Nacherbschaft + Nachweis der Entgeltlichkeit

  • Hallo!

    Der befreite Vorerbe verkauft ein Grundstück an X. Im Kaufvertrag schreibt er, dass er nicht mit X verwandt oder verschwägert ist. Er geht von der Entgeltlichkeit aus.
    Ich habe den Nacherben zur Frage der Entgeltlichkeit angehört, der meinte, der Kaufpreis sei weit unter dem Wert des Grundstücks. Grundstücke dieser Nutzungsart werden viel teurer verkauft.
    Die Nachbargrundstücke des nun verkauften Grundstücks weisen die gleiche Nutzungsart auf und erscheinen auch sonst vergleichbar, sie wurden in den letzten Jahren einzeln verkauft, und das für einen erheblich höheren Kaufpreis.
    Was mache ich nun? Laut Rechtsprechung muss ich, wenn der Käufer ein Dritter ist, ja davon ausgehen, dass das Rechtsgeschäft voll entgeltlich ist. Aber die vergleichbaren Nachbargrundstücke wurden für einen so viel höheren Kaufpreis verkauft, dass ich schon Zweifel an der Entgeltlichkeit habe.
    Darf ich in so einem Fall vom Vorerben ein Wertgutachten der Gemeinde anfordern? Das kostet ja auch ganz schön was.
    Oder muss ich eintragen? Bisschen Bauchschmerzen hätte ich dann schon.

  • Die erste Frage ist natürlich, was du eintragen sollst. So lange nicht der Nacherbenvermerk gelöscht oder ein Wirksamkeitsvermerk eingetragen werden soll, ist alles kein Problem. Wenn das aber beantragt ist, würde ich mitteilen, dass auf Grund der vorliegenden Vergleichswerte nicht von vollentgeltlicher Veräußerung ausgegangen werden kann und die Vorlage eines Wertgutachtens verlangen. Bei anderen Anträgen würde ich eintragen, aber vorsorglich einen Hinweis machen.

  • Die erste Frage ist natürlich, was du eintragen sollst. So lange nicht der Nacherbenvermerk gelöscht oder ein Wirksamkeitsvermerk eingetragen werden soll, ist alles kein Problem. Wenn das aber beantragt ist, würde ich mitteilen, dass auf Grund der vorliegenden Vergleichswerte nicht von vollentgeltlicher Veräußerung ausgegangen werden kann und die Vorlage eines Wertgutachtens verlangen. Bei anderen Anträgen würde ich eintragen, aber vorsorglich einen Hinweis machen.

    Wie uschi.

  • Danke für eure Einschätzungen! Ich war mir nicht sicher, ob ich ein Wertgutachten fordern darf, weil es in der Rechtsprechung immer heißt, bei einem Verkauf an einen Dritten ist von der Entgeltlichkeit auszugehen. Dass ein Wertgutachten erforderlich ist, wurde - soweit ich das sehe - von der Rechtsprechung nur bejaht, wenn der Käufer ein naher Verwandter/Lebensgefährte des Vorerben ist...

  • Bei einem Kaufvertrag mit Dritten darf man mangels anderer Anhaltspunkte nach der Lebenserfahrung von voller Entgeltlichkeit ausgehen. In deinem Fall ist dieser Eindruck aber bereits erschüttert.

  • Da alle Möglichkeiten zur Beseitigung des angenommenen Eintragungshindernisses genannt werden müssen, wäre als Alternative auch die Zustimmung der Nacherben zu fordern, und zwar ganz unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass diese nicht erteilt werden wird.

    Was soll denn überhaupt eingetragen werden. Nur eine Auflassungsvormerkung oder gleich die Auflassung?

    Denn im Zuge der Eintragung der Vormerkung kann der Nacherbenvermerk ohnehin noch nicht gelöscht werden (OLG Karlsruhe Rpfleger 2019, 57; OLG München Rpfleger 2020, 383; Bestelmeyer Rpfleger 2015, 177, 186). Das böse Erwachen für die Beteiligten kommt dann im Eintragungsverfahren zum Vollzug der Auflassung.

