Rechtskraft abwarten?

  • Hallo ihr Lieben,

    ich habe mal eine allgemeine Frage. Anlässlich der Geschäftsprüfung der Geschäftsstellen, wurde seitens der Prüferin (in meinen Augen schon frecherweise) darauf aufmerksam gemacht, dass bei Kontofreigaben die Beschlüsse immer vorläufig vollstreckbar seien und nicht von der Rechtskraft abhängig gemacht werden dürfen. ich habe nun an drei Gerichten M-Sachen bearbeitet. In unstrittigen Sachen habe ich keine Abhängigkeit beschlossen. Aber bei den meisten Freigaben ist es mir schlichtweg zu heikel da keine Abhängigkeit reinzunehmen, denn wenn gegen den Beschluss RM eingelegt wird und ich dem RM abhelfen muss, dann ist das Geld ja bereits längst an den Schuldner ausgezahlt.

    Mich würde daher interessieren wie und was ihr in euren Beschlüssen so aufnehmt?

  • Im Grunde steht im Bericht: "Im Rahmen von Entscheidungen zu Kontofreigaben wird die Rechtskraft abgewartet, und eine Ausfertigung mit RK-Vermerk dem Drittschuldner zusätzlich übersandt. Beschlüsse sind grundsätzlich vorläufig vollstreckbar und werden nicht erst mit Rechtskraft wirksam. Die Handhabung sollte überprüft werden."

  • Ich finde da wird in die sachliche Unabhängigkeit des Entscheiders gefuchtelt. :eek: Das hat m.E. nichts mit einer Geschäftsstellenprüfung zu tun. Also hier wird immer abhängig gemacht und die Wirksamkeit auf die Rechtskraft aufgeschoben, es sei denn er ist völlig unproblematisch (Zustimmung Gläubiger, unstreitig). Wenn die GK Gläubiger ist und man das nicht macht gibt es von dort einen Rüffel. Es hat sich hiergegen auch noch nie jemand gewehrt. Schuldner sind nur wegen der Verfahrensdauer immer etwas ungehalten.


  • Am hiesigen Gericht wird es ähnlich wie bei dir gehandhabt, d. h. bei problematischen Erhöhungen erfolgt Abhängigmachung von der Rechtskraft.

    Hier auch.

    Geht in der Geschäftsprüfung niemanden was an. Im Übrigen ist schon die Begrifflichkeit falsch, solche Beschlüsse sind nicht "vorläufig vollstreckbar"...

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Falls Du eine Stellungnahme zu dieser Prüfung abgeben mußt: Ich habe in eine solche abverlangte Stellungnahme mal sinngemäß reingeschrieben, daß es bei der nächsten Prüfung hilfreich wäre, damit jemanden mit hinreichender Sachkenntnis zu betrauen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Ich hätte nicht das geringste Problem damit, die Handhabung zu überprüfen... festzustellen, dass ich brillant bin, alles richtig gemacht habe, weiterhin so handhaben werde und im Übrigen § 9 RpflG auf meiner Seite zu haben. ;)
    Warum das in einer Geschäftsstellenprüfung thematisiert wird? Keine Ahnung. Ich habe schon Bezirksrevisoren erlebt, die in ihrer Eigenschaft als Rechtspfleger zur Vertretung an andere Gerichte geschickt wurden und kurze Zeit später hagelte es Bezi-Erinnerungen in PKH-Verfahren, weil man die Gelegenheit einfach mal für eine außerplanmäßige Akten...durchsicht genutzt hat.

    Tief durchatmen, mit den Schultern zucken, sich über § 9 RpflG freuen und abhaken.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Ich hätte nicht das geringste Problem damit, die Handhabung zu überprüfen... festzustellen, dass ich brillant bin, alles richtig gemacht habe, weiterhin so handhaben werde und im Übrigen § 9 RpflG auf meiner Seite zu haben. ;)
    Warum das in einer Geschäftsstellenprüfung thematisiert wird? Keine Ahnung. Ich habe schon Bezirksrevisoren erlebt, die in ihrer Eigenschaft als Rechtspfleger zur Vertretung an andere Gerichte geschickt wurden und kurze Zeit später hagelte es Bezi-Erinnerungen in PKH-Verfahren, weil man die Gelegenheit einfach mal für eine außerplanmäßige Akten...durchsicht genutzt hat.

    Tief durchatmen, mit den Schultern zucken, sich über § 9 RpflG freuen und abhaken.

    Ja, ich habe nun schon mehrfach durchgeatmet und bin eigentlich wieder ganz ruhig.

    Mich interessierte in erster Linie wie die Handhabung bei anderen Gerichten ist. Ich bin auch nicht unfehlbar. Hätte ja sein können, dass es alle so wie die Prüferin praktizieren und ich stehe allein mit meiner Meinung da. Das dem nicht so ist, beruhigt mich und ich warte nun das Gespräch mit der Verwaltung ab, denn diese möchte nun die diversen Verbesserungsvorschläge mit uns besprechen :roll:.

  • Ich mache meine Entscheidung i.d.R. nicht von der Rechtskraft abhängig, außer es ist gesetzlich vorgesehen, z.B. § 765a Abs. 5 ZPO oder in Sachen, wo ich aus dem Verfahrensverlauf ersehen kann, dass die Sache eh in die Rechtsmittelinstanz geht.

    Gleichwohl finde ich es höchst unglücklich, wenn in einen Geschäftsstellenprüfungsbericht Punkte aufgeführt werden, welche außerhalb der Einflussmöglichkeit der Geschäftsstelle selbst liegen.

  • Dass der Beschluss erst mit Rechtskraft wirksam wird nehme ich auch nie in den Beschluss mit auf.

