Freigabe Guthaben Gemeinschaftskonto

  • Hallo,
    ich habe nur im Bereich Zwangsvollstreckung einige ältere Beiträge gefunden.

    In meinem Fall hat eine Schuldnerin sowohl ein Pfändungsschutzkonto und ein Gemeinschaftskonto mit ihrem Ehemann.
    Auf das Gemeinschaftskonto geht das Gehalt ihres Ehemannes ein. Wo ihr Gehalt eingeht (P-Konto oder Gemeinschaftskonto) weiß ich derzeit noch nicht.
    Sie beantragt nun die Freigabe des Arbeitseinkommens ihres Ehemannes.
    Gibt es hierzu zwischenzeitlich (insbesondere seit Einführung des Pfändungsschutzkontos) brauchbare Rechtsprechung zu der Anwendbarkeit von § 765a ZPO insbesondere auch im Insolvenzverfahren? Wie habt ihr derartige Fälle gelöst?

    Vielen Dank

  • M.E. muss sich der Ehemann mit dem Insolvenzverwalter (anstelle der Ehefrau) hinsichtlich der Gemeinschaft an dem Konto auseinandersetzen.
    Eine Begründetheit für § 765a ZPO sehe ich nicht, zumal § 765a ZPO keine drittschützende Norm ist und die Insolvenzschuldnerin durch die Beschlagnahme des Guthabens ihres Ehemannes nicht unmittelbar beeinträchtigt ist.

  • Tja, wirklich fatal. Ich hoffe mal nicht, dass das ein IK-Verfahren ist, denn dann würde man sich ja schon fragen, wie sowas nicht im Beratungsgespräch umgeändert werden konnte. Mir fällt nur ein, dass bei einem normalen Konto alles pfändbar ist, egal ob es aus unpfändbaren Lohnteilen (oder Gehalt eines Dritten) etc. besteht ( sehr schön erläutert BGH, Urteil vom 12. September 2019 - IX ZR 264/18 - Rz. 22f.). Und mit § 765a ZPO kann man ja nicht an sich pfändbare Beträge unpfändbar stellen. Also mir fällt da nix (positives für die Schuldnerin) ein.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich gehe davon aus, dass es für die Entscheidung unerheblich sein wird, ob die Einkommen des Ehemannes vor oder nach Insolvenzeröffnung auf dem Gemeinschaftskonto eingegangen sind. Hier sind sie zwar kurz vor Insolvenzeröffnung eingegangen, in einem heute geführten Telefonat habe ich aber erfahren, dass auch kurz nach Eröffnung noch eine Gehaltszahlung erfolgte. Auch diesbezüglich wird noch ein Antrag gestellt. Die Kontoauszüge liegen hierzu jedoch noch nicht vor.

    Wenn ich den Beitrag von WinterM richtig interpretiere, soll hier wohl § 84 InsO anzuwenden sein. Dann kann doch wohl für § 765a ZPO auch das Rechtsschutzbedürfnis aberkannt werden, oder?
    Ich höre zunächst einmal (auch zu § 84 InsO) den Insolvenzverwalter an. Mal schauen, was er schreibt.

  • BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2008 - IX ZB 77/08

    Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 Abs. 2 InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist.

    aus BGH, Beschluss vom 15.11.2007, IX ZB 34/06, Rn. 21:

    Die Streitfrage, ob und inwieweit § 765a ZPO aufgrund der Verweisung des § 4 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren anwendbar ist (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4 Rn. 34 mit weiteren Nachweisen in Fn. 92), kann in vorliegender Sache dahingestellt bleiben. Die Anwendung der Vorschrift ermöglicht jedenfalls nicht, der Masse kraft Gesetzes (§§ 35, 36 InsO) ausdrücklich zugewiesene Vermögenswerte wieder zu entziehen. Der Schuldner hat die mit der Insolvenz typischerweise verbundene Gesamtvollstreckung seines Vermögens hinzunehmen. Im Übrigen begründet die Pfändung von Einkünften, die nicht nach den Bestimmungen der §§ 850 ff ZPO unpfändbar sind, grundsätzlich keine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO; dies selbst dann nicht, wenn dies dazu führt, dass der Schuldner Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch nehmen muss (BGHZ 161, 371, 374).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Naja....
    Ich habe zumindest im Einzelzwangsvollstreckungsrecht Rechtsprechung gefunden, die § 765a ZPO bei Zahlungen Dritter auf ein Konto des Schuldners für einschlägig hält:
    BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – VII ZB 32/07 -