  • Und deshalb lässt der vorsichtige Notar die Eintragung eines Wirksamkeitsvernerks zur Fälligkeitsvoraussetzung machen. Ob der dann aufgrund Bewilligung der Nacherben oder aufgrund Entgeltlichkeit eingetragen wird, ist dann auch egal.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Im Falle der Löschung des Nacherbenvermerkes ist in der Literatur nichts darüber zu finden, ob ein Gutachten seitens des GBAs angefordert werden darf. Das kenne ich auch nur im Falle der Veräußerung durch einen TV, wenn seine ausführlichen Erklärungen über die Entgeltlichkeit nicht beanstandungsfrei sind. Daher würde ich kein Gutachten verlangen.

    Sofern der Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerkes gestellt wird, ist der Nacherbe anzuhören. Wenn dieser schlüssig darlegt, dass der Wert zu niedrig ist und du davon überzeugt bist, ist entweder dem Notar aufzugeben, die Zustimmung des Nacherben in der Form des § 29 GBO beizubringen oder letztlich der Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerkes zurückzuweisen.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Im Falle der Löschung des Nacherbenvermerkes ist in der Literatur nichts darüber zu finden, ob ein Gutachten seitens des GBAs angefordert werden darf. Das kenne ich auch nur im Falle der Veräußerung durch einen TV, wenn seine ausführlichen Erklärungen über die Entgeltlichkeit nicht beanstandungsfrei sind. Daher würde ich kein Gutachten verlangen....

    Doch. Siehe etwa Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, RN 159 Fußnote 362 oder RN 3491 Fußnote 1403 („die Beweismittelbeschränkung des § 29 GBO gilt für den Entgeltlichkeitsnachweis nicht, vielmehr sind alle Beweismittel zulässig, zB auch ein Sachverständigengutachten über den Grundstückswert, s. Rn. 159 (unrichtig daher LG Freiburg BWNotZ 1982, 17 mit abl. Anm. Schriftl)“).

    Der Beschluss des LG Freiburg vom 23.01.1981, 4 T 133/80, Leitsatz: „Der Nachweis der Entgeltlichkeit einer Verfügung des befreiten Vorerben kann nicht durch das Gutachten eines amtlich bestellten Sachverständigen geführt werden“, hatte die Veräußerung des Erbbaurechts der befreiten Vorerbin an zwei der vier zu Nacherben berufenen Kinder zum Gegenstand. Da der Ertragswert des Erbbaurechts nicht berücksichtigt war, wurde im Wege der Zwischenverfügung die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens verlangt.

    Das LG hat darin jedoch eine im GB-Verfahren unzulässige Beweiserhebung gesehen und dies mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen gleichgestellt.

    Entgegen der Ansicht des LG Freiburg wird in Fällen der verwandtschaftlichen Nähe jedoch allgemein die Vorlage eines Sachverständigengutachtens für richtig gehalten. Das OLG Düsseldorf führt im Beschluss vom 11.01.2008, 3 Wx 228/07,
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…ss20080111.html
    RN 32 aus: „Ob zwischen dem Bet. zu 2 als veräußerndem Vorerben und der erwerbenden Bet. zu 3 ein dem Grundstückswert äquivalenter Gegenwert in Gestalt des Kaufpreises eventuell in Verbindung mit anderen geldwerten Leistungen zu Grunde lag, hätten die Bf. mit Rücksicht auf die besonderen Gegebenheiten des Falls letztlich nur durch ein von ihnen beizubringendes Wertgutachten belegen können. Ebenso OLG Köln, Beschluss vom 03. Dezember 2018, 2 Wx 372/18, RN 22
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koel…s_20181203.html
    sowie die weiteren Nachweise bei M. Schmidt in Erman BGB, 16. Auflage 2020, § 2113 BGB, RN 20.

    Vorliegend ist nach Angaben des Vorerben ein solches Näheverhältnis nicht gegeben.

    Daher wird es darauf ankommen, ob es objektiv tatsächlich an einer unzureichenden Gegenleistung fehlt und subjektiv der Vorerbe das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen (BGH, NJW 1984, 366; Lieder im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2113 BGB RN 41 mwN in Fußnote 132).

