Verpflichtung ehrenamtlicher Betreuer während Corona-Pandemie

  • Hier eine kurze Rückfrage an die Betreuungsrechtspfleger:
    Wir haben hier zu Beginn des Jahres den Vater der Betroffenen -auf dessen "Antrag"/Anregung" als Ersatzbetreuer für seine Tochter bestellt. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben wird hier -auch während der Corona-Pandemie unter Einhaltung der Abstandsregeln (Verpflichtung im Sitzungssaal, ca. 4-5 Meter Abstand, lüften)- ein Verpflichtungstermin bestimmt, in dem das Verpflichtungsgespräch erfolgt.

    Der bestellte Ersatzbetreuer verweigert seine Verpflichtung -sowohl bei unserem Gericht bzw. beim Gericht an seinem Wohnort-. Er bezieht sich auf die Vorgaben der Politik zur Kontaktvermeidung. Vorladungen -weder des hiesigen Gerichts noch des Gerichts an seinem Wohnort- folgt er.

    Was tun?

    Telefonische Verpflichtungen haben wir bislang nicht durchgeführt und wollen Sie eigentlich auch nicht durchführen. Zur Verpflichtung vorführen lassen (kommt mir ehrlich mehr als übertrieben vor -"den Hund zum Jagen tragen"-)? Oder Entlassen (wozu ich neigen würde). Ggf. soll er sich gegen seine Entlassung mit dem Rechtsbehelf der Beschwerde wehren.

    Oder was mein das Forum?

  • Man kann sicher die Akte dem zuständigen Richter zur Prüfung der Entlassung des Ersatzbetreuers vorlegen.

    Je nachdem, wie der Ersatzbetreuer sein Nichterscheinen begründet hat (ggf. Corona-Risikogruppe und daher besonders vorsichtig) sollte man jedoch vielleicht "auf Zeit spielen".
    Die Verpflichtung ist nicht konstitutiv und der der Ersatzbetreuer somit auch ohne diese im Amt. Eine Nachholung der Verpflichtung wäre daher nach Rückgang der Pandemie möglich.

  • Wir haben den Betreuerausweis immer beim Verpflichtungsgespräch ausgegeben. Das war durchaus für manche Betreuer ein Anreiz, den lästigen Termin dann auch zu machen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Wir haben den Betreuerausweis immer beim Verpflichtungsgespräch ausgegeben. ...

    Das dürfte in den Fällen, in denen die Verpflichtung gesetzlich vorgesehen ist, den Regefall darstellen.

    Dennoch haben - auch unabhängig von Corona - manche Betreuer "keine Lust", zur Verpflichtung zu erscheinen. Der Druck des nicht erhaltenen Betreuerausweises dürfte jedoch nicht so groß sein, da sich die Betreuer auch mit dem Bestellungsbeschluss ausweisen können.

  • Spätestens wenn die Bank den Ausweis sehen will, kommen die Betreuer.:teufel:

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  • Bei uns kommen sie ohne den Ausweis oft auch nicht weit und wir geben den auch nur zu Terminen aus. Hier ist es aber tatsächlich nicht so, dass keiner kommen will. Stattdessen wollen sie lieber regelmäßig Termine, um ihre Fragen loszuwerden.

    Wenn er sich in diesem Fall so sehr wegen Corona sträubt, kann man ja mit ihm vielleicht eine Alternative vereinbaren. Es gibt jetzt auch Betreuungsrechtspfleger, die die Verpflichtungen via Skype o. ä. durchführen (s. gesonderter Thread). Oder er kommt in den Innenhof oder so und man führt das Gespräch draußen, sofern die Räumlichkeiten das zulassen? Würde ich definitiv nie auf Dauer machen, aber vielleicht mal in so einem Einzelfall.

  • Er ist Ersatzbetreuer. Wenn es derzeit keinen Bedarf gibt, bekommt er den Ausweis eben erst nach Ende der Pandemie (also eher nie).

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  • Dennoch haben - auch unabhängig von Corona - manche Betreuer "keine Lust", zur Verpflichtung zu erscheinen. Der Druck des nicht erhaltenen Betreuerausweises dürfte jedoch nicht so groß sein, da sich die Betreuer auch mit dem Bestellungsbeschluss ausweisen können.

    Frog

    das ist immer so eine Steilvorlage, an der ich einfach nicht vorbeikomme :)

    Der Bestellungsbeschluss beweist lediglich, dass am Tag X ein Betreuer bestellt wurde. Das der Betreuer auch noch am Tag Y bestellt ist, kann er im Aussenverhältnis zur Ausübung seines Verretungsrechts nur mit der ihm vorliegenden Bestallungsurkunde nachweisen! Denn die wird bei Aufhebung wieder eingezogen, der Bestellungsbeschluss, der liegt noch 10 Jahre in der Akte und könnte somit nach Deiner Aussage weiter vorgelegt werden.

    Ich hätte mir gewünscht, dass das kommende Gesetzesreformwerk dies auch mal ausdrücklich mit aufgenommen hätte.

