Ein Fall des § 765a Abs. 3 ZPO?

  • Ich brauche mal kurzfristig eine Denkhilfe:oops:.

    Der Räumungstermin ist am 21.05. Der Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners geht am 14.05. per Einschreiben ein. Grundlage des Antrags ist ein Mietvertrag vom 07.05., Mietbeginn 01.07. (Mietvertrag hat er heute persönlich in Kopie vorbeigebracht, dass Original ist/war beim Jobcenter), keine weitere Begründung des Antrags.

    Ist der Antrag unzulässig gemäß § 765a Abs. 3 ZPO?

  • Das ist ein Fall des § 765a Abs. 3 ZPO. Die 2-Wochen-Frist wurde nicht eingehalten und eine Ausnahme liegt nach der Schilderung auch nicht vor. Der Schuldner war ja nicht an einer rechtzeitigen Antragsstellung gehindert und die Gründe, auf die der Antrag beruht, sind auch nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten.

  • Also ist für Euch der Ablauf der 2-Wochenfrist am 07.05. um 24 Uhr?

    Würde man den 06.05. 24.00 Uhr als Fristablauf rechnen wäre der Grund für den Antrag, nämlich der Mietvertrag, erst nach Ablauf der Frist entstanden und der Schuldner daher an der Einhaltung der Frist für den Antrag gehindert gewesen.

    (Räumungstermin ein Freitag, also 2 Wochenfristende auch am Freitag 24:00 Uhr?)

  • Das lässt sich so pauschal m.E. nicht sagen.

    Der Antrag beruht darauf, dass der Schuldner eine neue Wohnung zum 01.07.2021 angemietet hat. Grundlage des Antrages ist somit der Mietvertrag vom 07.07.2021.
    Die Grundlage des Antrages ist mit Wirksamwerden des Mietvertrages entstanden. Dies ist nur der Tag der Unterschrift, wenn die Willenserklärungen bei gegenseitiger Anwesenheit vorgenommen wurden. Wenn die jeweilige Unterschrift in Abwesenheit der anderen Vertragspartei vorgenommen wurde, würde sie erst mit Zugang wirksam (§130 I BGB).

    Wenn der Mietvertrag am 07.07.2021 wirksam wurde, dürfte der Antrag unzulässig sein, da die Grundlage dann nicht nach Ablauf der Frist entstanden ist sondern noch innerhalb der Frist. Ansonsten wäre der Antrag m.E. zumindest zulässig.

    Hier braucht es ggf. noch Sachvortrag des Schuldners.

    Also ist für Euch der Ablauf der 2-Wochenfrist am 07.05. um 24 Uhr?


    M.E. ja, §187, 188 BGB.

  • Also ist für Euch der Ablauf der 2-Wochenfrist am 07.05. um 24 Uhr?

    Würde man den 06.05. 24.00 Uhr als Fristablauf rechnen wäre der Grund für den Antrag, nämlich der Mietvertrag, erst nach Ablauf der Frist entstanden und der Schuldner daher an der Einhaltung der Frist für den Antrag gehindert gewesen.

    Aus meiner Sicht spielt der konkrete Fristablauf in deinem Fall zumindest derzeit keine Rolle.

    Der Räumungsschutzantrag wurde deutlich zu spät gestellt, egal wie man die 2 Wochen berechnet. Weshalb der Antrag nicht unter Wahrung der gesetzlichen Frist gestellt wurde, wäre durch den Schuldner plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen.

    (Meinen Erfahrungen nach kümmern sich viele Schuldner zu spät um eine neue Wohnung, weil sie die anstehende Räumung gedanklich verdrängen. Dann hat der Betreffende natürlich Pech, wenn er dadurch den Mietvertrag erst so spät erhält, dass der Räumungsschutzantrag nicht mehr rechtzeitig gestellt werden kann.)

    Ohne entsprechenden Sachvortrag ist daher von der Unzulässigkeit des gestellten Antrages auszugehen.


    Zur Frist gab es schon mehrfach Diskussionen im Forum, z. B. hier: https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post583203

    Nach der dort vertretenen Ansicht wäre die Frist in deinem Fall am 06.05. um 24.00 Uhr abgelaufen.

  • Selbst wenn der Antrag zulässig wäre, ist das bloße Einreichen eines Mietvertrages ohne weiteren Sachvortrag natürlich etwas dünn...

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Aus meiner Sicht spielt der konkrete Fristablauf in deinem Fall zumindest derzeit keine Rolle.

    Der Räumungsschutzantrag wurde deutlich zu spät gestellt, egal wie man die 2 Wochen berechnet. Weshalb der Antrag nicht unter Wahrung der gesetzlichen Frist gestellt wurde, wäre durch den Schuldner plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen.

    .

