Tod des Schuldners in WVP - Nachtragsverteilung

  • Hallo, wir diskutieren im Kollegenkreis folgende Frage:
    Der Schuldner verstirbt in der WVP. Mit der Mitteilung des Todes wurde die Nachtragsverteilung beantragt, da die Nachlasspflegerin Kenntnis von Lebensversicherungen erhalten hat, die dem Insolvenzverwalter unbekannt waren. Mein Kollege hat hier das Verfahren nicht nach dem Tod des Schuldners für beendet erklärt, sondern wegen der nachträglich bekannt gewordenen Masse noch in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet. Hätte nicht die Überleitung unterbleiben, das Verfahren zwar für beendet erklärt werden, aber noch die Nachtragsverteilung angeordnet werden müssen? Die Überleitung nach Verfahrensaufhebung nur wegen der Nachtragsverteilung kommt mir nicht richtig vor. Aber ich finde nichts dazu...

  • Die Verfahrensweise käme ja der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von Amts wegen gleich, was nicht vorgesehen ist.

    Hingegen kann die Anordnung der Nachtragsverteilung von Amts wegen erfolgen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Es ist - soweit ersichtlich - unbestritten, dass § 299 InsO entsprechend anzuwenden ist, wenn der Schuldner seinen Restschuldbefreiungsantrag zurücknimmt, der Antrag für erledigt erklärt wird oder das Verfahren durch den Tod des Schuldners sein Ende findet.
    (BGH, Beschluß vom 17. 3. 2005 - IX ZB 214/04)

    Dagegen endet mit dem Tod des Schuldners die Wohlverhaltensphase vorzeitig in analoger Anwendung des § 299 (BGH NZI 2005, 399 mit insoweit abl Anm Ahrens NZI 2005, 402; HK-Waltenberger § 299 Rn 4; MüKoInsO-Ehricke § 299 Rn 16; K. Schmidt/Henning § 286 nF Rn 10, § 299 Rn 5).
    (Uhlenbruck/Sternal, 15. Aufl. 2019, InsO § 299 Rn. 11)

    Wobei ich jetzt überlege, ob ich nach § 299 InsO plattmache und dann die NTV anordne oder erst die NTV anordne und dann plattmache. :gruebel:

  • Okay, verstehe ich richtig, für die Überleitung ist kein Raum. In der WVP verstorben = immer (!) für beendet erklären. Der Anordnung der Nachtragsverteilung hingegen steht nicht entgegen dass der Schuldner verstorben ist. Mir würde auch kein Grund einfallen warum das anders sein sollte. Ich würde dazu tendieren erst die Nachtragsverteilung anzuordnen und dann das Restschuldbefreiungsverfahren für beendet zu erklären.

  • Falls die Kosten der WVP über die Stundung gedeckt sind, wäre es vielleicht besser, zunächst diese aufzuheben. Ansonsten läuft man in die Gefahr noch ein weiteres Jahr die Vergütung aus der Staatskasse bezahlen zu müssen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)


  • Wobei ich jetzt überlege, ob ich nach § 299 InsO plattmache und dann die NTV anordne oder erst die NTV anordne und dann plattmache. :gruebel:

    Spielt das denn überhaupt eine Rolle? Nachtragsverteilung und WVP sind doch vollkommen unabhängig voneinader.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer


  • Wobei ich jetzt überlege, ob ich nach § 299 InsO plattmache und dann die NTV anordne oder erst die NTV anordne und dann plattmache. :gruebel:

    Spielt das denn überhaupt eine Rolle? Nachtragsverteilung und WVP sind doch vollkommen unabhängig voneinader.

    Das stimmt

    Die WVP ist durch den Tod beendet, m.E ist das auch nur ein klarstellender Beschluss.
    Die NTV sollte schnellstmöglich angeordnet werden, da erst ab Anordnung der Massebeschlag wieder da ist


  • Die WVP ist durch den Tod beendet, m.E ist das auch nur ein klarstellender Beschluss.
    Die NTV sollte schnellstmöglich angeordnet werden, da erst ab Anordnung der Massebeschlag wieder da ist

    Bedeutet das, dass bis zur Anordnung der NTV der Erbe (bzw. der ihn vertretende Nachlasspfleger) frei über das von ihm noch vorgefundene Nachlassvermögen verfügen kann?