    Das ist nach Ansicht des OLG Braunschweig dann der Fall, wenn die Gegenleistung 20 % hinter dem objektiven Wert zurückbleibt. Es führt im Beschluss vom 11. November 1993, 4 W 13/93, in Rz. 18 aus (Hervorhebung durch mich): „Unentgeltlichkeit i.S.d. § 2113 Abs.2 BGB setzt subjektiv voraus, dass die Vorerbin die Unzulänglichkeit der Gegenleistungsverpflichtung der Beklagten erkannt hat oder doch bei ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen (RGZ 159, 385, 389; Staudinger- Behrens a.a.O., Rdnr. 62). Hierzu haben die Parteien Näheres nicht vorgetragen. Bei einer Wertdifferenz von 20 %, um die der von der Beklagten zu entrichtende Kaufpreis von 40.000,-- DM hinter dem Wert der mit dem Nießbrauch belasteten Wohnungshälfte von 50.000,-- DM zurückbleibt, kann von der Erkennbarkeit des wirtschaftlichen Ungleichgewichts jedoch ausgegangen werden. Da es auf die objektive Erkennbarkeit bei ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung ankommt, spielt es auch keine Rolle, ob die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 88 Jahre alte Vorerbin die Unzulänglichkeit der Gegenleistung selbst erkannt hat oder ihr aus dem Nichterkennen ein persönlicher Vorwurf zu machen ist“.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich hänge mich hier mal ran, weil ich etwas Rückversicherung in einer Vertretungsakte brauche:

    Im Grundbuch ist ein Nacherbenvermerk eingetragen. Nacherben sind A und B, ersatzweise deren Abkömmlinge.
    Eigentümerin und Vorerbin ist C, die Mutter von A.

    C verkauft den Grundbesitz an ihren Sohn A und dessen Lebensgefährten. Nacherbe B wirkt nicht mit. Es soll eingetragen werden eine Auflassungsvormerkung mit Wirksamkeitsvermerk gegenüber dem Nacherbenvermerk und eine Grundschuld.

    Meine Kollegin hat B angehört, diese hat sich geäußert, "vorsorglich" Einwendungen geltend gemacht und um Fristverlängerung gebeten. Danach war trotz, Hinweis der Kollegin, dass unbegründete Einwendungen unbeachtet bleiben, Schweigen im Walde.

    Ich war spontan dabei, dass ich jetzt nach (erneutem) Fristablauf eintragen kann, aber nach dem Lesen von [FONT=verdana, geneva, lucida, lucida grande, arial, helvetica, sans-serif]OLG Köln, Beschluss vom 03. Dezember 2018, 2 Wx 372/18, habe ich meine Meinung geändert. [/FONT]
    [FONT=verdana, geneva, lucida, lucida grande, arial, helvetica, sans-serif]Mein Gedankengang, so wie ich den Beschluss verstehe: die allgemeine Erfahrung besagt, dass einem Fremden nichts geschenkt wird und ich deshalb davon ausgehen kann, dass keine (Teil-) Unentgeltlichkeit vorliegt. Der Nacherbe erhält aber Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen. Wenn er nichts (begründetes) einwendet, greife ich auf den Erfahrungssatz zurück.
    Hier habe ich aber zwischen Veräußerer und Erwerbern ein Näheverhältnis, sodass es sich nicht um "Fremde" handelt. Deshalb hilft es auch nicht, wenn der Nacherbe angehört wird und schweigt, denn ich kann wegen des Näheverhältnisses nicht auf den allgemeinen Erfahrungssatz zurückgreifen.

    Danach würde ich nun ein Verkehrswertgutachten anfordern.

    Wie seht ihr das?

    P.S.: Liegenlassen ist leider keine Option [/FONT];)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Schon erledigt, danke euch. Rechtsmittel ist auch schon angekündigt. Mal sehen, ob es denn wirklich eingeht ...

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Update: Es ist ein Rechtsmittel eingegangen, ich habe nicht abgeholfen und das OLG Köln hat die Beschwerde zurückgewiesen.
    Tenor war, dass in Fällen eines persönlichen Näheverhältnisses die vollständige Entgeltlichkeit durch Vorlage von Wertgutachten und/oder Verwendungsnachweisen zu belegen ist. Dass der angehörte Nacherbe seine Einwendungen nicht weiter konkretisiert hat sei unerheblich, da dies das Grundbuchamt nicht von der Pflicht zur eigenständigen Prüfung entbinde.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Guten Morgen,

    ich soll auch gleichzeitig einen Wirksamkeitsvermerk bei der AV eintragen. Anhörung ist erfolgt und ein Gutachten liegt auch vor.

    Wie würde der jetzt lauten? Ich würde eventuell so schreiben: "Das Recht ist den Nacherben gegenüber wirksam"

    Spricht etwas dagegen?

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