Reallast, wiederkehrende Leistung?

  • Im Rahmen eines Leibgedings kann man ja nach BayObLG (2.ZS), Beschluß vom 17. 4. 1970 - BReg. 2 Z 23/70, zitiert z.B. in MüKo § 1105 RNr. 23, auch eine einmalige Verpflichtung (Gutabstandsgeld) via Reallast absichern.

    Bei mir überträgt Mutter an Tochter Erbanteil, so dass Tochter Alleineigentümerin wird. Es wird nur eine Reallast bestellt: Wenn die Erwerberin das Anwesen (Hof und verpachtete landw. Grundstücke) ganz oder teilweise veräußert, so hat sie 1/3 des Verkehrswerts "des gesamten ab heute veräußerten Besitzes" an die Veräußerin zu zahlen.

    Kommt man da überhaupt zur o.g. Entscheidung, oder sind die Leistungen wiederkehrend, weil die Erwerberin ja öfter (Teilflächen usw.) veräußern kann?

  • Wenn die Eintragung nur als Reallast und nicht als Altenteil oder Leibgeding beantragt ist, würde ich aus dem Umstand, dass bei der Reallast einmalige Leistungen nur bei der Eintragung eines Altenteils gesichert werden können, nicht schließen wollen, dass statt der Reallast ein Altenteil eingetragen werden soll. Schließlich müssten im Eintragungsantrag und in der Bewilligung die Umstände und Rechtsbeziehungen, die das Altenteil konkret kennzeichnen, angegeben und -bei mehreren Rechten- die jeweiligen Rechte mit ihren Inhalten dargestellt werden (Keller in Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, 8. Auflage 2019, § 49 GBO RN 2).

    Auch bedarf es der Darlegung des Versorgungscharakters (KG Berlin, Beschluss vom 23.09.2014, 1 W 283/14 Rz. 18
    https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE222602014

    Ich verstehe die getroffene Regelung so, dass 1/3 des Verkehrswerts des dem Erbteil entsprechenden Grundvermögens zu entrichten sind, falls die Erwerberin das Anwesen ganz oder teilweise veräußert, also auch dann, wenn z. B. nur der Hof oder nur die verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücke oder aber auch nur Teile davon veräußert werden. Der Betrag wird daher nur einmal fällig. Die zu sichernde Leistung wiederholt sich nicht.

    Grundsätzlich kann aber mit einer Reallast nach § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Grundstück nur in der Weise belastet werden, dass wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück an den Berechtigten zu entrichten sind. Eine einmalige Leistung kann daher regelmäßig nicht durch eine Reallast gesichert werden (Sikora im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.01.2021, § 1105 BGB RN 37; Reetz im BeckOK GBO, Hrsg. Hügel, Stand: 01.02.2021, § 49 RN 16; Reymann im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1105 RN 27, je mwN; OLG München, Beschluss v. 13.02.2019, 34 Wx 202/18, Rz. 37 unter Zitat MüKo/Mohr § 1105, Rn. 23).
    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-N-1498?hl=true

    Selbst bei einem Altenteil geht das BayObLG im Beschluss vom 17. 4. 1970, BReg. 2 Z 23/70, davon aus, dass die Reallast im Gesamtzusammenhang wiederkehrender Leistungen ausnahmsweise sogar einmalige ergänzende Leistungen als Nebenleistung sichern kann (Zitat: „….dass ausnahmsweise sogar einmalige Leistungen hierin einbezogen werden können, wenn sie innerhalb eines Gesamtbereichs wiederkehrender Leistungen liegen, innerlich zu einem Leibgeding gehören, dieses ergänzen und nur ihrer Natur nach einmalig sind“).

    Einmalige Leistungen können daher ausnahmsweise dann Bestandteil einer Reallast sein, wenn sie Grundlage einer weiteren wiederkehrenden Leistung sind (KEHE/Keller, § 49 GBO RN 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, RN 1329: „begründbar letztlich wohl nur mit der Berufung auf Gewohnheitsrecht“). Die Aussage des BGH im Urteil vom 8.11.2013 – V ZR 95/12, „eine im Rahmen eines Leibgedinges vereinbarte Verpflichtung zur teilweisen Erlösauskehr bei einer Veräußerung von Teilen des landwirtschaftlichen Anwesens ist in der Rechtsprechung als zulässiger Inhalt einer Reallast angesehen worden (BayObLG, DNotZ 1970, 415)“ ist daher nur mit der Einschränkung, dass die Reallast im Gesamtzusammenhang wiederkehrender Leistungen stehen muss, zu verstehen.

