Unrichtige Erbfolge im Grundbuch - Europäisches Nachlasszeugnis

  • Hallo miteinander,

    ich habe hier einen etwas verzwickten Fall:

    Vor 5 Jahren wurde im Grundbuch eine Erbengemeinschaft eingetragen. Grundlage war ein europäisches Nachlasszeugnis, welches die gesetzliche Erbfolge ausweist.

    Einige Jahre später tauchten privatschriftliche Testamente auf, welche eine andere Person (nicht aus dem Kreis der gesetzlichen Erben) als Alleinerben beinhalten.
    Im Grundbuch ist zunächst nichts passiert. Es wurde nur ein Vermerk im Aktendeckel gemacht, dass die eingetragene Erbfolge wahrscheinlich unrichtig ist. Aus meiner Sicht hat der Kollege damals auch alles richtig gemacht. Da das Europäische Nachlasszeugnis bei Grundbuchberichtigung nicht zu beanstanden war, gab es auch keine Möglichkeit einen Amtswiderspruch einzutragen. Das wurde hier im Forum auch schon mehrmals ausgeführt.

    Im Nachlassverfahren wurden diverse Anträge gestellt. Das Nachlassverfahren zieht sich seit 5 Jahren dahin, steht nun aber anscheinend kurz vor dem Abschluss.

    Nun hat aber die Nachlasspflegerin (Aufgabenkreis: Sicherung und Verwaltung des Nachlasses) einen Antrag auf Eintragung der unbekannten Erben im Grundbuch gestellt. Es sollen Zwangssicherungshypotheken im Grundbuch eingetragen werden, daher möchte Sie die unbekannten Erben eintragen lassen.
    Zwischenzeitlich liegt nun auch schon der erste Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek vor, der zugrundeliegende Titel lautet gegen die "unbekannten Erben der xy gesetzlich vertreten durch die Nachlasspflegerin". Antragsteller ist aber nicht die Nachlasspflegerin, sondern die Rechtsanwältin des Gläubigers - diese hat wiederum ebenfalls einen Antrag auf Eintragung der unbekannten Erben gestellt.

    Ich habe also zwischenzeitlich 3 Anträge liegen:

    a) Eintragung der unbekannten Erben (Nachlasspflegerin)
    b) Eintragung der unbekannten Erben (Gläubigervertreterin)
    c) Eintragung einer Zwangssicherungshypothek (Gläubigervertreterin)

    Ich komme nicht recht weiter. Hier meine Überlegungen:

    1. Ist zur Eintragung der Zwangssicherungshypothek überhaupt die Voreintragung der unbekannten Erben erforderlich?
    Gemäß § 40 Abs. 1 GBO ist die Voreintragung der (unbekannten) Erben entbehrlich, da es sich um einen Titel gegen den Nachlasspfleger handelt. Jedoch ist hier ja nicht mehr der Erblasser im Grundbuch eingetragen, sondern eine Erbengemeinschaft. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob nicht doch die unbekannten Erben eingetragen werden müssten. Einen Titel gegen die eingetragene Erbengemeinschaft habe ich ja nicht.

    2. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die Eintragung der unbekannten Erben erforderlich ist, stellt sich mir jedoch die Frage, ob dies überhaupt im Grundbuch möglich ist. Im Schöner/Stöber steht in Rn. 785, dass solange ein Erbschein nicht eingezogen ist, nicht der Einwand erhoben werden kann, dass das Grundbuch unrichtig sei. In meinem Fall war Eintragungsgrundlange ein Europäisches Nachlasszeugnis. Dieses wurde nie eingezogen. Als die Testamente bekannt wurden, war das ENZ bereits zeitlich nicht mehr gültig. Dazu wurde im Nachlassverfahren lediglich festgestellt, dass das ENZ nicht mehr gültig sei, deshalb kommt kein Widerruf in Betracht. Die privatschriftlichen Testamente können das ENZ auch nicht in grundbuchtauglicher Form widerlegen

    Andererseits habe ich die Nachlassakte eingesehen und mir ist durchaus bewusst, dass es (ziemlich) sicher ein neues ENZ geben wird, welches eine komplett andere Erbfolge, als die im Grundbuch eingetragene, ausweisen wird. Der entsprechende Antrag wird beim Nachlassgericht bereits bearbeitet.

