Testament oder gesetzliche Erbfolge - kann man die Antragsteller zum Notar schicken?

  • Guten Morgen,

    ich habe folgendes Problem: Der verwitwete, kinderlose Erblasser hinterlässt folgende Verfügungen von Todes wegen:

    • Erbvertrag mit der vorverstorbenen Ehefrau, in welchem sich die beiden gegenseitig eingesetzt haben und als Schlusserben den Neffen A (der Überlebende kann weiterhin frei verfügen)
    • Testament des Erblassers nach dem Tod der Ehefrau, aus welchem hervorgeht, dass es bei der Einsetzung des Schlusserben verbleiben soll und die Anordnung folgenden Vermächtnisses für V: "Mein Erbe ist verpflichtet, an V eine Herauszahlung zu leisten, die sich wie folgt errechnet: Mein Hausgrundstück soll ortsgerichtlich geschätzt werden. Von dem sich daraus ergebenden Wert hat mein Erbe 1/4 an die Vorgenannte herauszuzahlen. Für den Fall, dass die Vermächtnisnehmerin versterben sollte, sollen deren Abkömmlinge an ihre Stelle treten."

    Der als Schlusserbe eingesetzte Neffe ist vor dem Erblasser bereits verstorben. Demzufolge dürfte das Testament hinsichtlich der Erbeinsetzung ja ins Leere gehen, da § 2069 BGB hier nicht greift.

    Es existieren als gesetzliche Erben zwei Töchter (C und D) des testamentarisch eingesetzten Neffen, sowie der Neffe B.

    Den Töchtern C und D wurde offenbar erzählt, sie würden an die Stelle des A treten und sie wollten einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen - was ja völlig falsch ist!!!

    Wie würdet ihr handeln? Würdet ihr die beiden zu einem Notar schicken, damit er sie rechtlich beraten kann? Oder muss ich selbst ermitteln? Gesetzliche Erbfolge, was bedeuten würde, der Neffe B zu 1/2, sowie C und D zu je 1/4!? Was ist mit der Vermächtnisnehmerin (laut B, der auch Betreuer des Erblassers war, sind außer dem Haus offenbar "nur noch" ca. 15.000 € vorhanden), ggf. wäre sie über § 2087 Miterbin?

    Danke schon jetzt für eure Meinungen...


  • Der als Schlusserbe eingesetzte Neffe ist vor dem Erblasser bereits verstorben. Demzufolge dürfte das Testament hinsichtlich der Erbeinsetzung ja ins Leere gehen, da § 2069 BGB hier nicht greift.

    Es existieren als gesetzliche Erben zwei Töchter (C und D) des testamentarisch eingesetzten Neffen, sowie der Neffe B.

    Den Töchtern C und D wurde offenbar erzählt, sie würden an die Stelle des A treten und sie wollten einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen - was ja völlig falsch ist!!!

    Ob C+D Ersatzschlusserben anstelle ihres Vaters A sein sollen, ist wohl eine Frage der Testamentsauslegung (bei der halt nur die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 nicht hilft).

    Einmal editiert, zuletzt von carlson (7. April 2021 um 12:53) aus folgendem Grund: A ist der Vater von C+D

  • Und ist V mit dem Erblasser verwandt?

    wie carlson - Das Testament muss ausgelegt werden, ob eine Ersatzerbeneinsetzung vorliegt.

    V ist eine Nichte der vorverstorbenen Ehefrau, mit dem Erblasser also nicht verwandt. Sie hat wohl beim Erblasser (auch gegen Bezahlung) geputzt usw.

    Unabhängig von der weiteren Auslegung würde ich V in keinem Fall für eine (Mit-)Erbin halten. Der Erblasser hat hier klar zum Ausdruck gebracht, dass V einen bestimmten Geldbetrag von "den Erben" bekommen soll. Da ist dann, unabhängig vom Wert des Vermächtnisses, für eine Auslegung dahin, dass V Erbin - und damit Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers, alleine oder mit anderen zusammen - sein soll, kein Platz mehr.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich habe das tatsächlich früher als Nachlassrichterin so gehandhabt, dass ich den Beteiligten in solchen Fällen vorschlug, für die Aufnahme des Erbscheinsantrags zu einem anderen Notar zu gehen. Wenn ich selbst nicht überzeugt bin oder es verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt, dann ist es besser zu jemandem zu gehen, der nachher nicht über den Antrag entscheiden muss. Die meisten haben das für einen guten Vorschlag gehalten. Ablehnen, wenn sie trotzdem auf der Aufnahme bestehen, würde ich aber nicht.

  • Und ist V mit dem Erblasser verwandt?

    wie carlson - Das Testament muss ausgelegt werden, ob eine Ersatzerbeneinsetzung vorliegt.