    Eben. Der Schuldner trägt ja noch nicht einmal vor, es sei ihm, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich gewesen den Antrag früher zu stellen. Zumal, rein lebenspraktisch, zumindest davon ausgegangen werden kann, dass er auch vor dem 07.05.2021, zumindest schon wusste, dass er die neue Wohnung erhalten würde.
    Da müsste definitiv mehr kommen um fünf Werktage vor der Räumung noch eine Ausnahme in Betracht zu ziehen.

  • Dann verstehe ich Euch richtig, dass der Antrag auch deswegen unzulässig, weil verspätet, ist, weil er den Antrag, selbst wenn er den Mietvertrag erst offiziell am 07.05., also nach Fristablauf, abgeschlossen hat, nicht unverzüglich, sondern erst per Post drei Tage später (10.05. laut Stempel abgesandt) gesandt hat?

    Anders gesagt: Tritt der Grund, warum die Frist nicht eingehalten werden konnte, nach Ablauf der Frist ein und stellt der Schuldner nicht unverzüglich den Antrag (hier z.B. durch Einschreiben am nächsten Tag oder persönliches Erscheinen am nächsten Werktag, hier dem Montag, bzw. wirft den Brief nicht am selben oder spätestens am nächsten Tag in den Gerichtsbriefkasten), dann ist der Antrag unzulässig, weil verspätet?

    Und der Schuldner muss vortragen, warum er die Frist nicht einhalten konnte, das Datum des Mietvertrags reicht nicht. Sonst gehe ich davon aus, dass der Schuldner nicht alles unternommen hat, den Mietvertrag rechtzeitig abzuschließen.

  • Die Begründung für den Antrag ist doch nicht, dass der neue Mietvertrag erst am ... abgeschlossen wurde. De Schuldner hat zu begründen, warum er nicht rechtzeitig ausziehen kann. Er kann ja auch sein Zeug Zwischenlagern, für sich eine vorübergehende bleibe suchen und dann seine gewünschte neue Wohnung beziehen.

  • Dann verstehe ich Euch richtig, dass der Antrag auch deswegen unzulässig, weil verspätet, ist, weil er den Antrag, selbst wenn er den Mietvertrag erst offiziell am 07.05., also nach Fristablauf, abgeschlossen hat, nicht unverzüglich, sondern erst per Post drei Tage später (10.05. laut Stempel abgesandt) gesandt hat?

    Anders gesagt: Tritt der Grund, warum die Frist nicht eingehalten werden konnte, nach Ablauf der Frist ein und stellt der Schuldner nicht unverzüglich den Antrag (hier z.B. durch Einschreiben am nächsten Tag oder persönliches Erscheinen am nächsten Werktag, hier dem Montag, bzw. wirft den Brief nicht am selben oder spätestens am nächsten Tag in den Gerichtsbriefkasten), dann ist der Antrag unzulässig, weil verspätet?

    Und der Schuldner muss vortragen, warum er die Frist nicht einhalten konnte, das Datum des Mietvertrags reicht nicht. Sonst gehe ich davon aus, dass der Schuldner nicht alles unternommen hat, den Mietvertrag rechtzeitig abzuschließen.


    Sehr "schöner kniffliger" Fall.
    Generell zu Absatz 3:

    "In beiden Fällen läuft gar keine Frist, auch nicht ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag gestellt werden kann."
    (BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 765a Rn. 6) (bezogen auf die beiden Ausnahmen nach Absatz 3).

    Damit würde ich sagen, dass wenn der Grund nach Fristablauf eintritt (und ich vertrete hier nicht die Auffassung wie andere Foristen, dass der Schuldner hierzu besonders vortragen muss, denn es ist die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen)der Schuldner 7 Tage oder 3 Tage vorher den Antrag stellen kann, es läuft dann eben keine Frist (mehr). Der MüKo siehts ähnlich, wenn auch etwas verklausulierter, MüKoZPO/Heßler, 6. Aufl. 2020, ZPO § 765a Rn. 74


    Und nun konkret:

    Fristablauf ist der 07.05. 24 Uhr.
    Bezüglich der Fristberechnung schau mal: Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 765a Rn. 10, beck-online , welcher dann auf : Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 721 Rn. 5, beck-online verweist.
    ("Bei der Fristberechnung wird der Räumungstag selbst mitgezählt, so dass zB der Antrag am 17.12. zu stellen ist, wenn der Schuldner am 31.12. räumen muss.")

    Und ansonsten uneingeschränkte Zustimmung zu jfp. Ausschlaggebend für den "Grund des Antrags" ist das Zustandekommen des Mietvertrags, 2 übereinstimmende Willenserklärungen, wir kennen das, Studium lässt grüßen. Wenn also in beiderseitiger Anwesenheit geschlossen (erfahrungsgemäß glaube ich am häufigsten der Fall) dann ist der Grund für den Antrag (neue Wohnung in Kürze, Sittenwidrigkeit durch 2-fachen Umzug in kurzer Zeit) noch binnen der Frist entstanden und somit der Antrag als verspätet und unzulässig zu verwerfen.

