Wiedereinsetzung nach Strafbefehl

  • Hallo zusammen,

    ich würde mich über Eure Meinungen zu dem folgenden Fall freuen:
    Ein Rechtsanwalt beantragt für seine Mandantin Beratungshilfe, weil gegen diese ein Strafbefehl ergangen ist. In aller Regel bewillige ich in solchen Fällen Beratungshilfe für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Einspruchs.
    Da die Angelegenheit aber schon etwas weiter zurück lag, schreibe ich den Anwalt an und bitte um Mitteilung, wann dieser mandatiert wurde und ob zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist noch lief.
    Er teilt mir daraufhin mit, dass die Rechtsmittelfrist zum Zeitpunkt seiner Mandatierung schon abgelaufen war. Er möchte aber seine Mandantin hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 44 StPO beraten.

    Wenn ich hierfür Beratungshilfe gewähre, dann wären ja in Zukunft für die Beratungshilfe in Strafrechtsangelegenheiten fast keine Grenzen mehr gesetzt.
    Andererseits tue ich mich natürlich schwer zu argumentieren, dass für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Einspruchs Beratungshilfe gewährt wird, für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Wiedereinsetzungsantrags aber nicht.
    Ich habe überlegt, ob ich den Rechtsanwalt auffordern soll, mir die Begründung für den Wiedereinsetzungsantrag zu nennen. Aber damit würde ich ja die Prüfung der Erfolgsaussichten vorweg nehmen, und das soll in derBeratungshilfe ja gerade nicht Voraussetzung sein.

    Ich bin für jede Idee dankbar!

  • Ich würde mich den Problem über die Mutwilligkeit annähern.

    Welcher kostenbewusste Selbstzahler lässt erst einen Strafbefehl rechtskräftig werden um sich dann wegen der Wiedereinsetzung nach § 44 StGB beraten zu lassen?

    Grundsätzlich würde ich annehmen, dass ein solches Verhalten mutwillig ist. Im begründeten Einzelfall (z.B. unmittelbar nach dem Erhalt des Strafbefehls schwer verunfallt o.ä.) würde sich vielleicht auch ein Selbstzahler beraten lassen, das muss dann aber schlüssig vorgetragen werden.

    Bei den Anträgen nach § 44 SGB X fährt man ja dieselbe Schiene.

  • Welcher kostenbewusste Selbstzahler lässt erst einen Strafbefehl rechtskräftig werden um sich dann wegen der Wiedereinsetzung nach § 44 StGB beraten zu lassen?

    Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller die Frist bewusst hat verstreichen lassen, um hinterher Wiedereinsetzung zu beantragen. Er wird die Frist eben versäumt haben, eventuell mit Verschulden, vielleicht ohne. Das dürfte im Bewilligungsverfahren nicht zu prüfen sein.

    Bei den Anträgen nach § 44 SGB X fährt man ja dieselbe Schiene.

    Das dürfte nicht vergleichbar sein.

  • Bei den Anträgen nach § 44 SGB X fährt man ja dieselbe Schiene.

    Das dürfte nicht vergleichbar sein.[/QUOTE]

    Warum nicht?

    Die Verfassungsgerichtsentscheidung besagt ja (etwas vereinfacht): Die Angelegenheit ist grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist zu klären. Die nachträgliche Prüfung eines bestandskräftigen Bescheids über die Beratungshilfe ist nur im begründeten Einzelfall möglich. Zugegeben, das BVerfG argumentiert unter anderem auch mit kostenrechtlichen Erwägungen, die man im strafprozessualen Bereich nicht heranziehen kann. Das Grundproblem bleibt aber dasselbe.

    Ich gebe dir auch insoweit Recht, dass sich die unzulässige Prüfung der Erfolgsaussichten mit der zwingend vorgeschriebenen Mutwilligkeitsprüfung überlappt.

    Aber würdest du wirklich einem Antragsteller Beratungshilfe gewähren wenn er dir sagt "ich habe die Rechtsmittelfrist halt verpennt, daher will ich mich beraten lassen, ob man da noch was machen kann"? In dieser Situation würde doch kein verständiger Selbstzahler zum Rechtsanwalt gehen.

    Wenn der Antragsteller etwas nachvollziehbares vorträgt, warum er erst jetzt zum Anwalt geht, halte ich wie gesagt eine Bewilligung für möglich. Ob er damit im StPO Verfahren wirklich durchkommen würde, ist erst einmal egal. Der Vortrag muss aber zumindest nachvollziehbar erklären, warum er erst jetzt zum Rechtsanwalt geht. Sonst ist es mutwillig.

  • Warum nicht?

    Im SGB X geht es um eine inhaltliche Neuentscheidung, weil die erste entweder rechtlich falsch war oder von falschen Tatsachen ausgegangen ist.

    Vorliegend geht es darum, ob die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung vorliegen. Dies ist zunächst einmal unabhängig von der Frage, ob ein dann wieder zulässiger Einspruch gegen den Strafbefehl sinnvoll ist.

    Aber würdest du wirklich einem Antragsteller Beratungshilfe gewähren wenn er dir sagt "ich habe die Rechtsmittelfrist halt verpennt, daher will ich mich beraten lassen, ob man da noch was machen kann"? In dieser Situation würde doch kein verständiger Selbstzahler zum Rechtsanwalt gehen.

