BGB AT - Übungsfall - Falscher Zahn gezogen

  • Hallo Leute, da sich unter den Mitstudierenden niemand findet, der sich mit Fällen austauschen möchte und man sich zum Lernen auch nicht treffen darf,
    wollte ich einige Übungsfälle hier lassen - je nachdem, wie es ankommt und ob erwünscht. Weil es geht ja um fachliche Fragen an Rechtspfleger und nicht primär um Fälle aus dem Studium?

    Verbesserungsvorschläge sind herzlich willkommen, mir ist jedoch bewusst, dass bei vielen Fällen mit viel Text man keine Einzelkorrektur erwarten kann.
    Ich kämpfe mehr mit Ausdruck, Rechtschreibung und Zeichensetzung als mir lieb ist - vom Gutachtenstil mal abgesehen.
    Für den Fall habe ich 70 Minuten gebraucht.

    Doch vielleicht beschäftigt sich gerade jemand ebenfalls mit Zivil/Handelsrecht im Grund- oder sonstigen Studium. Die Fälle beziehen sich auf Sammlungen von Prof. Lorenz und Prof. Dr. Peter Oestmann - bei beiden kommt man automatisch vorbei, wenn man BGB AT Fälle sucht.

    Fall: Privatpatient P geht zum Zahnarzt Z, um sich einen Zahn ziehen zu lassen. Der Zahnarzt zieht versehentlich den falschen Zahn. P verlangt Schadensersatz. Wie ist die Rechtslage, wenn unklar ist, ob den Zahnarzt Verschulden trifft?

    Bearbeitervermerk: Es sind nur vertragliche Ansprüche zu prüfen.

    I. A könnte gegen den Zahnarzt einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 I, 630a, 241 II BGB haben. § 280 BGB besagt: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“

    1. Zunächst müsste ein Schuldverhältnis bestehen, wobei hier der Behandlungsvertrag gem. § 630a BGB in Betracht kommt. Der Behandlungsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Behandelnden und dem Patienten über die entgeltliche Durchführung einer medizinischen Behandlung. Der Behandlungsvertrag ist in Deutschland seit 2013 in den §§ 630a ff Bürgerliches Gesetzbuch gesetzlich definiert und ist ein besonderer Typ des Dienstvertrags.

    § 630 a BGB normiert, dass durch den Behandlungsvertrag derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.

    P geht zum Zahnarzt Z, um sich einen Zahn ziehen zu lassen. Das ziehen eines Zahnes ist die Leistung einer versprochenen Behandlung des Z (Behandelnder) gegenüber dem P (Patient). Durch das Ausführen hat Z einer Behandlung konkludent zugesagt.

    Mithin liegt ein Behandlungsvertrag gem. § 630a BGB vor, wobei Z Schuldner ist und P Gläubiger.

    2. Weiterhin müsste der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben. Die Pflichten aus dem Schuldverhältnis regelt § 241 BGB. Gemäß § 241 (2) BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des P sind, dass sein Körper mit der Behandlung möglichst unverletzt bleibt, insbesondere nicht der falsche Zahn gezogen wird. Durch das ziehen das falschen Zahns hat Z diese Rechte und Interessen des P verletzt. Mithin hat Z seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt.

    3. Außerdem müsste ein Schaden entstanden sein. Ein Schaden ist jede unfreiwillig eintretende Beeinträchtigung des Vermögens (Vermögensschaden) oder anderer subjektiver Rechte (Nichtvermögens- oder immaterieller Schaden) einer Person. (Hinweis: Freiwillig eintretende Vermögenseinbußen nennt man dagegen Aufwendungen. Diese sind vom Schaden abzugrenzen)

    Hier wurde der falsche Zahn gezogen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass diese freiwillig geschah.

    Der der verlorene Zahn beeinträchtigt den P in seinen subjektiven Rechten.

    Mithin ist ein Schaden entstanden.

    4. Fraglich ist, ob der Z – als Schuldner – die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat.
     Nach § 276 (1) BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit vertreten. Grundsätzlich muss der Anspruchssteller alle Umstände beweisen, die für ihn günstig sind. Hier wäre es für A günstig, wenn der Zahnarzt die Pflichtverletzung zu vertreten hätte. Jetzt erklärt sich die negative Formulierung des

    § 280 (1) Satz 2 BGB, welche die Beweislast ausweislich umgekehrt. Danach wird vermutet, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Es wird also vermutet, dass der Zahnarzt zumindest fahrlässig den falschen Zahn gezogen hat. Daher muss er beweisen, dass er dies nicht zu vertreten hat.

    Durch das „versehentliche“ ziehen scheidet Vorsatz aus. Des Weiteren schweigt der Sachverhalt zu beweisen des Z, dass sein er sein handeln nicht zu vertreten hätte.

    Damit hat Z die Pflichtverletzung auch zu vertreten.

    II. A hat gegen den Zahnarzt einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 I iVm 630a, 241 II BGB wegen des aus Versehen gezogenen Zahns.


    Zum Bearbeitervermerk "Es sind nur vertragliche Ansprüche zu prüfen."
    Würde das nicht eingegrenzt hätte man in der Klausur noch deliktischen Anspruch Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB prüfen müssen, wobei im Ergebnis der P keinen Anspruch auf deliktischen Schadensersatz nach § 823 I oder II BGB hat.

    Einmal editiert, zuletzt von sevo (16. Januar 2021 um 13:46) aus folgendem Grund: Bearbeitervermerk § 823 BGB

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