    Meine Überlegung wäre jetzt, dass ich vor Eintragung der "unbekannten Erben" die jetzt eingetragenen Erben anhöre. Dies wird jedoch (siehe Nachlassverfahren) wohl dazuführen, dass sich diverse Anwälte einschalten. Dann geht wieder nichts vorwärts.

    Wie seht ihr das? Würdet ihr die unbekannten Erben eintragen?
    Ich hoffe, ich habe den Sachverhalt einigermaßen verständlich dargestellt.

  • Bislang ist die Grundbuchunrichtigkeit nicht urkundlich bewiesen, weshalb auch keine Grundbuchberichtigung erfolgen kann. Damit erübrigen sich bisher alle Überlegungen zur Eintragung der unbekannten Erben (die ja grundsätzlich möglich ist). Erst wenn ein neues ENZ oder ein Erbschein vorgelegt wird, aus dem sich die richtige Erbeneintragung ergibt, kann das GBA eintragen. Die Berichtigungsanträge erscheinen mir daher zurückweisungsreif.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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  • Natürlich kann das ENZ widerrufen werden (Art. 71 Abs. 2 EuErbVO). Die Gültigkeitsfrist gilt nur für die beglaubigten Abschriften (Art. 70 Abs. 3 EuErbVO). Der Unterschied zum Erbschein ist nur, dass diese beglaubigten Abschriften nicht eingezogen werden (vgl. § 71 Abs. 3 EuErbVO).

  • Solange allerdings das NLG bei seinem (unrichtigen) Standpunkt bleibt und das ENZ nicht widerruft, kann das GBA nichts machen.

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  • Solange allerdings das NLG bei seinem (unrichtigen) Standpunkt bleibt und das ENZ nicht widerruft, kann das GBA nichts machen.

    Mein Vorgänger hat sowohl das Nachlassgericht, als auch die Nachlasspflegerin darauf hingewiesen, dass das ENZ eingezogen werden muss. Da ist aber nichts passiert.

    Das bedeutet also, die unbekannten Erben können nicht eingetragen werden. Die im Grundbuch eingetragene Erbfolge gilt solange als richtig, bis mir durch Einziehung des ENZ oder eines neuen Erbnachweises das Gegenteil bewiesen wurde.

    Damit muss ich die Anträge auf Eintragung der unbekannten Erben zurückweisen? Oder würdet ihr eine Zwischenverfügung erlassen?
    Der Mangel ist ja quasi die fehlende Einziehung des ENZ.

  • Da der Mangel nicht mit Rückwirkung behebbar ist und Du -salopp gesagt- nichts fordern darf, was erst geschaffen werden muß, bleibt nur die Zurückweisung.

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  • Da wäre ich mir nicht so sicher.

    Es geht ja nicht um eine fehlende rechtsgeschäftliche Erklärung, deren Fehlen nicht mit rückwirkender Kraft behebbar ist, sondern um den objektiven Zustand, dass das ENZ bereits jetzt unrichtig ist (und von Anfang an unrichtig war).

    Und wie bereits gesagt: Ein ENZ wird nicht eingezogen, sondern widerrufen.

  • Da wäre ich mir nicht so sicher.

    Es geht ja nicht um eine fehlende rechtsgeschäftliche Erklärung, deren Fehlen nicht mit rückwirkender Kraft behebbar ist, sondern um den objektiven Zustand, dass das ENZ bereits jetzt unrichtig ist (und von Anfang an unrichtig war).

    Und wie bereits gesagt: Ein ENZ wird nicht eingezogen, sondern widerrufen.