    Natürlich pikant, weil es so dermaßen auf des Messers Schneide ist, aber so ist es ...

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Dann verstehe ich Euch richtig, dass der Antrag auch deswegen unzulässig, weil verspätet, ist, weil er den Antrag, selbst wenn er den Mietvertrag erst offiziell am 07.05., also nach Fristablauf, abgeschlossen hat, nicht unverzüglich, sondern erst per Post drei Tage später (10.05. laut Stempel abgesandt) gesandt hat?

    Anders gesagt: Tritt der Grund, warum die Frist nicht eingehalten werden konnte, nach Ablauf der Frist ein und stellt der Schuldner nicht unverzüglich den Antrag (hier z.B. durch Einschreiben am nächsten Tag oder persönliches Erscheinen am nächsten Werktag, hier dem Montag, bzw. wirft den Brief nicht am selben oder spätestens am nächsten Tag in den Gerichtsbriefkasten), dann ist der Antrag unzulässig, weil verspätet?

    Und der Schuldner muss vortragen, warum er die Frist nicht einhalten konnte, das Datum des Mietvertrags reicht nicht. Sonst gehe ich davon aus, dass der Schuldner nicht alles unternommen hat, den Mietvertrag rechtzeitig abzuschließen.

    Hier ist es recht schön zusammengefasst, BeckOK MietR, Zwangsvollstreckung Rn. 178 Rn. 178, beck-online:

    Zitat

    Entgegen der wohl herrschenden Meinung ist der Tag des Räumungstermins bei der Fristberechnung nicht mit einzuberechnen. Ein erst nach Ablauf der Frist gestellter Antrag ist in diesen Fällen ohne sachliche Prüfung als unzulässig zu verwerfen (Zöller/Seibel ZPO § 765a Rn. 19). Auf diese Rechtsfolge muss der Schuldner hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Ein Antrag ist ausnahmsweise auch nach Fristablauf noch zulässig, wenn der Härtegrund, auf den der Schuldner sich beruft, erst nach Fristablauf entstanden ist oder der Schuldner ohne sein Verschulden, etwa wegen Erkrankung, an rechtzeitiger Antragstellung gehindert war (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter ZPO § 765a Rn. 26).

    Wie man sieht, ist die Frage der Fristberechnung auch in der Kommentierung nicht unumstritten, vgl. auch BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 765a Rn. 51:

    Zitat

    Bei der Fristberechnung ist vom festgesetzten Räumungstermin zurückzurechnen. Der festgesetzte Räumungstermin selbst zählt nicht mit. Spätester Termin für die Antragstellung ist der vierzehnte Tag vor dem Tag vor dem festgesetzten Räumungstermin. Da Abs. 3 den Interessen des Gläubigers und nicht denen des Schuldners Rechnung tragen soll, rechtfertigt der Umstand, dass der späteste Termin zur Antragstellung auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag fällt, keine Verschiebung unter Verkürzung der vierzehntägigen Frist (vgl. BGH NJW 2005, 1354 (1355); LG Berlin NJW-RR 1993, 144 (144 f.); HK-ZV/Bendtsen Rn. 67; allg. Boemke/Ulrici, BGB AT, 2. Aufl. 2013, § 15 Rn. 57 f.; → § 721 Rn. 14).


  • Sehr "schöner kniffliger" Fall.
    Generell zu Absatz 3:

    "In beiden Fällen läuft gar keine Frist, auch nicht ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag gestellt werden kann."
    (BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 765a Rn. 6) (bezogen auf die beiden Ausnahmen nach Absatz 3).

    Damit würde ich sagen, dass wenn der Grund nach Fristablauf eintritt (und ich vertrete hier nicht die Auffassung wie andere Foristen, dass der Schuldner hierzu besonders vortragen muss, denn es ist die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen)...

    Zur m. E. zutreffenden Ansicht, die Fristversäumung müsse vom Schuldner begründet werden, vgl. Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO § 765a Rn. 66, beck-online:

    Zitat

    Verspätete Anträge sind zulässig, wenn die den Antrag begründenden Umstände erst nach Ablauf der Frist eingetreten sind oder wenn der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung verhindert war (Abs. 3), etwa weil der Gerichtsvollzieher den Termin nicht rechtzeitig angekündigt oder die Mitteilung ihn nicht rechtzeitig erreicht hat. Die Gründe für die Zulässigkeit des verspäteten Antrags muss der Schuldner beweisen. Eine Glaubhaftmachung ist nur für den Erlass einstweiliger Anordnungen gem. Abs. 1 S. 2 ausreichend.

    Unabhängig davon, gibt es denn - in der Regel - nicht erst einmal einen Besichtigungstermin und nach ein paar Tagen Bedenkzeit des Vermieters den Mietvertrag? :gruebel:

  • "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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