    Es geht mir um die Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 324 InsO, also Bestattungskosten, Kosten der Nachlasspflegschaft usw..

    Verstirbt der Schuldner im laufenden Insolvenzverfahren, wird dieses in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet mit der Konsequenz, dass nun weitere Massegläubiger des § 324 InsO hinzukommen und vorrangig befriedigt werden.

    Verstirbt der Schuldner - wie hier - nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in der WVP, wird empfohlen, so schnell wie möglich eine NTV von Amts wegen anzuordnen.

    Das würde dann aber dazu führen, dass eigentlich die bevorrechtigten Massegläubiger nach § 324 InsO gänzlich unberücksichtigt blieben und dem Erben die Möglichkeit genommen würde, die persönliche Haftung über ein Nachlassinsolvenzverfahren auf den Nachlass zu beschränken.

    Dem Nachlasspfleger wäre wohl anzuraten, zeitnah einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen, bevor das Insolvenzgericht auf die Idee kommt, eine Nachtragsverteilung von Amts wegen anzuordnen. Gleiches dürfte für den Erben gelten oder für den Angehörigen, der die Erbschaft ausgeschlagen, aber aufgrund der Bestattungspflicht die Bestattungskosten getragen hat und diese nun im Nachlassinsolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit gemäß § 324 InsO anmelden möchte.

  • Äh, ich steh jetzt etwas auf dem Schlauch ! Ein aufgehobenes Verfahren wird in irgendwas übergleietet, vlt. auch noch in ein Universalverfahren nach der EUInsVO ?
    Es würde sich sonst noc ein Paritkularverfahren anbieten.
    Wiesos sollte eine nicht massezugehörige LV qua Abtretungserklärung laufender Einnahmen nun plötzlich in einer nachtragsverteilungsfähigen Masse befinden ?

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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  • Wiesos sollte eine nicht massezugehörige LV qua Abtretungserklärung laufender Einnahmen nun plötzlich in einer nachtragsverteilungsfähigen Masse befinden ?

    Nach der Frage ging ich davon aus, dass wir von einer massezugehörigen LV reden, die nur bis zum Tod dem IV nicht bekannt war und daher klassischer Fall einer NTV

  • Ich gehe auch davon aus, dass hier massezugehörige Lebensversicherungen gemeint sind.

    Verstirbt der Schuldner - wie hier - nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in der WVP, wird empfohlen, so schnell wie möglich eine NTV von Amts wegen anzuordnen.

    Das würde dann aber dazu führen, dass eigentlich die bevorrechtigten Massegläubiger nach § 324 InsO gänzlich unberücksichtigt blieben und dem Erben die Möglichkeit genommen würde, die persönliche Haftung über ein Nachlassinsolvenzverfahren auf den Nachlass zu beschränken.

    Richtig ist, dass die Massegläubiger nach § 324 InsO dadurch benachteiligt werden. Die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung über ein Nachlassinsolvenzverfahren wird dem Erben allerdings nicht genommen, auch wenn dies dann im Zweifel mit einer Abweisung mangels Masse und der Dürftigkeitseinrede endet (was natürlich ein Minus gegenüber einem "vollständigen" Nachlassinsolvenzverfahren darstellt).

    In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nachträglich aufgefundene Massegegenstände in der Regel daraus resultieren, dass der Schuldner sie im Antrag bzw. im Verfahren verschwiegen hat. Insofern würde eine Nachtragsverteilung zu einer Betroffenheit bis zum Ableben des Schuldners unbeteiligter Dritter durch pflichtwidriges Verhalten des Schuldners führen bzw. umgekehrt zu einer Begünstigung der Insolvenzgläubiger.

