Kostengeringhaltung: Anreise mit Bahn trotz Pandemie?

  • Hallo ihr Lieben,

    ich habe in Kostenfestsetzungsanträgen in letzter Zeit ein paar Mal gesehen, dass Parteien mit dem PKW zu einer Verhandlung angereist, obwohl die Fahrtzeit mit der Bahn nicht viel länger gewesen wäre (9 statt 8h), die Kosten mit der Bahn aber insgesamt deutlich niedriger (knapp 200,- €).
    Auf die Kostenminderungspflicht angesprochen schreiben die Anwälte recht lapidar, dass die Partei aufgrund er Pandemie das Auto genommen hat.


    So auf rein persönlicher Ebene kann ich das schon nachvollziehen; ich setze mich aktuell auch nicht in Öffis, wenn es nicht absolut sein muss, aber reicht das persönliche Sicherheitsempfinden als Argument, einem anderen mal eben derartige Mehrkosten "aufzudrücken"?

    Da würde mich die Meinung der Schwarmintelligenz mal interessieren! ;P

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  • Halte ich für unproblematisch.
    Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich die freie Wahl des Verkehrsmittels. Eine Vergleichsberechnung zwischen Kosten des privaten Pkw und der Bahn halte ich nicht für erforderlich (so auch: LArbG Niedersachsen, 17 Ta 520/10).
    Eine Verletzung der Kostenminderungspflicht sehe ich hier nicht.

  • Hier geht es zwar um Parteien, aber auch da kenne ich keine Pflicht zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Zumal in §5 JVEG explizit unterschieden wird, ob ein eigenes Kfz genutzt wird oder eine anderes (gemietet oder so), bei dem die Kostenerstattung auf die Kosten der Bahn begrenzt ist.

  • ...die Kosten mit der Bahn aber insgesamt deutlich niedriger (knapp 200,- €).


    Auch bei Zugrundelegung der 1. Klasse? Hatte ich bislang noch nie. :D;)

    Aber ansonsten so wie die Vorredner. Bei der Wahl des Beförderungsmittels ist die Partei grundsätzlich frei, solange die Entschädigungssätze des § 5 JVEG nicht überschritten werden (H. Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, § 5 Rn. 1; LG Dresden, MDR 2005, 1260; BayLSG, Beschl. v. 02.11.2012 - L 15 SF 82/12).

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  • Danke schonmal :)

    Mein Gedanke zum Vergleich rührte aus dem Zöller, der da meint
    "PKW-Kosten erstattungsfähig, wenn Benutzung der Bahn (zur Pflicht, 2. Klasse zu fahren: Koblenz MDR 87, 852; aA Hamm MDR 97, 207, das 1. Klasse zubilligt; zu Recht nach Entfernung differenzierend: Celle RVGreport 2009, 193) nicht viel billiger gewesen wäre (München AnwBl 82, 201);"
    (juris)

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  • Natürlich gibt es - wie überall - Grenzen der Wahlfreiheit, nämlich dort, wo sie zum Rechtsmißbrauch führt (vgl. z. B. zu 74 % höheren Kosten: LG Cottbus, Beschl. v. 03.02.2009 - 24 Qs 60/08). Den sehe ich hier aber nicht, eben weil die Partei hier berechtigte Belange (Verringerung des Infektionsrisikos) geltend machen kann. Jedenfalls dürfte die Grenze zum Rechtsmißbrauch damit noch nicht erreicht sein.

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  • Ok, das freut mich, dass ihr mein persönliches Empfinden teilt. Dann werde ich die PKW-Kosten festsetzen :)

    Wieder einmal danke an alle! :dankescho

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  • .....

    Der § 91 Abs.1 ZPO spricht nach wie vor von der sogenannten "Notwendigkeit" bezogen auf das Entstehen dieser Kosten und der Festsetzbarkeit durch uns als Rechtspfleger ( nicht durch Rechtsanwälte oder geprüfte
    Notarfachwirte..)

    Natürlich kann der Anwalt oder die Partei wählen , wie diese zum Termin anreisen. Gibt es jedoch günstigere Alternativen im 3-stelligen Bereich würde ich diese Mehrkosten hier absetzen und nur die Bahnkosten erstatten.
    Soll der Anwalt doch Rechtsmittel einlegen, dann wird es vom LG deines Bezirks überprüft und entschieden. Anschließend hast du dann zumindest eine fundierte, anwendbare Entscheidung...