    V ist eine Nichte der vorverstorbenen Ehefrau, mit dem Erblasser also nicht verwandt. Sie hat wohl beim Erblasser (auch gegen Bezahlung) geputzt usw.

    Unabhängig von der weiteren Auslegung würde ich V in keinem Fall für eine (Mit-)Erbin halten. Der Erblasser hat hier klar zum Ausdruck gebracht, dass V einen bestimmten Geldbetrag von "den Erben" bekommen soll. Da ist dann, unabhängig vom Wert des Vermächtnisses, für eine Auslegung dahin, dass V Erbin - und damit Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers, alleine oder mit anderen zusammen - sein soll, kein Platz mehr.

    Zustimmung in diesem Fall.

  • Und ist V mit dem Erblasser verwandt?

    wie carlson - Das Testament muss ausgelegt werden, ob eine Ersatzerbeneinsetzung vorliegt.

    V ist eine Nichte der vorverstorbenen Ehefrau, mit dem Erblasser also nicht verwandt. Sie hat wohl beim Erblasser (auch gegen Bezahlung) geputzt usw.

    Unabhängig von der weiteren Auslegung würde ich V in keinem Fall für eine (Mit-)Erbin halten. Der Erblasser hat hier klar zum Ausdruck gebracht, dass V einen bestimmten Geldbetrag von "den Erben" bekommen soll. Da ist dann, unabhängig vom Wert des Vermächtnisses, für eine Auslegung dahin, dass V Erbin - und damit Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers, alleine oder mit anderen zusammen - sein soll, kein Platz mehr.

    Zustimmung in diesem Fall.

    Prima, dann ist das Problem auf jeden Fall schon mal geklärt! :daumenrau Danke euch!

  • Bezüglich der Ersatzerbenberufung der Kinder des zum Alleinerben berufenen vorverstorbenen Neffen im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung gibt es genügend Rechtsprechung, die sich mit der hier einschlägigen Problematik des "Ersten des Stammes" beschäftigt und was im Ergebnis zum gleichen Ergebnis wie die nicht anwendbare Norm des § 2069 BGB führen kann.

    Mir ist daher nicht ganz klar, wie man diese Überlegungen als "völlig falsch" bezeichnen kann.

  • #1 im drittletzten Absatz.

    Ah okay, der Fragesteller selbst. Bei den Anworten und Hilfestellungen habe ich dies nicht gefunden und nur dort habe ich gesucht.


    Aus diesem Grund habe ich geschrieben, dass es besser ist, wenn ein anderer den Erbscheinsantrag aufnimmt, wenn man selbst von der Richtigkeit nicht überzeugt ist.

  • Früher (vor dem landesrechtlichen Wegfall der nachlassrechtlichen Richtervorbehalte) war es ja so, dass man als Rechtspfleger nie über einen Erbscheinsantrag aufgrund einer wirksamen letztwilligen Verfügung entschieden hat. Da war man in dieser Hinsicht also völlig frei. Heutzutage ist das etwas problematischer, aber auch dann landet die Sache letztlich beim Richter, wenn die anderen Beteiligten gegen die antragsgemäße Erteilung des Erbscheins Einwendungen erheben. Man muss sich da also so oder so keinen Kopf machen.

    In (Teilen von) BaWü (nach früherem und vielleicht auch noch nach aktuellem Recht) verhält sich das vielleicht etwas anders, weil dort neben Rechtspflegern eben auch noch andere Entscheidungsträger tätig sind.

  • Mich würde interessieren, in welchem Umfang ihr bei der Aufnahme des Antrags in die Tatsachenermittlung einsteigt. Ich muss in solchen Fällen meine Mandanten intensiv befragen, da alle Beweismittel außerhalb des Testaments zu beachten sind. Im Sachverhalt ist angedeutet, dass es da etwas gab (C und D wurde offenbar erzählt ...). Also brauchen wir mindestens alle Zeugen und alle Schriftstücke zu dem Thema. Vielleicht brauchen wir auch noch Sachvortrag zum Verhältnis des Erblassers zu C und D, zu den Geschenken, zum Umgang miteinander, etc.

    Wird vom Nachlassgericht erwartet, das alles zusammenzutragen und in den von ihm zu entwerfenden Antrag aufzunehmen?

  • Wenn ein Testament auslegungsfähig bzw- -bedürftig ist und es verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt, lasse ich mir von den Antragstellern schon darlegen, welche Gründe für "ihre" Auslegung sprechen und ob/welche Belege, Hinweise, Nachweise es dafür gibt und nehme das auch in den Erbscheinsantrag mit auf.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!