    Auch das OLG Frankfurt/Main geht im Beschluss vom 04.06.2019 - 20 W 218/18
    https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE190036012
    davon aus, dass § 1105 BGB als Inhalt der Reallast grundsätzlich nur wiederkehrende Leistungen zulässt, aber im Rahmen eines Leibgedings auch einmalige Leistungen einbezogen werden können, wenn sie innerhalb eines Gesamtbereichs wiederkehrender Leistungen liegen, innerlich zu einem Altenteil bzw. Leibgeding gehören, dieses ergänzen und nur ihrer Natur nach einmalig sind.

    Vorliegend gibt es aber keine anderweitigen wiederkehrenden Leistungen.

    Es lässt sich aus den Angaben auch nicht entnehmen, ob der etwa (bei Veräußerung) fällige Betrag der Versorgung der Übergeberin dienen soll. Der Versorgungscharakter steht bei einem Altenteil jedoch im Vordergrund; siehe
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…719#post1105719

    Erforderlich ist danach, dass ein Beteiligter dem anderen nach Art einer vorweggenommenen Erbfolge seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine wirtschaftlich selbstständige Stellung erlangt (BGH, Urteil vom 25. 10. 2002, V ZR 293/01, unter Zitat Senat, BGHZ 3, 206 [211]; BGHZ 107, 156 [160] = NJW 1989, 2122).

    Dass die Übergeberin mit der Übertragung des Erbteils ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, lässt sich den Angaben jedoch nicht entnehmen.

    Wenn es um die Versorgung der Übergeberin ginge, würden doch wohl auch laufende Leistungen vereinbart sein. Bleibt sie im Objekt wohnen, dürfte regelmäßig auch ein Wohnungsrecht oder bei einer Reallast auch Verpflichtungen zur Versorgung in kranken und alten Tagen in Betracht kommen (Raude im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, Art. 96 EGBGB RN 18)

    Hier erhält sie aber erst bei einer etwaigen Weiterveräußerung einen Wertersatz für den übergebenen Erbteil. Der Wertersatz wird also nicht zu ihrer Versorgung während des Eigentums der Übernehmerin benötigt. Das entspricht mE eher einem Austauschverhältnis. Wenn aber lediglich der Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses im Vordergrund steht, lehnt die Rechtsprechung die Einordnung als Altenteil ab (MüKO/Raude, aaO; BeckOK/Reetz, § 49 GBO RN 5 unter Zitat BGH, Urteil vom 03.04.1981, V ZR 55/80, und mwN; Wirich im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.04.2021 , Art 96 EGBGB, RN 18 mwN in Fußnote 17)

    Vorliegend dürfte die dingliche Sicherung des bedingt fällig werdenden Betrages wohl nur in Form einer Sicherungshypothek in Betracht kommen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    2 Mal editiert, zuletzt von Prinz (2. Mai 2021 um 11:21) aus folgendem Grund: Schreibversehen korrigiert

  • Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
    Ich hatte es aber so verstanden, dass die Formulierung "...des gesamten ab heute veräußerten Besitzes...." bedeutet, dass bei jeder Veräußerung einer Teilfläche ein Anteil dieses Teilflächenwerts zu zahlen ist und die Leistungen damit wiederkehrend sind (im Lauf der Jahrzehnte habe ich da so ein Gespür entwickelt, was die Notare dann behaupten, wenn man was beanstandet.) Anders, wenn da dieses "ab" nicht wäre.