    Jahreslosung 2024: Alles was ihr tut, geschehe in Liebe

    1. Korinther 16,14

  • Thema ist zwar durch, aber ich schließe mich noch insgesamt den Vorschreibern aus #2, 3 und 4 an.

    Beim Vergleich mit Bahnpreisen wäre aufgrund der momentanen Lage sicher auch zu berücksichtigen, dass ein erstattungsfähiges Ticket (Sparpreis, Flexpreis) gebucht wird bzw. das Ticket auch erst kurz vor dem Termin oder am Tag der Fahrt gebucht wird.
    Da kann es aufgrund der Preispolitik der Bahn durchaus günstiger sein, mit dem Pkw zu fahren oder es nimmt sich im Ergebnis nicht viel.

    and the night is full of hunters
    (The Beauty of Gemina - Hunters)

  • Thema ist zwar durch, aber ich schließe mich noch insgesamt den Vorschreibern aus #2, 3 und 4 an.

    Beim Vergleich mit Bahnpreisen wäre aufgrund der momentanen Lage sicher auch zu berücksichtigen, dass ein erstattungsfähiges Ticket (Sparpreis, Flexpreis) gebucht wird bzw. das Ticket auch erst kurz vor dem Termin oder am Tag der Fahrt gebucht wird.
    Da kann es aufgrund der Preispolitik der Bahn durchaus günstiger sein, mit dem Pkw zu fahren oder es nimmt sich im Ergebnis nicht viel.

    Na klar, Reisekosten absetzen bedingt häufig "Stress" in Form von Rechtsbehelfen der beschwerten Anwaltschaft. Diesen shit-Storm kann man sich immer sparen...... :)

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    1. Korinther 16,14

  • Auf die Kostenminderungspflicht angesprochen ....


    Noch zu Ergänzung:

    Die Kostenminderungspflicht hat ja auch ihre Grenze.

    Analog der Begründung des OLG Saarbrücken (JurBüro 2019, 524 - Rn. 15) zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines eigenen Anwalts und der Frage, wann Rechtsmißbräuchlichkeit vorliegt, könnte die hier aufgeworfene Frage zu den Fahrtkosten der Partei entschieden werden. Das OLG hat mit mehreren Verweisen auf die Rspr. des BGH nochmals klargestellt, daß auch das Prozessrecht unter dem Einfluss des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht und danach jede Partei verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten sei aber nur dann auszugehen, wenn feststehe, daß (hier) für die Reise im Pkw (mit entsprechend höheren Kosten als 1. Klasse DB) kein sachlicher Grund bestanden hätte. Der sachliche Grund folgt aus der Pandemielage und dem allgemein bekannten, wesentlich höheren Ansteckungsrisiko. Insofern liegt also im Grundsatz kein mißbräuchliches Verhalten bei der Wahl, den Pkw zu benutzen, vor.

    Das könnte ggf. anders zu sehen sein, wenn die so entstehenden Mehrkosten den sachlichen Grund nicht mehr rechtfertigen können, wenn sie also vollkommen außer Verhältnis dazu stehen (wobei 200 € mehr jetzt allerdings nichts zu diesem Verhältnis aussagt ;)).

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Gehts noch? Ich kann den Termin nicht einfach abblasen, weil es mir zu gefährlich ist, 9 Stunden quer durch Deutschland unterwegs zu sein.

    Es ging hier übrigens nicht um Fahrtkosten des Anwalts.


    ...grins... Wespennest...

    Machts Spaß? :confused:

    Ich kann da auch nicht folgen.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Gehts noch? Ich kann den Termin nicht einfach abblasen, weil es mir zu gefährlich ist, 9 Stunden quer durch Deutschland unterwegs zu sein.

    Es ging hier übrigens nicht um Fahrtkosten des Anwalts.


    Sie müssen keinen Termin abblasen, können sich sogar im Taxi zum Gericht bringen lassen oder per Sänfte tragen lassen.
    Es geht hier um die "Notwendigkeit der Erstattungsfähigkeit" im Sinne von
    § 91 ZPO "...Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. "

    Ob und inwieweit diese als notwendig angesehen werden, entscheidet halt jeder Rechtspfleger eigenständig. Die Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsmöglichkeit steht doch dann jedem Parteienvertreter offen... :daumenrau

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