Einsatz beim Verwaltungsgericht

  • Hallo zusammen,

    ich schreibe jetzt im Sommer mein Examen und habe von meinem OLG die Anfrage erhalten, ob ich mir vorstellen könnte, nach meinem Examen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit zu wechseln.
    Hat hier jemand Erfahrungen dazu?

    Momentan stelle ich mir die Aufgabenbereiche beim Verwaltungsgericht nur vor bestehend aus Kosten und Verwaltung. Also nicht wirklich vielfältig. Ist das tatsächlich so?

    Würdet ihr die Verwaltungsgerichtsbarkeit empfehlen? Einmal da, kommt man ja auch nicht mehr so schnell wieder zurück ans AG.

    Viele Grüße!

  • Hallo rpflagnrw,

    auch ich wurde seinerzeit kurz vor dem Examen gefragt, ob ich zur Verwaltungsgerichtsbarkeit möchte.

    Grob umrissen bestehen die Aufgaben, wie du schon sagst, aus Kostenfestsetzung und Verwaltungstätigkeiten. Aber dennoch ist es nicht eintönig.
    Verwaltung umfasst ein sehr breites Themenfeld wie z.B. Personalsachen, IT-Sachbearbeitung, Gebäudeverwaltung, Gruppenleitung uvm. Natürlich ist das je nach Gerichtsgröße und Ort (z.B. Justizzentrum oder "alleinstehendes" Gericht) sehr verschieden, welche Sachgebiete es gibt und wie sie aufgeteilt sind. Ob am VG oder beispielsweise am AG, wenn man Pech hat, dann sind auch Bereiche dabei, die man nicht so mag. Das Traumpensum kann man sich so oder so nur selten zusammenstellen. Du wärst aber jedenfalls nicht für ewig auf bestimmte Sachgebiete festgelegt, sondern könntest auch tauschen. Da selbst an einem großen VG mit ~200 Kollegen der gehobene Dienst nur aus ca. <10 Kollegen (inkl. Geschäftsleitung) besteht, ist man in einem kleinen Team und gut vernetzt. Die Verwaltung eines VG ist kein anonymer Verwaltungsapparat, sondern sehr überschaubar. Dafür bekommt man auch einen umfangreichen Blick auf alles, was im Gericht so passiert und kann sich selbst einbringen.

    In Kostensachen ist charakteristisch, dass man es nicht nur mit Privatpersonen/Gesellschaften, sondern auf einer Seite auch immer mit Behörden (viele kleine und große Körperschaften, Gemeinden und Städte, Landkreise, Minsterien, Bundesbehörden, usw.) zu tun hat. Das führt oft dazu, dass nur eine Partei anwaltlich vertreten ist und nur dort nennenswerte (Rechtsanwalts-)Kosten entstehen. Mehrvergleiche, Klageerweiterungen oder Streitgenossen mit Teil-PKH gibt es so gut wie garnicht. Mit dem was man im Studium lernt, ist man auf die Kostensachen gut vorbereitet, denn die kostenrechtlichen Vorschriften sind größtenteils die gleichen wie im Zivilrecht.

    Auf der Rechtsantragstelle könntest du auch eingesetzt sein. Hier ist das Publikum etwas anders als beim AG, finde ich jedenfalls. So gibt es z.B. keine Anträge für Beratungshilfe (die muss auch in verwaltungsrechtlichen Sachen beim AG beantragt werden), sondern wer hierher kommt, der will eine Klage oder einen Eilantrag einreichen. Ein Vorteil ist es dabei, dass meistens ein behördlicher Bescheid existiert, der angegriffen wird. Oder dass zumindest recht deutlich wird, was eine Behörde aus Sicht des Klägers tun oder unterlassen soll (z.B. Untätigkeitsklage, weil über einen Antrag noch nicht entschieden wurde). Das macht die Antragsaufnahme eigentlich leicht. Häufige Themen auf der Rechtsantragstelle sind z.B. Ausländerrecht (Asyl, Aufenthalt, Einbürgerung), Polizeirecht (Wohnungsverweisungen, Erkennungsdienstliche Untersuchungen), Hochschulrecht (Studienplatzvergabe, Anerkennung von Studienleistungen, Prüfungen), Fahrerlaubnis- und Verkehrsrecht (FS-Entzug, Abschleppkosten), Schul- und Kindergartenrecht (Kitaplatzzuweisung, Aufnahme an weiterführenden Schulen). In letzter Zeit war natürlich das Thema Corona sehr gefragt (Allgemeinverfügungen von Stadt/Landkreis, angeordnete Betriebsschließungen, abgelehnte Soforthilfezahlungen, Eltern für oder gegen Distanzunterricht und Maskenpflicht, etc.). Über mangende Abwechselung kann ich auf der Rechtsantragstelle wirklich nicht klagen.

    Ob du lieber an einem AG/LG oder VG arbeiten möchtest ist sicherlich eine persönliche Wahl, die jeder für sich treffen muss. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich jedoch sagen, dass ich den Schritt zum Einstieg beim VG nicht bereue. Ich finde die vielen unterschiedlichen verwaltungsrechtlichen Themen, die mir hier begegnen, interessant und habe viel über das Verwaltungsgeschehen in Deutschland gelernt, was auch einen gewissen privat nutzbaren Mehrwert hat. Die Beförderungschancen sind, das ist ein offenes Geheimnis, bei Verwaltungstätigkeiten besser als bei einer reinen Rechtspflegertätigkeit.
    Wechselmöglichkeiten von einem VG zu einem anderen VG gibt es. Auch der Wechsel in die ordentliche Gerichtsbarkeit ist möglich und ich denke nicht unbedingt schwieriger als der Wechsel z.B. von einem AG zum nächsten AG. Hier sollte es auf die verfügbaren Stellen und die persönlichen Gründe für den Wechsel ankommen und wer z.B. in der Fachgerichtsbarkeit nicht glücklich wird, den wird man nicht mit Gewalt zwingen zu bleiben. Zu Beginn wäre vielleicht auch eine Abordnung für dich interessant, denn so könntest du vor einer Versetzung erstmal Erfahrungen sammeln und dann entscheiden, was deine Ziele sind und wohin du möchtest.

    Viele Grüße

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