    Sie Situation des ASt. ist, dass er einen Strafbefehl bekommen hat, gegen den er Einspruch einlegen will, sei es mit dem Ziel eines Freispruchs oder um eine geringere Strafe zu bekommen. Aber die Frist hierfür ist verstrichen. Es gibt die Möglichkeit der Wiedereinsetzung. Meinst du der "verständige Selbstzahler" würde die Sache abhaken und es hinnehmen, dass er jetzt Strafe und Gerichtskosten zahlen muss und einen Eintrag im BZR hat? Oder würde er sich beraten lassen, ob eine Wiedereinsetzung möglich ist? Es geht darum, ob die Inanspruchnahme der Beratung mutwillig ist, nicht das Versäumen der Frist.

    Nochmal: Kaum jemand lässt die Frist sehenden Auges verstreichen und geht davon aus, dass Problem später über Wiedereinsetzung zu lösen. Es mag ein Verschulden vorliegen, das die Wiedereinsetzung ausschließt, aber Vorsatz eher nicht. Und wenn du den Grund berücksichtigen willst, wo ziehst du die Grenze zwischen mutwillig und "Es liegt wohl Verschulden vor, aber keine Mutwilligkeit"?

    Einmal editiert, zuletzt von S.H. (3. Februar 2021 um 11:54)

  • Ich würde mich den Problem über die Mutwilligkeit annähern.

    Welcher kostenbewusste Selbstzahler lässt erst einen Strafbefehl rechtskräftig werden um sich dann wegen der Wiedereinsetzung nach § 44 StGB beraten zu lassen?

    Grundsätzlich würde ich annehmen, dass ein solches Verhalten mutwillig ist. Im begründeten Einzelfall (z.B. unmittelbar nach dem Erhalt des Strafbefehls schwer verunfallt o.ä.) würde sich vielleicht auch ein Selbstzahler beraten lassen, das muss dann aber schlüssig vorgetragen werden.

    Das wäre jetzt auch meine Einschätzung, dass ich dem Anwalt hinausschreiben würde, dass der Bewilligung Bedenken hinsichtlich der Mutwilligkeit entgegenstehen. Dann kann er darauf eingehen und besondere Umstände darlegen.

  • Welcher kostenbewusste Selbstzahler lässt erst einen Strafbefehl rechtskräftig werden um sich dann wegen der Wiedereinsetzung nach § 44 StGB beraten zu lassen?

    Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller die Frist bewusst hat verstreichen lassen, um hinterher Wiedereinsetzung zu beantragen. Er wird die Frist eben versäumt haben, eventuell mit Verschulden, vielleicht ohne. Das dürfte im Bewilligungsverfahren nicht zu prüfen sein.

    Bei den Anträgen nach § 44 SGB X fährt man ja dieselbe Schiene.

    Das dürfte nicht vergleichbar sein.

    :daumenrau

  • Vielen Dank für Eure Hilfe!
    Ich werde den RA anschreiben und mir darlegen lassen, wie er den Antrag begründen wird / begründet hat. Wenn der Antrag klar und offensichtlich unbegründet ist, werde ich den wegen Mutwilligkeit zurückweisen. Ansonsten kriegt er den Schein.

  • Du weißt doch gar nichts darüber. Im Strafrecht wird ja zB dem Angeklagten das Verschulden seines Verteidigers nicht zugerechnet. Wenn der den beauftragten Einspruch verbummelt hat, kann mit dieser Begründung Wiedereinsetzung beantragt werden. Und der Angeklagte kann gar nichts dafür. Ob die Konstellation beratungshilfefähig wäre, bitte ich zu vernachlässigen. Mir geht es nur darum, dass man mal gedanklich von der Mutwilligkeits-Schiene runterkommt.

  • Also der Vergleich mit Bescheiden aus dem Bereich des Sozialrechts hinkt in meinen Augen. Dort wird ja mit der Kostenerstattung im Falle eines erfolgreichen Widerspruchs argumentiert und dass es diese bei einem erfolgreichen Überprüfungsantrag nicht gibt. Und ein kostenbewusster Selbstzahler würde dann in der Theorie innerhalb der Widerspruchsfrist tätig werden.

    Diese Erwägungen spielen aber in dem vorliegenden Sachverhalt gar keine Rolle. Es gibt die Möglichkeit der Wiedereinsetzung und gelegentlich soll diese sogar erfolgreich sein.

    Mutwilligkeit per se zu unterstellen, ist in meinen Augen hier nicht richtig.

  • Ich bin der Meinung, dass a) das gerichtliche Verfahren einer Bewilligung nicht im Weg steht, weil es wegen des Strafbefehls ja eigentlich beendet ist und dass b) keine Mutwilligkeit vorliegt, wenn die Rechtsmittelfrist zwar abgelaufen ist, aber Gründe vorliegen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten das bewerte ich großzügig).

    Die Wiedereinsetzung bewirkt, dass die Frist als nicht abgelaufen gilt.
    Eine Wiedereinsetzung kann nur erfolgen, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.

    Wo sollte da denn bitte Mutwilligkeit vorliegen? Warum würde in dieser Konstellation ein vernünftiger Selbstzahler auf eine anwaltliche Beratung verzichten?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ein verständiger Selbstzahler würde sich eben noch vor Fristablauf um die Angelegenheit kümmern. Daher würde ich schon vortragen lassen, weshalb die Frist versäumt wurde. Bloße Nachlässigkeit geht tendenziell dann in Richtung Mutwilligkeit, je nach Einzelfall. Liegt kein Verschulden vor (der vorgenannte Verkehrsunfall z.B.), würde ich auch zur Bewilligung für die Prüfung der Erfolgsaussichten tendieren.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

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