    Mit Leibgeding und Versorgung usw. hat es richtig nichts zu tun. Das Kapitel der Urkunde ist mit "Veräußerungserschwerung" überschrieben.
    Das Kapitel umfasst natürlich einige Absätze, die ich weggelassen habe. Da geht s dann noch darum, von welchem Schätzer der Wert bestimmt wird, dass eine Veräußerung an Kinder u.U. etc. oder bei Erwerb von Ersatzgrundstücken (könnte auch für mehrmalig sprechen) unschädlich ist, und der Ehemann der Mutter auch einen aufschiebend, bzw. auflösend bedingten Anspruch hat....

  • "...des gesamten ab heute veräußerten Besitzes...."

    Keine Befristung? -> Schöner/Stöber Muster Rn 934 (§ 9): "... innerhalb von 15 Jahren, von heute an gerechnet, ganz oder teilweise veräußert." Grds. wird dieselbe Unterscheidung zu treffen sein, wie beim Wiederaufbau; hierzu: Schöner/Stöber Rn 1301; unter Hinweis auf MüKo/Mohr BGB § 1105 Rn 23

  • ...
    Ich hatte es aber so verstanden, dass die Formulierung "...des gesamten ab heute veräußerten Besitzes...." bedeutet, dass ..

    Möglich. Warum aber dann „des gesamten…“? Dann hätte doch die Formulierung „des ab heute veräußerten Besitzes“ ausgereicht. Wenn die Regelung unter „Veräußerungserschwerung" getroffen wurde, dann könnte es sich ja auch um eine Art Vertragsstrafe zu handeln, die aus dem gesamten, mit der Erbteilsübertragung (= ab heute) übergegangenen Grundbesitz zu entrichten ist.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • "...des gesamten ab heute veräußerten Besitzes...."

    Keine Befristung? -> Schöner/Stöber Muster Rn 934 (§ 9): "... innerhalb von 15 Jahren, von heute an gerechnet, ganz oder teilweise veräußert." Grds. wird dieselbe Unterscheidung zu treffen sein, wie beim Wiederaufbau; hierzu: Schöner/Stöber Rn 1301; unter Hinweis auf MüKo/Mohr BGB § 1105 Rn 23

    Nein, Befristung ist nicht vereinbart.

  • Dann bleibt mir wohl nichts übrig, als die schlechte Formulierung der Notariatsmitarbeiter auszulegen und es einzutragen. Muss mir nur noch eine schlagwortartige Bezeichnung einfallen lassen...

  • Die Auslegung muss allerdings zu einem eindeutigen Ergebnis führen (s. OLG Düsseldorf (3. Zivilsenat), Beschluss vom 21.12.2020, I-3 Wx 200/19 Rz. 38 mwN
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…s_20201221.html
    Wenn Du ursprünglich von einer einmaligen Leistung ausgegangen bist, nunmehr aber von wiederkehrenden Leistungen ausgehst, dann hätte ich so meine Zweifel, ob sich die Vereinbarung völlig eindeutig auf Einzelveräußerungen bezieht.

    Der Umstand, dass die Erwerberin 1/3 des Verkehrswerts "des gesamten ab heute veräußerten Besitzes" unter bestimmten Voraussetzungen zahlen soll, kann nämlich auch auf eine Verfallklausel hindeuten. Eine Verpflichtung des Eigentümers, unter bestimmten, im Vertrage genannten Bedingungen – statt der wiederkehrenden Leistungen – an den Gläubiger eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, kann jedoch weder den Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB noch einer Reallast nach § 1105 BGB bilden (vgl. KGJ 53, A 166, A 168).

    Bei Veräußerung nicht des gesamten, sondern einzelner Teile des Besitzes hätte mE jedenfalls die Verwendung des Wortes „jeweils“ und des „Besitzes“ (statt des gesamten Besitzes) nahegelegen. Aber gut: maßgebend ist die insgesamt getroffene Regelung. Und die wirst Du besser beurteilen können. Ansonsten könnte eine Rückfrage auch nicht schaden.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Aber gut: maßgebend ist die insgesamt getroffene Regelung. Und die wirst Du besser beurteilen können. Ansonsten könnte eine Rückfrage auch nicht schaden.

    Im Vertrag steht noch, dass der Verkehrswert im Streitfall vom einem Schätzer zu ermitteln ist, "wobei jeweils der Wert vom Tag der Veräußerung maßgeblich ist".
    Das hatte ich unterschlagen, bzw. übersehen.

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