    Das Gericht sollte den Zeitpunkt des Wirksamwerdens in der Entscheidung ausdrücken. Unmittelbare rechtliche Wirkungen hat diese Klarstellung oder ihr Fehlen jedoch nicht, auch nicht gegenüber Dritten (vgl. aber OLG Stuttgart NJW 1961, 34)
    (BeckOK ZPO/Ulrici, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 765a Rn. 18.3)

    Welchen vollstreckungsfähigen Inhalt sollte denn ein Kontofreigabebeschluss haben?

    Verbesserungsvorschläge der Verwaltung sollte man sich zwar anhören, aber auch auf § 9 RpflG hinweisen.

  • Ich nehme diese Anordnung grundsätzlich mit auf, es sei denn, es sind besonders klare Fälle, wo ich z.B. gängige BGH Rechtsprechung im Rücken habe.
    Ich weise allerdings die Schuldner auch meist umgehend darauf hin. Wie schon durch die Vorposter erwähnt führt dies oft zu Unmut, aber das ist nicht mein Schuh.

    Gleichwohl ist es natürlich so, dass es keine gesetzliche Grundlage gibt und eine Analogie über den §765a ZPO wohl schwer fallen dürfte.

    Dennoch sehe ich mich da durch die allgemeine (leider glaube ich ausschließlich erstinstanzliche) Rechtsprechung bestätigt.
    Es ist meiner Meinung nach auch tunlich. Ich würde ansonsten einen umgehend wirksamen Beschluss erlassen, in einer streitigen Angelegenheit und der Schuldner schafft Fakten und hebt -nach landgerichtlicher Meinung- zu unrecht das Geld ab.

    Eine Reparaturmöglichkeit gibt es regelmäßig nicht. Der Schuldner war vielleicht hier nur zufällig einmal an eine große Summe Geld gekommen.
    Ob nun aufgrund fehlender gesetzlicher Normierung in so einem Fall eine Schadensersatzpflicht des Landes überhaupt bestünde, sei mal dahingestellt, die Gesichter der Verwaltung würde ich dann aber trotzdem gerne sehen, nachdem man den RPfl. "freundlich aber bestimmt" versucht hätte, auf die Abhängigmachung zu verzichten ...

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Handhabe es wie die (meisten) Vorredner. Bei unstreitigen Sachen mache ich es nicht von der Rechtskraft abhängig, sobald die Entscheidung zumindest streitig ist, übersende ich den Freigabebeschluss an den Drittschuldner erst nach Eintritt der Rechtskraft inklusive Vermerk.

  • Bei Entscheidungen nach §765a ZPO greift automatisch § 765a Abs. 5 ZPO, so dass die Wirksamkeit der Aufhebung von der Rechtskraft abhängig zu machen ist.

    Bei der Erinnerung sollte zwecks Rangwahrung bei Aufhebung auch immer von der Rechtskraft abhängig gemacht werden, vgl. Zöller/Herget ZPO, 33. Aufl, § 766 Rn. 30. Auch andere (teilweise) Pfändungsaufhebungen sollten von der Rechtskraft abhängig gemacht werden, vgl. LG Hannover, Beschluss vom 16.04.2020, -92 T 28/20-

  • Bei Entscheidungen nach §765a ZPO greift automatisch § 765a Abs. 5 ZPO, so dass die Wirksamkeit der Aufhebung von der Rechtskraft abhängig zu machen ist.

    Bei der Erinnerung sollte zwecks Rangwahrung bei Aufhebung auch immer von der Rechtskraft abhängig gemacht werden, vgl. Zöller/Herget ZPO, 33. Aufl, § 766 Rn. 30. Auch andere (teilweise) Pfändungsaufhebungen sollten von der Rechtskraft abhängig gemacht werden, vgl. LG Hannover, Beschluss vom 16.04.2020, -92 T 28/20-

    Die Entscheidung hört sich interessant an, kann sie aber weder im Internet, noch Beck oder Juris finden :confused::(

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    :daumenrau :teufel:

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  • Handhabe es wie die (meisten) Vorredner. Bei unstreitigen Sachen mache ich es nicht von der Rechtskraft abhängig, sobald die Entscheidung zumindest streitig ist, übersende ich den Freigabebeschluss an den Drittschuldner erst nach Eintritt der Rechtskraft inklusive Vermerk.

    Der DS könnte doch aber auch etwas gegen den Beschluss haben?

  • Handhabe es wie die (meisten) Vorredner. Bei unstreitigen Sachen mache ich es nicht von der Rechtskraft abhängig, sobald die Entscheidung zumindest streitig ist, übersende ich den Freigabebeschluss an den Drittschuldner erst nach Eintritt der Rechtskraft inklusive Vermerk.

    Der DS könnte doch aber auch etwas gegen den Beschluss haben?

    Ja, richtigerweise stellt man auch an den drittschuldner gleich zu und übersendet dann noch mal mit rechtskraftvermerk

  • Ich persönlich stelle bei RK-Abhängigkeit den Beschluß erst dann an den Drittschuldner zu, wenn Rechtskraft eingetreten ist.

    Das vermeidet Mißverständnisse; im Übrigen dürfte der Drittschuldner in der Regel ohnehin kein Beschwerderecht haben.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Ich persönlich stelle bei RK-Abhängigkeit den Beschluß erst dann an den Drittschuldner zu, wenn Rechtskraft eingetreten ist.

    Das vermeidet Mißverständnisse; im Übrigen dürfte der Drittschuldner in der Regel ohnehin kein Beschwerderecht haben.

    So sehe und handhabe ich das auch.

    Welches Beschwerderecht sollte der Drittschuldner haben, wenn ich dem Schuldner auf seinen Antrag hin den pfändungsfreien Betrag erhöhe? :gruebel:

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