teilweise Aufhebung?
    Müssen Pfüb und Beschluss iwie verbunden werden?
    Würdet ihr den Gläubiger zum Antrag / zum Vorhaben von Amts wegen anhören?

    Weihnachtliche Grüße,
    Maria

  • Klar würde ich die Gläubigerseite anhören. Eingestellt hast Du bereits, also kann ja nichts anbrennen.

    Eine teilweise Aufhebung ist m. E. geboten. Grundsätzlich gilt nach der Parteidispositionsmaxime allerdings, dass auch nur die Vollstreckungsmaßnahmen (teilweise) aufgehoben werden, soweit dies von der Schuldnerseite beantragt worden ist.
    Gemäß dem Bestimmtheitsgrundsatz sollte allerdings für den Drittschuldner und die übrigen Beteiligten klar sein, welche Beträge nun noch genau aufgrund des teilweise aufgehobenen Pfüb gepfändet sind. Das kann je nach zu Grunde liegender Forderungsaufstellung heikel sein. Ggf. müsstest Du entsprechende Klarstellung erlassen.

    Eine Verbindung sehe ich nicht veranlasst, da der Pfüb selbst ja keinen Titel, sondern allenfalls ein Hilfstitel für die (sehr seltene) Herausgabevollstreckung durch GV darstellt (§ 836 Asb. 3 S. 3 ZPO). In Deiner Akte würde ich vollständigkeitshalber einen Vermerk über die teilweise Aufhebung des Pfüb anbringen lassen ("Gemäß Beschluss vom ..., Bl. ... d. A., teilweise aufgehoben"). Zustellung an Gläubiger-, Schuldnerseite und Drittschuldner ist klar.
    Abhängigmachen von RK ist sinnvoll, da die Angelegenheit ohnehin streitbehaftet ist und aufgrund der Einstellung ja nichts passieren kann.

    Schöne Schmankerl kurz vor Jahresende:D


  • Einen teilweisen Aufhebungsbeschluss nach § 775 Nr. 1habe ich noch nie gemacht, die Formulierung bereitet mir Probleme:

    Mache ich einen Beschluss, nach dem der Pfüb des AG …. vom …. gem. §§ 775 Nr. 1, 776 aufgehoben wird, soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil 1 vom … erfolgte?
    Oder mache ich einen Beschluss, wonach die bereits erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Pfüb vom … aufgehoben werden, soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil 1 erfolgte?
    Oder ganz anders???

    Mein Vorschlag:

    1. Der Pfüb vom ... wird aufgehoben, soweit dieser aufgrund des Titels 1 vom ..., erlassen durch das Gericht ... am...., Az...., beruht.

    2. Es wird klargestellt, dass der Pfüb vom.... aufgrund des Titels 2 vom ..., erlassen durch das Gericht ... am...., Az...., weiterhin Bestand hat.

    3. Dieser Beschluss wird mit seiner Rechtskraft wirksam.

    In der Begründung kann ggf. noch eine Klarstellung zur Berechnung der Restforderung erfolgen.

  • Vielen Dank für deine Antwort, die hilft mir sehr weiter.

    In der Kommentierung (z.B.: BeckOK, Vorbemerkunhgen zu § 775 und Zöller, Rn9-11 zu § 775) habe ich es schon so verstanden, dass ich bei Vorliegen einer entsrp. Entscheidung von Amts wegen tätig werden muss....

    Viel Grüß
    Maria

  • Grundsätzlich sind Vollstreckungshindernisse tatsächlich von Amts wegen zu beachten. Dies gilt m. E. aber eher bei Erlass der Vollstreckungsmaßnahme. Nach Ausbringen der Vollstreckungsmaßnahme ist die Pfändung ja erst einmal bewirkt. Vorliegend sind die Parteienvertreter offensichtlich anwaltlich vertreten, da sollte die Schuldnerseite es fertigbringen, alle betroffenen Vollstreckungsmaßnahmen aufzulisten - es entzieht sich ja z. B. der Kenntnis des Vollstreckungsgerichts, wenn aufgrund des inziwschen aufgehobenen Urteils 1 parallel Gerichtsvollziehervollstreckung betrieben wird. Insoweit können Vollstreckungsgerichte ohnehin nur begrenzt von Amts wegen tätig werden.
    Hinzu kommt, dass wir nicht wissen, ob sich bereits bewirkte Vollstreckungsmaßnahmen nicht bereits erledigt haben durch Rücknahme, Verzicht, Befriedigung oder anderes.