    Ich habe hier ein Amtsgericht, da warte ich ein viertel Jahr nach dem Bestallungsbeschluss bis die Bestallungsurkunde kommt. Ich kann mich in der Zeit bei gesetzestreuen Banken nicht legitimieren. Zu Recht. Habe aber Rechnungslegungspflicht und muss mich erklären, warum der/die Betroffene nach meiner Bestellung immer noch sein Konto lehrräumen konnte, etc.

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  • Dennoch haben - auch unabhängig von Corona - manche Betreuer "keine Lust", zur Verpflichtung zu erscheinen. Der Druck des nicht erhaltenen Betreuerausweises dürfte jedoch nicht so groß sein, da sich die Betreuer auch mit dem Bestellungsbeschluss ausweisen können.

    Frog

    das ist immer so eine Steilvorlage, an der ich einfach nicht vorbeikomme :)

    Der Bestellungsbeschluss beweist lediglich, dass am Tag X ein Betreuer bestellt wurde. Das der Betreuer auch noch am Tag Y bestellt ist, kann er im Aussenverhältnis zur Ausübung seines Verretungsrechts nur mit der ihm vorliegenden Bestallungsurkunde nachweisen! ...

    Die Kommentierung sieht das allerdings anders, vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 290 Rn. 1, beck-online:

    Zitat

    Die Erteilung des Betreuerausweises hat gleichwohl keine konstitutive Wirkung. Der Umfang der Betreuerbestellung wird maßgebend allein durch den Beschluss des Gerichts nach § 286 bestimmt. Die Bestellungsurkunde entfaltet auch keine Rechtsscheinswirkung im Hinblick auf die Wirksamkeit und den Umfang der Bestellung oder das Fortbestehen des Amtes. Die Bestellungsurkunde ist keine Vollmachtsurkunde im iSv §§ 172 ff. BGB. Weder § 172 BGB (Rechtsscheinswirkung der vorgelegten Vollmachtsurkunde) noch § 174 BGB (Zurückweisung einseitiger Willenserklärungen bei fehlender Vollmachtsvorlage) sind anwendbar.

    Ob sich die von dir erwähnten Banken tatsächlich rechtlich korrekt verhalten, wenn sie den Betreuer "abwimmeln" bis dieser den Betreuerausweis vorlegen kann, darf man bezweifeln.

    Im Übrigen ist es richtig, dass der Betreuerausweis bei Entlassung des Betreuers oder Beendigung der Betreuung insgesamt zurückgefordert wird. Sofern der (ehemalige) Betreuer nicht mitspielt, kann das geraume Zeit dauern, wenn dann gar noch Druck mittels Zwangsgeld gemacht werden müsste.

  • Die Vorlage des Betreuerausweises bzw. der Bestallungsurkunde beweisen nicht, dass die vorlegende Person noch Betreuer ist. Dem Betreuerausweis kommt - anders als z.B. dem Erbschein - keinerlei Gutglaubenswirkung zu. Wenn man wirklich sicher gehen will, ob die handelnde Person - noch - Betreuer ist, hilft nur eine entsprechende Nachfrage beim Betreuungsgericht am Tag der Vornahme des Rechtsgeschäfts, was z.B. von Notaren regelmäßig gemacht wird.

  • Die Kommentierung sieht das allerdings anders, vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 290 Rn. 1, beck-online:

    Zitat

    Die Erteilung des Betreuerausweises hat gleichwohl keine konstitutive Wirkung. Der Umfang der Betreuerbestellung wird maßgebend allein durch den Beschluss des Gerichts nach § 286 bestimmt. Die Bestellungsurkunde entfaltet auch keine Rechtsscheinswirkung im Hinblick auf die Wirksamkeit und den Umfang der Bestellung oder das Fortbestehen des Amtes. Die Bestellungsurkunde ist keine Vollmachtsurkunde im iSv §§ 172 ff. BGB. Weder § 172 BGB (Rechtsscheinswirkung der vorgelegten Vollmachtsurkunde) noch § 174 BGB (Zurückweisung einseitiger Willenserklärungen bei fehlender Vollmachtsvorlage) sind anwendbar.


    Es ist halt nur eine Kommentierung.

    Ich denke, jeder Diplomierte Rechtspfleger hier im Forum hat zum Thema des öffentlichen Glauben einer Bestellungsurkunde zum Nachweis der Legitimität, was anderes als diese Kommentierung gelernt.

    Und das die Bank bei Ungläubigkeit jedesmal das zuständige Amtsgericht nach der Legitimität anrufen soll, kann ich mir nicht vorstellen, dass das gewollt ist, eben wie auch das gewollt ist, das mit einem Bestellungsbeschluss nach Aufhebung noch 10 Jahre Mißbrauch betrieben werden kann.

    Da der Gesetzgeber scheinbar nicht in der Lage scheint, dieses Problemfeld aus der Welt zu schaffen, gibt es denn diesbezüglich mal ein paar Gerichtsurteile, sei es in die eine oder in die andere Richtung. Ganz ehrlich, so richtig will ich mich mit einer Kommentierung, welche durch abschreiben sich eventuell auch noch vervielfacht hat, nicht zufrieden geben.

