Hemmung der Ausschlagungsfrist durch höhere Gewalt

  • Hallo zusammen,
    ich bin leider in der Suche nicht fündig geworden, aber ich dürft mich gerne tadeln, wenn ihr dieses Thema schon mal besprochen haben solltet..?:oops:
    Ich habe in einem Ausschlagungsverfahren einen Fall von höherer Gewalt aufgrund der Corona-Lage.
    Meine Erbin ist lebensbedrohlich lungenkrank ( nicht aufgrund von Corona ) und befindet sich in einer Isolierstation einer Klinik in Quarantäne, die sie unter keinen Umständen auch auf weitere Sicht nicht verlassen darf. Ein entsprechendes ärztliches Attest liegt mir vor.
    Nach § 30 Abs. 4 S.2 Alt. 2 IfSG habe ich zunächst ihren Anwalt gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass ein Notar ihre Erklärung in der Klinik beurkundet, da diesem grundsätzlich als Urkundsperson der Zugang zu gestatten ist.
    Der Notar darf allerdings nach § 15 BnotO diese Urkundstätigkeit ablehnen.
    Der Anwalt der Erbin hat mir nunmehr die schriftlichen Absagen von insgesamt 6 Notariaten in der näheren Umgebung der Klinik vorgelegt; dies, finde ich, ist als Nachweis ausreichend.
    Wie geht das Verfahren denn jetzt weiter? Muss ich durch Beschluss feststellen, das die Frist gehemmt ist? Die Frist ist vermutlich solange gehemmt, bis die Erbin wieder selbst handeln kann?:gruebel:
    Danke für eure Hilfe ( oder ein kleines Vorstück ?) schon mal vorab!:)

  • Hallo zusammen,

    Der Notar darf allerdings nach § 15 BnotO diese Urkundstätigkeit ablehnen.
    Der Anwalt der Erbin hat mir nunmehr die schriftlichen Absagen von insgesamt 6 Notariaten in der näheren Umgebung der Klinik vorgelegt; dies, finde ich, ist als Nachweis ausreichend.

    Naja, was sind denn die Ablehnungsgründe? Aus der Verpflichtung de § 30 Abs. 4 S. 2 IfSG, wonach dem Notar auch Zugang zu einem hochinfektiösen Patienten gewährt werden muss, ergibt sich, dass die Ablehnung der Urkundstätigkeit idR auf Grund einer Ansteckungsgefahr nicht in Betracht kommt (BeckOK BNotO/Sander, 4. Ed. 1.2.2021, BNotO § 15 Rn. 84). Da besondere Umstände (Krankheit der Person und stationäre Isolierung) vorliegen, darf zumindest ein Notar, in dessen Amtsbereich sich die Isolierstation befindet die Auswärtsbeurkundung gerade nicht ablehnen (BeckOK BNotO/Sander, 4. Ed. 1.2.2021, BNotO § 15 Rn. 40).

  • Der Notar muss beurkunden. Lehnt er ab, muss die Betroffene Beschwerde einlegen. Während des Beschwerdeverfahrens ruht die Frist. Ob die bloße und ggf. unzulässige Urkundsverweigerung höhere Gewalt ist? Was der BGH uns Betreuungsrichtern zumutet, ist auch Notaren zuzumuten.

    Die Beurkundung der Ausschlagung wäre auch mit Schreibzeugen möglich. Dann müsste die Urkunde nicht einmal ins Isolierzimmer. Notar verliest, Ausschlagende genehmigt, Schreibzeuge und Notar unterschreibe. Ausschlagung ist wirksam. Wo ist da das Problem, dass die Notare ihre Urkundsgewährungspflicht so missachten?

    Nur wenn bei der Betroffenen eine Erkrankung i.S. des § 1896 Abs. 1 BGB vorliegt, könnte man eine Betreuung anordnen. Und die Betroffene kann m.E. ihre Angelegenheiten selbst regeln. Sie kann ggf. eine Vorsorgevollmacht erteilen, ihre Unterschrift durch die Betreuungsbehörde beglaubigen lassen. Die Urkunde müsste dann halt zur Unterzeichnung ins Isolierzimmer. Dann könnte die Bevollmächtigte vor Gericht ausschlagen. Und sogar ganz ohne Notar.

  • Ich zitiere mal die Bundesnotarkammer:

    Eine Ausnahme von der bei Amtstätigkeiten grundsätzlich bestehenden Urkundsgewährungspflicht ist unter anderem bei hochgradig ansteckenden Krankheiten anerkannt, bei denen hinreichende Schutzmöglichkeiten des Notars nicht bestehen.

    Der Notar ist danach nicht verpflichtet, sich offensichtlichen Gefahren für Leib und Leben auszusetzen.

    Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall die Schwelle für eine berechtigte Verweigerung der Urkundstätigkeit überschritten ist, ist aber jeweils die hohe Bedeutung des Urkundsgewährungsanspruchs der rechtsuchenden Bevölkerung in Rechnung zu stellen. Danach kann es gerechtfertigt sein, die Urkundstätigkeit gegenüber einer nachweislich erkrankten Person vorübergehend abzulehnen. Dabei sind im Einzelfall die Dringlichkeit des Rechtsgeschäftes, dessen Nachholbarkeit sowie die für den Notar bestehenden Schutzmöglichkeiten in die Abwägung mit einzustellen. Eher fraglich erscheint demgegenüber, ob ein bloßer allgemeiner Krankheits- bzw. Ansteckungsverdacht ausreichend sein kann. Wenn allerdings der Infektionsverdacht stark erhärtet ist, kann auch dieser im Einzelfall bereits ggf. zu einer Ausnahme von der Urkundsgewährungspflicht im skizzierten Rahmen führen.

