Verfahrenspfleger erforderlich?

  • Hallo, ich habe gerade über einen Genehmigungsantrag zu entscheiden.

    Der Betroffene ist in einer Erbengemeinschaft beteiligt. Es soll eine Baumwiese verkauft werden.
    Der Wert liegt nach den Bodenrichtwerten aus dem Internet bei insgesamt ca. 1000 EUR, wenn ich es richtig erfasst habe. Der Betreuer, der auch Miterbe ist, hat ortsansässige Obstbauern nach einem Preis gefragt und diese haben weniger pro qm genannt, sodass er bei einem Wert von 500 EUR wäre. Da der Zustand sehr schlecht sei wurde sich nun mit einem Käufer zu einem Preis von 300,00 EUR geeinigt.
    Da aus der aktuellsten Anhörung hervorgeht, dass eine Verständigung mit dem Betroffenen nicht möglich ist, würde ich auch keine persönliche Anhörung vornehmen, da es sich auch nur um eine Baumwiese handelt (und aufgrund der derzeitigen Lage). Ich hätte einen Verfahrenspfleger bestellt, einmal aufgrund der unterbliebenen persönlichen Anhörung und da der Kaufpreis unter dem Wert nach den Bodenrichtwerten liegt. Hier mache ich mir aber Gedanken darüber, ob ansonsten unnötige Kosten entstehen, aufgrund des geringen Anteils, den der Betroffene dann tatsächlich erhalten würde, tu mir aber schwer damit, da es ja auch keine "Schenkung" darstellen soll und eine Verständigung mit dem Betroffenen nicht möglich ist.
    Es ist auch ein minderjähriges Kind an der Erbengemeinschaft beteiligt. Leider ist ein anderes Familiengericht hier zuständig, daher frage ich mich auch, ob es auch nicht komisch wäre, würde ich dann genehmigen, das Familiengericht aber einen höheren Kaufpreis verlangen oder anders rum.

    Hat mir jemand einen Rat?

  • also ein Verfahrenspfleger ist auf jeden Fall zu bestellen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG.

    Ich wüde den Verfahrenbeteiligten aufgeben, ein Gutachten einzuholen.

    Im Wege der Amtshilfe kannst du dennoch beim Familiengericht um Übersendung des Beschlusses bitten bzw. um Auskunft bitten, ob denen weitere Informationen zum Wert vorliegen

  • also ein Verfahrenspfleger ist auf jeden Fall zu bestellen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG.

    Ich wüde den Verfahrenbeteiligten aufgeben, ein Gutachten einzuholen.

    Im Wege der Amtshilfe kannst du dennoch beim Familiengericht um Übersendung des Beschlusses bitten bzw. um Auskunft bitten, ob denen weitere Informationen zum Wert vorliegen


    Das ist ein super Tipp! Danke! :)

  • Ein Gutachten für ein Wiesengrundstück bei einem Verkaufspreis von 300 EUR? :gruebel:

    Also bei solch einem Sachverhalt würde ich - mit Verlaub und rechtliche Korrektheit hin oder her - die Kirche im Dorf lassen. Es handelt sich um eine Wiese (!) - bei derlei unbebauten Grundstücken würde ich regelmäßig den Bodenrichtwert als Orientierungsgröße ausreichen lassen. Der Betreuer ist selbst Mitglied der Erbengemeinschaft - es darf also zwanglos davon ausgegangen werden, dass es auch in seinem Interesse ist, die Wiese nicht zu "verschenken", sondern soviel wie möglich dafür zu erhalten. Wenn das aufgrund des schlechten Zustandes nicht möglich ist und er das glaubhaft darlegt, dann akzeptiere ich das. Wenn auch alle anderen Miterben mit dem Verkaufspreis einverstanden sind, wäre es für mich ein weiteres Indiz, da nicht weiter nachzuhaken. Vollkommen egal wäre mir im Übrigen eine evtl. anders lautende Entscheidung des Familiengerichts. Ich entscheide in eigener Zuständigkeit.

    Ehrlich gesagt würde ich in dieser Konstellation (Mini-Verkaufspreis, noch kleinerer Erlösanteil für Betroffenen, kein Gebäude,...) zumindest sogar überlegen, nicht mal einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Genehmigen und weg damit. Alle sind zufrieden.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ich stimme meinem Vorredner grundsätzlich zu.

    Nur am Verfahrenspfleger dürfte kein Weg vorbeiführen. Das Gesetz unterscheidet nicht nach "wichtigen" oder "unwichtigen" bzw. "werthaltigen" und "nicht werthaltigen" Rechtsgeschäften.

    Bei kleineren Ortschaften ist eine Rückfrage bei Gemeinde oder Bauernverband wegen der aktuellen Preise nicht verkehrt. Bei solchen Objekten muss man meist froh sein, wenn man sie los wird. Man wird wohl auch in das Reich der Fabel verweisen können, dass der betreffende Grundbesitz jemals Bauland wird.

  • Dem schließe ich mich an. Ein Gutachten dürfte als unverhältnismäßig anzusehen sein, wenn die Kosten des Gutachtens den Wert übersteigen oder einen großen Teil des voraussichtlichen Werts ausmachen.

    Eine Anhörung ist zwingend immer geboten. Wenn d. Betroffene nicht angehört werden kann, muss ein Verfahrenspfleger her.

  • §§ 1908i, 1795 BGB? Was passiert mit dem Verkaufserlös? Erbauseinandersetzung?