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  • Dann lies mal bitte hier ab Rn. 8, ist im Keidel auch verlinkt: BGH, Beschluss vom 30.03.2010, XI ZR 184/09

  • Wollt Ihr euren - zweifellos wichtigen - Diskurs nicht vielleicht in einem eigenen Thema abhandeln?

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  • Denn die wird bei Aufhebung wieder eingezogen, der Bestellungsbeschluss, der liegt noch 10 Jahre in der Akte und könnte somit nach Deiner Aussage weiter vorgelegt werden.

    Darum fordern wir hier auch den Bestellungsbeschluss bei Aufhebung und Betreuerwechsel wieder zurück. Leider können wird die Rückgabe aber nicht mit Zwangsgeld durchsetzen.

    Zum Thema:
    Ich würde mir die Gründe, warum eine Verpflichtung bei Gericht trotz Schutzmaßnahmen nicht möglich sein soll, genau beschreiben lassen (Risikogruppe?) und wann/unter welchen Bedingungen (bei Inzidenz unter 30, draußen, ...?) er bereit wäre vorbeizukommen.
    Danach wäre zu entscheiden, ob man ausnahmsweise den Betreuerausweis und die Merkblätter übersendet und nur die Verpflichtung nachholt, auch den BA bis zur Verpflichtung zurück hält oder ob sich der Ersatzbetreuer jetzt schon als Querulant darstellt und man mit dem Richter wegen einer Entlassung (oder vielleicht eines richterlichen Hinweises) sprechen sollte.

  • "Darum fordern wir hier auch den Bestellungsbeschluss bei Aufhebung und Betreuerwechsel wieder zurück. Leider können wird die Rückgabe aber nicht mit Zwangsgeld durchsetzen."

    Nach MüKo (m. w. N.) und Palandt kann die Rückgabe mit Verhängung von Zwangsgeld erzwungen werden.

  • Mal zurück zum Ausgangsproblem:

    Ich hätte Bedenken, den Betreuer vorführen zu lassen. Meiner Meinung nach dürfte dies gegen § 4 Abs. 2 RpflG verstoßen, da es sich um eine (vorübergehende) Freiheitsentziehung handelt. Daher bräuchte man wohl die Mitwirkung des Richters.

    In jedem Fall hielte ich die Vorführung oder Ordnungsgeldverhängung (§ 33 Abs. 3 FamFG) für unverhältnismäßig oder jedenfalls kontraproduktiv. Wenn das Verfahren schon so beginnt, dürfte die weitere Zusammenarbeit mit dem Betreuer auch wenig ergiebig sein.

    Je nach Aufgabenkreis würde ich eher Richtung Entlassung gehen. Betreuungen werden ja nicht nur vom Schreibtisch aus geführt. Über kurz oder lang muss der Betreuer in aller Regel Außentermine wahrnehmen. Wenn er sich hierzu nicht in der Lage sieht, ist er jedenfalls derzeit nicht zur Führung der Betreuung geeignet.

  • Dann lies mal bitte .... BGH, Beschluss vom 30.03.2010, XI ZR 184/09

    Ich möchte das dann doch ganz gern hier fortführen, wen es nicht interessiert kann ja weiterscrollen.



    Ich halte die BGH-Entscheidung für nicht schlüssig, da sie sich nur zweitrangig mit dem Thema beschäftigt und in der Hauptsache um eine Wertermittlungsfrage beantwortet, um in der Sache nicht entscheiden zu müssen. Betont aber ein Prozess Risiko, welches mir eine kleine Chance auf den öffentlichen Glauben der Bestallungsurkunde zulässt.


    Der Gesetzgeber lässt im §1791 BGB eine Bestallungsurkunde zu (§1791 a BGB nicht für Vereine), welche ich heute gerade wieder schriftlich aufgefordert zur Legitimation bei einer Sparkasse vorlegen muss, da sie die mir die bei der Bestallung mitgegebene öffentliche beglaubigten Abschrift dieser, welche ich per Post zusandte, nicht akzeptiert. Da ist keine Frage nach der Beschluss Vorlage gekommen, welcher ja nicht wieder eingezogen wird. Wohin gehend bei der wieder Einziehung der Bestallungsurkunde ein Zwangsgeld angedroht werden kann.

    Ihr seht meine Verwirrung: Es taugt der Beschluss nichts, da er zum Missbrauch freigegeben ist (was nicht der Wunsch des Gesetzgebers sein kann) und die Anerkennung des öffentlichen Glauben der Bestallungsurkunde, welche ja wieder eingezogen wird, sogar mittels Zwangsgeldes, soll nicht gelten, wird aber von Banken als die einzig wahre Legitimation angesehen. Warum bedarf es der Bestallungsurkunde, warum zieht der gesetzgeber diese wieder ein und den Beschluss nicht! Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht?

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