    Man könnte daher ein Hinweisschreiben an die Parteienvertreter schicken, dass aufgrund des Urteils 3 ein Vollstreckungshindernis auch in anderen Verfahren gegeben sein könnte, und dass daher aufgefordert wird, binnen einer bestimmten Frist, beim Vollstreckungsgericht die dort betroffenen Maßnahmen zu benennen, welche nun eingestellt, bzw. aufgehoben werden sollen. Damit sollte der Amtsermittlungspflicht m. E. genüge getan sein.

    Ich hatte auch Vollstreckungsschuldner, die einen Berg Vollstreckungsmaßnahmen haben. Wenn ich aufgrund ForumStar-Recherche da alle betreffenden Maßnahmen zusammensuchen würde und dazu dann die Akten heraussuchen müsste, um herauszufinden, ob der jeweilige Pfüb aufgrund des aufgehobenen Titels erlassen worden ist, wäre dies m.E. ein unvertretbarer Aufwand, der nicht Gewähr dafür böte, auch tatsächlich alle noch aktiven betroffenen Maßnahmen herauszufiltern.

    Letztlich kann diese Angabe nur von den Parteien erfolgen.

    Wenn Du allerdings positiv weißt, dass es da noch Parallel-Pfübs aufgrund des Urteils 1 gibt, würde ich diese vorsichtshalber von Amts wegen schon zumindest nach § 775 ZPO einstellen und dann Anhörung der Parteien in Ruhe über Aufhebung nach § 776 ZPO entscheiden. Aber wie gesagt nur bei positivem Wissen; ansonsten würde ich den Rechercheauftrag an die Parteien, speziell die Schuldnerpartei geben.

  • Jetzt muss ich nochmal auf die Sache zurückkommen, da ist doch der Wurm drinne…
    ich hatte, wie bereits eingangs erwähnt, beim Gläubiger nach dem Antrag auf "endgültige Einstellung" auf § 775 N. 1 ZPO mit der Rechtsfolge des § 776 hingewiesen. Er schrieb weiter von "Einstellung". Auf explizite Nachfrage, ob "Einstellung" oder "Aufhebung" gemeint sei, teilt er erneut mit, dass die ZV "gemäß § 775 ZPO einzustellen"sei.
    Wenn ich die Kommentierung richtig verstehe, muss ich § 775 vAwg beachten. Hat der Gläubiger eine Dispositionbefugnis über die Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzung nach § 775 Nr. 1 ZPO, kann also nur Einstellung anstatt Aufhebung verlangen?

    VG und frohes neues Jahr?,
    maria

  • § 775 Nr. 1 ZPO führt zwingend zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme. Da gibt es keine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers. Das Gericht hat § 775 Nr. 1 ZPO v.A.w. zu beachten, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Es kann bei Kenntnis nichts anderes machen. Allerdings muss die Ausfertigung der Entscheidung vorliegen. Die muss angefordert werden, sollet nur eine Abschrift da sein.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
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  • § 775 Nr. 1 ZPO führt zwingend zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme. Da gibt es keine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers. Das Gericht hat § 775 Nr. 1 ZPO v.A.w. zu beachten, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Es kann bei Kenntnis nichts anderes machen. Allerdings muss die Ausfertigung der Entscheidung vorliegen. Die muss angefordert werden, sollet nur eine Abschrift da sein.

    Vielen Dank für die Einschätzung!

    So dachte ich es mir auch :-)!
    Viel Grüß,
    maria

  • § 775 Nr. 1 ZPO führt zwingend zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme. Da gibt es keine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers. Das Gericht hat § 775 Nr. 1 ZPO v.A.w. zu beachten, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Es kann bei Kenntnis nichts anderes machen. Allerdings muss die Ausfertigung der Entscheidung vorliegen. Die muss angefordert werden, sollet nur eine Abschrift da sein.

    Vielen Dank für die Einschätzung!

    So dachte ich es mir auch :-)!
    Viel Grüß,
    maria

    Ausfertigung liegt übrigens vor, aber danke für den Hinweis!

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