    Allerdings halte ich die Anordnung der Nachtragsverteilung über einen massezugehörigen Gegenstand nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach dem Tod des Schuldners in der WVP für nicht möglich bzw. nicht zulässig, da die nach § 204 Abs. 2 InsO erforderliche Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner naturgemäß nicht mehr möglich ist. Bei diesem Verständnis tritt auch die von DerNachlasspfleger angeführte Benachteiligung nicht ein, weil der Gegenstand dann Insolvenzmasse im folgenden Nachlassinsolvenzverfahren ist.

  • I
    Allerdings halte ich die Anordnung der Nachtragsverteilung über einen massezugehörigen Gegenstand nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach dem Tod des Schuldners in der WVP für nicht möglich bzw. nicht zulässig, da die nach § 204 Abs. 2 InsO erforderliche Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner naturgemäß nicht mehr möglich ist.

    Wieso sollte es nicht möglich sein an den REchtsnachfolger des Sch bzw. dessen Vertreter (Erben, NL-Pfleger ...) wirksam zuzustellen

  • Es ist schon richtig, dass die Möglichkeit des Erben oder der Nachlassgläubiger, einen Nachlassinsolvenzantrag zu stellen, durch eine Nachtragsverteilung nicht genommen werden würde.

    In vorliegendem Fall ist eine Nachlasspflegerin bestellt. Für ihre Vergütung muss der gesamte Aktivnachlass herangezogen werden. "Bestehende Nachlassverbindlichkeiten bleiben dagegen außer Betracht, da ansonsten eine unangebrachte Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der Staatskasse bestünde (OLG München Rpfleger 2006, 405 (406); MüKoBGB/Leipold, 5. Aufl., § 1960 Rn. 72)" (OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.09.2012 I-3 Wx 308/11 https://openjur.de/u/580485.html).

    Würde eine Nachtragsverteilung vorgenommen werden, müsste die Nachlasspflegerin im Zweifel eine Vergütung zu Lasten der Staatskasse beanspruchen. Die Nachtragsverteilung würde in diesem Fall bewirken, dass die Staatskasse mittelbar Insolvenzgläubiger des Erblassers befriedigt.

    Stellt die Nachlasspflegerin zeitnah nach der NTV einen Insolvenzantrag, so bedeutet das nicht zwingend, dass dieser Antrag mangels Masse abgewiesen würde. Der Sachverständige im Insolvenzantragsverfahren müsste prüfen, ob Anfechtungstatbestände der §§ 129 InsO ff. vorliegen. Die könnten nach §§ 130, 131 InsO gegeben sein, denn Insolvenzgläubiger des Erblassers sind eben nicht nur die, die an der Nachtragsverteilung teilgenommen haben, sondern auch Gläubiger, die nicht am ursprünglichen Insolvenzverfahren teilgenommen haben (Vermieter, Telekom, Energieversorger pp.). Diese wären durch die Rechtshandlung der NTV benachteiligt.

    Bei den §§ 130, 131 InsO kommt es im Gegensatz zum § 133 Abs. 1 InsO nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, dass der Schuldner die Rechtshandlung vorgenommen hat. Die anfechtbare Rechtshandlung kann auch vom Insolvenzverwalter im Rahmen der Nachtragsverteilung vorgenommen werden.

    Insoweit könnte der Insolvenzverwalter des Nachlassinsolvenzverfahrens die Rechtshandlung des Insolvenzverwalters, der die Nachtragsverteilung vorgenommen hat, gegenüber den Insolvenzgläubigern des ursprünglichen Insolvenzverfahrens nach §§ 130, 131 InsO anfechten und die Nachtragsverteilung wieder rückgängig machen.

    Meines Erachtens läuft eine Nachtragsverteilung nach Tod des Schuldners dem Zweck des Insolvenzverfahrens, eine "gemeinschaftliche" Befriedigung der Gläubiger im Sinne von § 1 InsO durchzuführen, zuwider, da nach dem Tod durch NTV eben nicht alle Nachlassgläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden.

    Eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger kann nur durch die Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens erreicht werden. Überdies wäre auch eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger durch die Nachlasspflegerin möglich und zulässig, sofern zunächst ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung der Nachlassgläubiger nach § 1970 BGB durchgeführt werden, und der Nachlass dann an die im Ausschließungsbeschluss aufgeführten Gläubiger quotiert werden würde (vgl. Schulz in Schulz (Hrsg.) Handbuch Nachlasspflegschaft, 2. Aufl. § 9 Rn. 104 ff.). Im Falle der außergerichtlichen Quotierung können die Gläubiger mit deutlich höheren Quoten rechnen als beim Nachlassinsolvenzverfahren. Daher ist sie bei Gläubigern und Nachlasspflegern in der Praxis sehr beliebt.

  • In vorliegendem Fall ist eine Nachlasspflegerin bestellt. Für ihre Vergütung muss der gesamte Aktivnachlass herangezogen werden. "Bestehende Nachlassverbindlichkeiten bleiben dagegen außer Betracht, da ansonsten eine unangebrachte Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der Staatskasse bestünde (OLG München Rpfleger 2006, 405 (406); MüKoBGB/Leipold, 5. Aufl., § 1960 Rn. 72)" (OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.09.2012 I-3 Wx 308/11 https://openjur.de/u/580485.html).

    Würde eine Nachtragsverteilung vorgenommen werden, müsste die Nachlasspflegerin im Zweifel eine Vergütung zu Lasten der Staatskasse beanspruchen. Die Nachtragsverteilung würde in diesem Fall bewirken, dass die Staatskasse mittelbar Insolvenzgläubiger des Erblassers befriedigt.


    Bist Du Dir da sicher? Die Anordnung der NTV führt mE zur Anwendung auch des § 324 InsO i.V.m. § 206 InsO. Die Kosten des Nachlasspflegers wären somit in den Grenzen des 3 209 InsO von der Masse zu tragen.

    Stellt die Nachlasspflegerin zeitnah nach der NTV einen Insolvenzantrag, so bedeutet das nicht zwingend, dass dieser Antrag mangels Masse abgewiesen würde. Der Sachverständige im Insolvenzantragsverfahren müsste prüfen, ob Anfechtungstatbestände der §§ 129 InsO ff. vorliegen. Die könnten nach §§ 130, 131 InsO gegeben sein, denn Insolvenzgläubiger des Erblassers sind eben nicht nur die, die an der Nachtragsverteilung teilgenommen haben, sondern auch Gläubiger, die nicht am ursprünglichen Insolvenzverfahren teilgenommen haben (Vermieter, Telekom, Energieversorger pp.). Diese wären durch die Rechtshandlung der NTV benachteiligt.

    Bei den §§ 130, 131 InsO kommt es im Gegensatz zum § 133 Abs. 1 InsO nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, dass der Schuldner die Rechtshandlung vorgenommen hat. Die anfechtbare Rechtshandlung kann auch vom Insolvenzverwalter im Rahmen der Nachtragsverteilung vorgenommen werden.

    Insoweit könnte der Insolvenzverwalter des Nachlassinsolvenzverfahrens die Rechtshandlung des Insolvenzverwalters, der die Nachtragsverteilung vorgenommen hat, gegenüber den Insolvenzgläubigern des ursprünglichen Insolvenzverfahrens nach §§ 130, 131 InsO anfechten und die Nachtragsverteilung wieder rückgängig machen.

    Meines Erachtens läuft eine Nachtragsverteilung nach Tod des Schuldners dem Zweck des Insolvenzverfahrens, eine "gemeinschaftliche" Befriedigung der Gläubiger im Sinne von § 1 InsO durchzuführen, zuwider, da nach dem Tod durch NTV eben nicht alle Nachlassgläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden.

    Eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger kann nur durch die Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens erreicht werden. Überdies wäre auch eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger durch die Nachlasspflegerin möglich und zulässig, sofern zunächst ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung der Nachlassgläubiger nach § 1970 BGB durchgeführt werden, und der Nachlass dann an die im Ausschließungsbeschluss aufgeführten Gläubiger quotiert werden würde (vgl. Schulz in Schulz (Hrsg.) Handbuch Nachlasspflegschaft, 2. Aufl. § 9 Rn. 104 ff.). Im Falle der außergerichtlichen Quotierung können die Gläubiger mit deutlich höheren Quoten rechnen als beim Nachlassinsolvenzverfahren. Daher ist sie bei Gläubigern und Nachlasspflegern in der Praxis sehr beliebt.

    Darüber kann man streiten. Ist bei einer angeordneten NTV ein weiterer Insolvenzantrag überhaupt zulässig und wenn ja, welche Gläubiger dürfen an diesem Verfahren teilnehmen, IX ZB 189/03, IX ZB 175/10, so dass es zu einer Gläubigerbenachteiligung kommen könnte?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Würde eine Nachtragsverteilung vorgenommen werden, müsste die Nachlasspflegerin im Zweifel eine Vergütung zu Lasten der Staatskasse beanspruchen. Die Nachtragsverteilung würde in diesem Fall bewirken, dass die Staatskasse mittelbar Insolvenzgläubiger des Erblassers befriedigt.


    Bist Du Dir da sicher? Die Anordnung der NTV führt mE zur Anwendung auch des § 324 InsO i.V.m. § 206 InsO. Die Kosten des Nachlasspflegers wären somit in den Grenzen des 3 209 InsO von der Masse zu tragen.

    Nein, sicher bin ich mir nicht. Ich war davon ausgegangen, dass die Nachtragsverteilung nur Gläubiger des beendeten Insolvenzverfahrens betrifft. Wenn man § 324 InsO in der NTV anwenden würde, würden zumindest die Massegläubiger nicht benachteiligt. Aber: Recherchiert der Insolvenzverwalter im Rahmen der NTV, wer z.B. die Bestattungskosten getragen hat?

    Stellt die Nachlasspflegerin zeitnah nach der NTV einen Insolvenzantrag, so bedeutet das nicht zwingend, dass dieser Antrag mangels Masse abgewiesen würde. Der Sachverständige im Insolvenzantragsverfahren müsste prüfen, ob Anfechtungstatbestände der §§ 129 InsO ff. vorliegen. Die könnten nach §§ 130, 131 InsO gegeben sein, denn Insolvenzgläubiger des Erblassers sind eben nicht nur die, die an der Nachtragsverteilung teilgenommen haben, sondern auch Gläubiger, die nicht am ursprünglichen Insolvenzverfahren teilgenommen haben (Vermieter, Telekom, Energieversorger pp.). Diese wären durch die Rechtshandlung der NTV benachteiligt.

    Bei den §§ 130, 131 InsO kommt es im Gegensatz zum § 133 Abs. 1 InsO nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, dass der Schuldner die Rechtshandlung vorgenommen hat. Die anfechtbare Rechtshandlung kann auch vom Insolvenzverwalter im Rahmen der Nachtragsverteilung vorgenommen werden.

    Insoweit könnte der Insolvenzverwalter des Nachlassinsolvenzverfahrens die Rechtshandlung des Insolvenzverwalters, der die Nachtragsverteilung vorgenommen hat, gegenüber den Insolvenzgläubigern des ursprünglichen Insolvenzverfahrens nach §§ 130, 131 InsO anfechten und die Nachtragsverteilung wieder rückgängig machen.

    Meines Erachtens läuft eine Nachtragsverteilung nach Tod des Schuldners dem Zweck des Insolvenzverfahrens, eine "gemeinschaftliche" Befriedigung der Gläubiger im Sinne von § 1 InsO durchzuführen, zuwider, da nach dem Tod durch NTV eben nicht alle Nachlassgläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden.

    Eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger kann nur durch die Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens erreicht werden. Überdies wäre auch eine gemeinschaftliche Befriedigung der Nachlassgläubiger durch die Nachlasspflegerin möglich und zulässig, sofern zunächst ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung der Nachlassgläubiger nach § 1970 BGB durchgeführt werden, und der Nachlass dann an die im Ausschließungsbeschluss aufgeführten Gläubiger quotiert werden würde (vgl. Schulz in Schulz (Hrsg.) Handbuch Nachlasspflegschaft, 2. Aufl. § 9 Rn. 104 ff.). Im Falle der außergerichtlichen Quotierung können die Gläubiger mit deutlich höheren Quoten rechnen als beim Nachlassinsolvenzverfahren. Daher ist sie bei Gläubigern und Nachlasspflegern in der Praxis sehr beliebt.

    Darüber kann man streiten. Ist bei einer angeordneten NTV ein weiterer Insolvenzantrag überhaupt zulässig und wenn ja, welche Gläubiger dürfen an diesem Verfahren teilnehmen, IX ZB 189/03, IX ZB 175/10, so dass es zu einer Gläubigerbenachteiligung kommen könnte?

    Ich frage mich, ob das überhaupt ein weiterer Insolvenzantrag im Sinne der von Dir zitierten Rechtsprechung wäre, denn Schuldner ist ja nun nicht mehr der Erblasser, sondern der Erbe als Rechtsnachfolger. Und: Das ursprüngliche Insolvenzverfahren ist ja beendet, ansonsten wäre es ja in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet worden. In diesem Fall wären auch die neuen Insolvenzgläubiger (z.B. Vermieter), die am ursprünglichen Verfahren nicht beteiligt waren, nach Überleitung am Nachlassinsolvenzverfahren beteiligt. Oder würden die im Rahmen einer NTV auch beteiligt werden?

  • äh bevor wir uns hier in weiteren - sicherlich sehr interessanten - szenarien dogmatisch widmen, wäre wohl eine Sachverhaltsergänzung durch die Themstarterin vonnöten (Sachverhalt, Sachverhalt Sachverhalt !)

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  • Sorry, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen. Ich war krank...
    In meinem Fall ist keine Lebensversicherung, sondern eine Betriebskostenerstattung aus dem Vorjahr. Zwischenzeitlich ist der Schuldner verstorben.

  • Ich muss ergänzen: Zufällig habe ich zwei ähnlich gelagerte Fälle. In der anderen Akte, Schuldner verstorben und die Nachlasspflegerin hat zwei Versicherungen ausfindig gemacht, die der Schuldner im Vermögensverzeichnis verschwiegen hatte. Hier hat der Treuhänder ebenfalls die Nachtragsverteilung beantragt um entsprechend Rechte für die Masse geltend machen zu können

  • In beiden Fällen hat mein Kollege in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet (trotz der Tatsache dass der Schuldner bereits im RSB-Verfahren war). Nun fallen die Akten wegen des neuen Aktenzeichens in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich würde jetzt erstmal jeweils die Nachtragsverteilung anordnen.

  • In beiden Fällen hat mein Kollege in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet (trotz der Tatsache dass der Schuldner bereits im RSB-Verfahren war). Nun fallen die Akten wegen des neuen Aktenzeichens in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich würde jetzt erstmal jeweils die Nachtragsverteilung anordnen.

    Zunächt einmal würde ich die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit ablehnen, da die Überleitung unzulässig ist.

    In der Sache selbst: Betriebskostenrückzahlung wäre einer NTV nur zugänglich, wenn keine Freigabe des Mietverhältnisses im laufenden Verfahren nicht erfolgt ist, und sich die Rückzahlung auf einen vor Aufhebung ! des Verfahrens betreffenden Zeitraums bezieht.....

    Bei der LV käme grds. eine NTV in Betracht, da diese bereits im laufenden Verfahren als Vermögensgegenstand vorhanden waren.

    Nun mal etwas zynisch: Dein Kollege hätte ja den Erben noch die Gelegenheit geben können, eine Eigenverwaltung zu beantragen..... :D

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