    Zum Thema Verkehrswertgutachten. Wo ist die Grenze, ab der man ein Gutachten verlangt? Kaufpreis in Höhe von EUR 500,00 oder EUR 50.000,00 oder EUR 5.000.000,00? Oder ab Grundstücksgröße 500 qm oder 5.000 qm oder 50.000 qm?

    Und ab welchem Kaufpreis oder ab welcher Grundstücksgröße wird ein Verfahrenspfleger bestellt?

    Haben wir hier wegen der evtl. Erbauseinandersetzung -der Betreuer ist Miterbe- bei der Erbteilung nicht generell einen Vertretungsausschluss? Hat der Betreuer vielleicht ein Eigeninteresse am Verkauf (evtl. „Schwarzkauf“). M.E. muss im Rahmen der Erbauseinandersetzung ein Ergänzungsbetreuer bestellt werden. Und im Genehmigungsverfahren -unabhängig vom Kaufpreis- ein Verfahrenspfleger.

    Der Verfahrenspfleger kann sich dann im Genehmigungsverfahren zum Thema Verkehrswertgutachten äußern und ggf. die Einholung eines solchen durch das Gericht anregen. Im Falle der Erteilung der Genehmigung unter Unterlassung der Einholung dürfte u.U. durch das Beschwerdegericht ein Verfahrensfehler -mangelnde Ermittlung des Betreuungsgerichts gesehen werden.

  • Bezüglich des Verfahrenspflegers und des Ergänzungspflegers sehe ich es ebenso - ich würde entsprechend bestellen bzw. zur Bestellung vorlegen, im Falle des Ergänzungsbetreuers. Bezüglich des Gutachtens scheidet auf den ersten Blick ein "professionelles" Gutachten oder ein Gutachten des örtlichen Gutachterausschusses aus. Hier wären die zu erwartenden Kosten außer Verhältnis zum Erlös.

  • Hier wären die zu erwartenden Kosten außer Verhältnis zum Erlös.

    In Verhältnis zu dem Erlös, der nach Angabe des Miterben angeblich angemessen ist, obwohl der Bodenrichtwert mehr als das Doppelte hergibt? Es kann natürlich stimmen, dass der Richtwert hier die tatsächliche Beschaffenheit nicht berücksichtigt. Allerdings könnten die umliegenden Landwirte ein Interesse daran haben, möglichst günstig an das Land zu kommen und dieses schlecht reden.

    Mir fehlt da eine nähere Begründung, warum kein besserer Preis erzielt wurde.

    Wie schon mehrfach hier gesagt, hat die Notwendigkeit Ergänzungsbetreuer / Verfahrenspfleger hingegen nichts mit der Höhe des Kaufpreises zu tun.

  • §§ 1908i, 1795 BGB? Was passiert mit dem Verkaufserlös? Erbauseinandersetzung?

    Zum Thema Verkehrswertgutachten. Wo ist die Grenze, ab der man ein Gutachten verlangt? Kaufpreis in Höhe von EUR 500,00 oder EUR 50.000,00 oder EUR 5.000.000,00? Oder ab Grundstücksgröße 500 qm oder 5.000 qm oder 50.000 qm?

    Und ab welchem Kaufpreis oder ab welcher Grundstücksgröße wird ein Verfahrenspfleger bestellt?

    Haben wir hier wegen der evtl. Erbauseinandersetzung -der Betreuer ist Miterbe- bei der Erbteilung nicht generell einen Vertretungsausschluss? Hat der Betreuer vielleicht ein Eigeninteresse am Verkauf (evtl. „Schwarzkauf“). M.E. muss im Rahmen der Erbauseinandersetzung ein Ergänzungsbetreuer bestellt werden. Und im Genehmigungsverfahren -unabhängig vom Kaufpreis- ein Verfahrenspfleger.

    Der Verfahrenspfleger kann sich dann im Genehmigungsverfahren zum Thema Verkehrswertgutachten äußern und ggf. die Einholung eines solchen durch das Gericht anregen. Im Falle der Erteilung der Genehmigung unter Unterlassung der Einholung dürfte u.U. durch das Beschwerdegericht ein Verfahrensfehler -mangelnde Ermittlung des Betreuungsgerichts gesehen werden.

    Ob eine Erbauseinandersetzung erfolgen soll, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Veräußerung des Grundstücks liegt kein Vertretungsausschluss vor, da Erwerber ein Dritter ist.

    Das Thema des Verkehrswertgutachtens beurteilt man eher nicht nach dem Kaufpreis, sondern ob es sich um ein Hausgrundstück handelt oder nicht. Bei Acker- und Grünland benötigt man regelmäßig kein Gutachten. Dafür werden ja regelmäßig Bodenrichtwerte festgesetzt. Die Gefahr einer Rüge der fehlenden Ermittlung im Falle einer Beschwerde sehe ich daher nicht, sofern es um die Veräußerung von Grünland oder Ackerland geht.

    Unabhängig davon sollte im konkreten Fall der Betreuer schriftlich darlegen, weshalb ein Verkauf zum Bodenrichtwert nicht in Betracht kommt und seine (erfolglosen) Verkaufsbemühungen diesbezüglich nachweisen. Gerade weil der Betreuer als Miterbe am Grundstück "beteiligt" ist, scheint mir die Gefahr eines zu niedrigen Kaufpreises eher gering.

    Im Übrigen schließe ich mich Asgoth und Cromwell an.

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