    Von "muss" kann also nicht die Rede sein.

    Wenn dieser bewusste Patient sich zwar auf einer Isolierstation (zum Schutz vor Infektionen) befindet, aber nicht an einer hochinfektiösen Krankheit (z.B. Covid) erkrankt ist, wird sich wahrscheinlich kaum ein Notar weigern, zur Aufnahme einer Erbausschlagung (Entwurf und Beglaubigung) in ein Krankenhaus zu gehen.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • So ist es. Und so war es auch schon vor Corona, da lagen auch Leute auf der Isolierstation und wurden beurkundet.
    Davon abgesehen: Der Urkundsgewährungsanspruch gilt auch gegenüber dem Gericht. Es ist zwar ein Armutszeugnis, dass kein Notar hinfahren will, aber: warum fährt denn vom Gericht niemand hin?

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub


  • So ist es. Und so war es auch schon vor Corona, da lagen auch Leute auf der Isolierstation und wurden beurkundet.
    Davon abgesehen: Der Urkundsgewährungsanspruch gilt auch gegenüber dem Gericht. Es ist zwar ein Armutszeugnis, dass kein Notar hinfahren will, aber: warum fährt denn vom Gericht niemand hin?

    Das dachte ich auch....

  • Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, der auch die Weigerung zugrunde liegt, Erbscheinsanträge samt eidesstattlicher Versicherung aufzunehmen oder Testamente an den Testator zurückzugeben.

    Alles hier im Forum nachzulesen.

  • Ihr habt sicherlich recht, aber was tun?
    Der Anwalt der Erbin hat sich wirklich sehr viel Mühe gegeben. Und die Erbin ist geschäftsfähig, nur körperlich sehr schwer krank.
    Ich habe aber tatsächlich 5 schriftliche Absagen von fünf Notaren vorliegen ( die Klinik befindet sich nicht in meinem Gerichtsbezirk) mit ungefähr gleichlautender Begründung: .... im Hinblick auf meine Gesundheit und die gegenwärtige Quarantänesituation....."
    Also WENN ich denn hier jetzt das Vorliegen höherer Gewalt bejahen würde: was müsste ich dann tun?
    ( Nerv...:)

  • Die Frist ist zweifelsfrei gehemmt, wobei die Hemmung unmittelbar nach Kenntnis vom Erbanfall eintrat. Damit ist objektiv ungewiss, ob die betreffende Beteiligte letztlich Erbin wird, sodass der Anwendungsbereich des § 1960 BGB (jedenfalls für die betreffende Erbquote) eröffnet wäre. Ohne Sicherungsbedürfnis ist aber auch insoweit nichts veranlasst. Dann bleibt die Frage der Erbschaftsannahme eben vorläufig offen.

  • Warum hat der Anwalt der Betroffenen gegen die ablehnenden Bescheide der Notare keine Beschwerde eingelegt? Dann würde man zu einer -zeitnahen- Entscheidung kommen.

    Der Notar kann bei der Ausschlagung eine Unterschrift beglaubigen. D.h. es bedarf keines persönlichen Kontakts zwischen der Ausschlagenden und dem Notar. Die Ausschlagende unterzeichnet die Ausschlagungserklärung und erklärt, ggf. durch die Schleuse, dem Notar, dass es ihre Unterschrift ist, die unter der Ausschlagung angebracht ist und die der Notar -aufgrund Anerkenntnis- beglaubigen soll. Der Ausweis könnte ggf. durch den Arzt bzw. die Krankenschwester/den Krankenpfleger, die ja im Kontakt zur Ausschlagenden stehen, dem Notar vorgelegt werden.

    Die Beurkundung der Ausschlagung durch das Gericht (oder durch den Notar) ist schon schwieriger (Vorlesen durch bzw. in Anwesenheit des Gerichts), anschließende Unterzeichnung durch Ausschlagende und Gericht. Aber welcher Notar beurkundet schon Ausschlagungserklärungen? Das Gericht schon. Es kann ja nicht beglaubigen.

    Ich denke, die Beglaubigung der Unterschrift durch einen Notar wäre ohne Ansteckungsrisiko des Notars der einfachste und gangbare Weg. Und ob letztendlich der BGH die Auslegung der Bundesnotarkammer zur Urkundsgewährungspflicht deckt. Alle Betreuungsrichter waren von der Entscheidung des BGH zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks, insbesondere auch in Zeiten von Corona, mehr als überrascht. Lt. BGH reichen sogar bei Corona die Schutzmechanismen wie FFP2-Maske und Abstand (und jetzt hinzukommend die Impfung von Richtern und Rechtspflegern) aus.

    Was bringt der Ausschlagenden die evtl. Hemmung der Frist? Die Schriftsätze des Anwalts kommen zu den Akten. Das Gericht veranlasst nichts. Eine Wiedervorlage durch das Gericht scheint ja nicht angezeigt. Die Ausschlagung ist ja Sache der Ausschlagenden. Die Sache gerät in Vergessenheit. Und irgendwann kocht die Sache dann wieder auf, wenn's blöd läuft nach Jahren. Und dann? Nur weil 6 Notare nicht in der Lage sind, eine Unterschrift unter einer Ausschlagung zu beglaubigen.

  • Man könnte auch noch das Amtsgericht am Klinikort im Wege der Rechtshilfe um Aufnahme in der Klinik ersuchen.

    Aber mit gesiegeltem Ersuchen.


    Oh sorry. Falscher Thread. 😉 Oder doch nicht?
    Kleiner Insider😂

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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