    Hierbei aber zu beachten:
    - Es waren gemeinsame Schuldner
    - Es handelt sich um Rechtsprechung vor Einführung des P-Kontos
    - Die Ehegatten unterhielten nur ein einziges Konto zur Bestreitung des Familieneinkommens
    - Es ist keine Rechtsprechung auf Grundlage eines Insolvenzverfahrens (Gesamtvollstreckungsverfahrens), was im Rahmen der Argumentation für § 765a ZPO Einfluss haben könnte

  • Das von mir fett markierte halte ich für das Entscheidende, dass die genannte Rechtsprechung nicht mehr anwendbar ist.

    Seit der Einführung des P-Kontos besteht der Pfändungsschutz automatisch bis zum Betrag X, aber natürlich nur für Einzelkonten. Das sollte sich nach fast 10 Jahren herumgesprochen haben. Wenn man als Schuldner trotzdem weiterhin ein gemeinsames Konto unterhält, ist das dann wohl Pech.

  • Seit der Einführung des P-Kontos besteht der Pfändungsschutz automatisch bis zum Betrag X, aber natürlich nur für Einzelkonten. Das sollte sich nach fast 10 Jahren herumgesprochen haben.

    Schön wär's... Leider zeigt (meine) Erfahrung, dass selbst bei den "Profis" (d.h. Bankmitarbeitern, Anwälte und auch Rechtspflegern bei Gericht) P-Konto und Pfändungsschutzregeln ein manchmal erstaunlich unsicheres Terrain sind. Erst recht natürlich für die betroffenen Schuldner.

    Wenn man als Schuldner trotzdem weiterhin ein gemeinsames Konto unterhält, ist das dann wohl Pech.

    Leider ist es wohl etwas mehr als "Pech". Es dürfte sich hier aus Schuldnersicht eher um eine dramatische existenzbedrohliche Notlage handeln. Solche Haushalte haben idR keine Rücklagen oder ein finanzstarkes Umfeld. Bei zwei fehlenden Monatseinkommen und ggf. entsprechend rückständigen Mietzahlungen kann sogar Wohnungsverlust drohen. Nicht gerade das Ergebnis, das mit dem Insolvenz- und RSB-Antrag beabsichtigt war...

    Glücklicherweise sind solche Konstellationen Einzelfälle und werden (wie ich gelegentlich höre) eher pragmatisch und ergebnisorientiert gelöst: Antrag des Schuldners bzw. Ehepartners, befürwortende Stellungnahme des IV, Freigabe. Das sind dann keine Entscheidungen, die juristisch-wissenschaftliche Glanzleistungen sind und somit auch nicht veröffentlich werden - irgendwie juristisch noch vertretbar, aber vor allem eben eher ergebnisorientiert.

  • Zwei Gedanken zum vorliegenden Fall:
    Der § 765a ZPO wurde in der Vergangenheit von Gerichten durchaus bei Entscheidungen im Zusammenhang mit dem P-Konto angewandt (z.B. bei der Monatsanfangsproblematik). Von daher ist m.M. die Anwendung von 765a ZPO durchaus möglich.
    Sollte es im vorliegenden Fall so sein,
    -dass die Frau in der Insolvenz ist, ihre Einkünfte über ihr Pfändungsschutzkonto abgewickelt werden (also kein Missbrauch des P-Kontos vorliegt)
    -und über das Gemeinschaftskonto die Zahlungsströme des Mannes abgewickelt werden
    so würde ich schon Merkmale sehen die für den § 765 ZPO sprechen
    (bin halt Sozialarbeiter:)).

    ( Nach BGH soll " § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.")


  • ( Nach BGH soll " § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.")

