Aufgabe des Eigentums und Verkaufsvollmacht

  • Eine aus vielen Personen bestehende Bruchteilsgemeinschaft ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke.

    Bei einem der Grundstücke wird das Eigentum aufgegeben (§ 928 BGB).

    Ein Teil der Eigentümer wird in der Aufgabeerklärung aufgrund einer umfassenden und alle Grundstücke betreffenden Grundstücksvollmacht vertreten, das ist unproblematisch.

    Ein anderer Teil der Eigentümer wird jedoch aufgrund einer (ebenfalls alle Grundstücke umfassenden) Veräußerungsvollmacht vertreten. Sinngemäß wird darin umfassend zur Vertretung bei der Veräußerung bevollmächtigt.

    Nun führen sowohl die Veräußerung als auch die Aufgabe des Eigentums zu einem Verlust des Eigentums der Vollmachtgeber. Andererseits ist mit der Veräußerung üblicherweise der Erhalt einer Gegenleistung (=Kaufpreis) verbunden, die es bei der Eigentumsaufgabe nicht gibt.

    Daher stelle ich mir die Frage, ob eine Veräußerungsvollmacht auch eine Eigentumsaufgabe erfasst. Was meint Ihr?

  • Aus dem Bauch heraus: Ich halte eine Veräußerungsvollmacht nicht für ausreichend.
    Der Verzicht ist zwar eine Verfügung über das Grundstück, aber "Veräußerung" bedeutet m.E. Übertragung des Eigentums auf einen anderen und dies geschieht bei der Aufgabe nach § 928 BGB gerade nicht, denn das Grundstück wird herrenlos.

  • Man könnte aber auch argumentieren, eine Veräußerungsvollmacht beinhaltet die Bereitschaft zum (auch unentgeltlichen) Verlust des Eigentums und muß nicht zwingend den (sofortigen) Erwerb des Eigentums fordern.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Daher stelle ich mir die Frage, ob eine Veräußerungsvollmacht auch eine Eigentumsaufgabe erfasst. Was meint Ihr?

    Wenn die Veräußerungsvollmacht auch uneingeschränkt Schenkungen ermöglicht und Befreiung von §181 BGB umfasst, würde ich sie auch für die Eigentumsaufgabe als ausreichend erachten.
    Denn dann wird dem Bevollmächtigten uneingeschränkt jedwede unentgeltliche Verfügung gestattet.
    Wenn der Bevollmächtigte das Grundstück jedem Beliebigen schenken könnte, sehe ich nicht warum er es nicht auch derelinquieren können sollte.

    Anderenfalls würde ich die Vollmacht nicht für ausreichend erachten.

  • Aber auch bei einer Schenkung handelt es sich um eine Veräußerung weil ein Wechsel auf einen neuen Eigentümer stattfindet.

    Das ist klar.
    Aber nach §133 BGB ist nicht auf dem Wortlaut zu verharren.

    Das die Dereliktion auch in einer umfassenden Vollmacht nicht ausdrücklich genannt ist, sollte auch nicht verwundern. Sie ist im Grundstücksrecht doch eher eine Seltenheit und nicht das voran vordergründig gedacht wird.
    Ohne den Wortlaut der Vollmacht zu kennen ist die Auslegung aber natürlich schwierig.

  • Elbin: Bist Du sicher, daß aus Sicht eines Vollmachtgebers der Erwerb durch Fremde im Fokus steht und nicht vielmehr der eigene Eigentumsverlust?

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  • Man wird es hier wohl vom genauen Wortlaut der Vollmacht abhängig machen müssen. Es wird wohl wirklich davon abhängen, ob der Vollmachtgeber irgendeine materielle oder nicht materielle Gegenleistung erwartet, was ja üblich ist.

    Das wäre bei einem Verkauf natürlich Geld. Aber auch bei einer Veräußerung in Form einer Schenkung geht der Vollmachtgeber ja normalerweise nicht davon aus, dass die Schenkung an eine beliebige Person erfolgt sondern an einen Verwandten oder ähnliches. Stärkung familiärer oder freundschaftlicher Bindung wäre dann ja die Gegenleistung.

    Nur wenn die Vollmacht wirklich erkennen lässt, dass eine Schenkung auch an die nächste auf der Straße hergelaufene Person erfolgen kann, würde ich sie für ausreichend halten. Oder eben, wenn sie erkennen lässt (wie FED schreibt), dass der Vollmachtgeber vorrangig und unter allen Umständen das Eigentum verlieren will.

  • Ich sage ja auch nicht, daß meine "Auslegung" die einzig mögliche ist. Es sollen nur die Argumente geschärft werden. Natürlich kommt es entscheidend auf den Wortlaut und die Umstände der Vollmacht an.

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  • Elbin: Bist Du sicher, daß aus Sicht eines Vollmachtgebers der Erwerb durch Fremde im Fokus steht und nicht vielmehr der eigene Eigentumsverlust?

    Gutes Argument. Allerdings hatte ich bei "Schenkung" - wie auch im Beitrag von august august ausgeführt - eher keine x-beliebige Person von der Straße im Sinn.

  • Dann ist jetzt wohl wieder Kai am Zug...

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  • Nur wenn die Vollmacht wirklich erkennen lässt, dass eine Schenkung auch an die nächste auf der Straße hergelaufene Person erfolgen kann, würde ich sie für ausreichend halten. Oder eben, wenn sie erkennen lässt (wie FED schreibt), dass der Vollmachtgeber vorrangig und unter allen Umständen das Eigentum verlieren will.

    So würde ich das auch sehen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Vielen Dank für die Beiträge!

    Sogar außerhalb des Forums erreichte mich eine Rückmeldung. Darin wurde ich u.a. darauf hingewiesen, dass im Wikipedia-Eintrag zur Veräußerung auf die angeblich herrschende Meinung, wonach eine Eigentumsaufgabe keine Veräußerung sei, verwiesen wird. Das RG habe zu § 265 ZPO allerdings entschieden, dass eine Eigentumsaufgabe eine Veräußerung darstelle könne.

    Den genauen Wortlaut der Vollmacht und -soweit bekannt- die Hintergründe möchte ich hier nicht einstellen. Es handelt sich nach meiner Lesart um eine übliche und weite Veräußerungsvollmacht, die aber meines Erachtens unter der Prämisse der "Veräußerung" steht.

    Unter einer Veräußerung versteht man ja üblicherweise ein zweiseitiges und freiwillig geschlossenes auf Eigentumsübertragung gerichtetes Rechtsgeschäft mit (oft) einer Gegenleistung für den Verkäufer. Davon unterscheidet sich eine Eigentumsaufgabe schon deutlich.

    Mir geht es, wie FED schrieb, um die Schärfung der Argumente und um die Frage, ob überhaupt eine Beanstandung angezeigt sein könnte. Unabhängig davon bliebe es den Beteiligten ja ggf. unbenommen, mich in diesem konkreten Fall zu überzeugen.

  • Damit kann ich gut leben. Ich wollte ja nur diskutieren und bin nicht betroffen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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