    Und genau mit diesem Satz hast du die Begründung geliefert warum 765a gerade nicht geht. Es sollen ganz besondere Härten für den Schuldner ausgeschlossen sein. Hier geht es aber gerade nicht um Geld was der Schuldner zum Leben braucht. Sie hat ihr Einkommen zur Verfügung. 765a ist nie dazu da einen dritten zu schützen. Das der 3. der Ehemann ist, spielt keine Rolle

  • Blöder Fall !
    Hatte mal als M-Rpfl. so einen Fall, dass die Berechtigung der Sculdnerin an einem "oder-Konto" gepfändet wurde. Da war der Fall - nach altem 850k noch einfach - wg. der ganze Unterhaltspflichten hab ich "das Familieneinkommen" komplett freigestellt. Aber genug der "rechtshistorischen" Betrachtungen .... :D
    Bezüglich der Schuldnerin dürfte das Giroverhältnis mit ihr beendet sein. Ein Auseinandersetzungsanspruch wäre bei einem "und-Kont" zweifelsohne gegeben. Bei einem "Oder-Konto" könnte dies fraglich sein (oki, verdekcte Innengesellschaft und der ganze Kram analog ggfls.).

    Formale Betrachtungsweise:
    die Schuldnerin hat kein Antragsrecht. § 148 lässt sich auch nicht anwenden, da der Verwalter ja nicht vollstreckt und auch nicht gegenüber der Schuldnerin.
    M.E. Drittwiderspruchsklage durch den Ehemann.
    Aber dies gilt es nicht zu provozieren.
    Pragmatischer Ansatz: Pitsy hat ja mitgeteilt, dass noch keine Klarheit herrscht, wessen Zahlungsansprüche auf welchem Konto landen.
    Dies gilt es abzuklären, wenn dies geklärt ist, sollte die Schuldnerin ihre Kontoberechtigung formal gegenüber der Bank canceln und der Verwalter sodann - noch formal - erkären, dass er Ansprüche gegenüber der Bank aus dieser ! Kontoverbindung nicht herleitet.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Hallo,
    ich habe mich hier noch nicht erneut geäußert, weil noch immer viele Dinge unklar sind. Was ich zwischenzeitlich herausfinden konnte ist, dass das Gemeinschaftskonto in ein Einzel-P-Konto der Schuldnerin "umgewandelt" wurde und dass das gesamte Guthaben des Gemeinschaftskontos auf diesem Einzelkonto gelandet ist. Das alte P-Konto besteht dann vermutlich nicht mehr.

  • Ich hänge mich mal hier ran, weil ich den letzten Sachstand einfach nicht mehr finde.

    Mein Schuldner (Altersrentner) lässt seine (an sich unpfändbaren) Altersbezüge auf ein Drittkonto überweisen. Irgendwie habe ich mal gelesen, dass auch hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs gegen die Dritten die Pfändungsschutzvorschriften für (Arbeits-)Einkommen gelten. Gefunden habe ich aber nur BGH, Beschluss v.04.07.2007 - VII ZB 15/07, wonach der Schuldner in derartigen Fällen auf einen Antrag gm. § 765a ZPO zu verweisen ist.

    Hatte sich die Rechsprechung hier nicht zwischenzeitlich geändert :gruebel:.
    Gilt dies auch, wenn der Schuldner ein P-Konto besitzen könnte.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Gefunden habe ich aber nur BGH, Beschluss v.04.07.2007 - VII ZB 15/07, wonach der Schuldner in derartigen Fällen auf einen Antrag gm. § 765a ZPO zu verweisen ist.


    So war auch mein Stand


    Gilt dies auch, wenn der Schuldner ein P-Konto besitzen könnte.

    M.E. kann der Schuldner grundsätzlich keinen Vollstreckungsschutz (mehr) beanspruchen, wenn er es auch angesichts der erfolgten Pfändung bewusst unterlässt sich ein P-Konto einzurichten.
    Für den Monat in dem die Pfändung begründet wird und ggf. auch für den darauffolgenden Monat, wenn bis dahin nicht ausreichend Zeit war ein P-Konto zu errichten kann m.E. Vollstreckungsschutz in Betracht kommen, soweit die ursprünglichen Leistungen unpfändbar waren und zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Schuldners erforderlich sind.

    Zum Thema der Kontenleihe s. auch BVerfG (1 BvR 163/15).

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