    Ja, richtig. Widerruf nicht Einziehung. :oops:
    Mit Widerruf des ENZ könnte man die unbekannten Erben eintragen und damit wäre dann auch die Eintragung der Zwangssicherungshypothek möglich.
    Diesen Widerruf können die Beteiligten beim Nachlassgericht in die Wege leiten, damit sehe ich auch eher die Zwischenverfügung als eine Zurückweisung.

    Vielen Dank für eure Hilfe! Die Unterstützung hier ist echt super, vor allem wenn man selber manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht :)

  • Da wäre ich mir nicht so sicher.

    Es geht ja nicht um eine fehlende rechtsgeschäftliche Erklärung, deren Fehlen nicht mit rückwirkender Kraft behebbar ist, sondern um den objektiven Zustand, dass das ENZ bereits jetzt unrichtig ist (und von Anfang an unrichtig war).

    Und wie bereits gesagt: Ein ENZ wird nicht eingezogen, sondern widerrufen.

    Und ich wäre mir nicht sicher, ob das OLG eine Zwischenverfügung halten würde, mit der die Vorlage eines erst noch zu erstellenden Erbnachweises verlangt würde. Aber versuchen kann man es natürlich.

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  • Wenn erstmals die Eintragung der Erbfolge beantragt wird und man einen fehlenden Erbnachweis moniert (oder einen Erbschein verlangt, weil einem das notarielle Testament nicht reicht), weist man auch nicht gleich zurück. Es ist also danach zu unterscheiden, ob bei auf Rechtsgeschäfte zurückführenden Eintrgungen eine grundlegende Erklärung (wie etwa eine Auflassung) fehlt oder ob im Berichtigungsverfahren nur der Nachweis dafür fehlt, dass etwas so ist, wie es ohnehin ist.

  • Das ist völlig richtig. Also bleiben wir zunächst bei der Zwischenverfügung.

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  • Ich frage mich, was, wem mit Zwischenverfügung aufgegeben werden soll ?

    Bislang liegt ein Antrag auf Eintragung unbekannter Erben vor.

    Also gerade kein Antrag, der sich auf die Grundbuchberichtigung aufgrund eines neu zu erteilenden ENZ oder eines neuen Erbscheins richtet. Diesen Antrag könnten ja wohl nur der oder die dort ausgewiesenen Erbe/n stellen. Und für die Eintragung unbekannter Erben ist dann, wenn die Ermittlung der Erben -wie vorliegend- zeitnah möglich erscheint, kein Raum (s. Gutachten des DNotI im DNotI-Report 17/2000, 142/143
    https://www.dnoti.de/fileadmin/user…ort-2000-17.pdf

    Also kann doch den Antragstellern (Nachlasspflegerin/Gläubigervertreterin) nur die beabsichtigte Zurückweisung angekündigt werden.

    Davon abgesehen, ist auch der zu führende Erbnachweis noch nicht existent.

    Solange die Vermutung des Art. 69 Absatz 2 Satz 1 EuErbVO nicht durch den Widerruf des ENZ nach Art. 71 Absatz 2 EuErbVO , § 38 IntErbRVG widerlegt ist, hat daher auch das GBA noch vom Fortbestand des seinerzeit bezeugten Erbrechts auszugehen. Auch geht Hertel im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 15.04.2021, § 891 BGB RN 32 (wie das LG Freiburg, BWNotZ 1981, 38 und Picker im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 891 RN 55) davon aus, dass die speziellere Vermutung des § 891 BGB der allgemeineren des § 2365 BGB (und damit wohl auch des Art. 69 Absatz 2 EuErbVO) vorgeht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Für die Eintragung der unbekannten Erben bedarf es keines positiven Erbnachweises, weil die Erben für diese Eintragung noch nicht personell bekannt sein müssen. Es bedarf aber der Suspendierung der Wirkungen des unrichtigen ENZ, sodass dem Antragsteller der Nachweis des Widerrufs des ENZ aufgegeben werden kann.

    Ähnlicher Sachverhalt: Im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 GBO kann dem Antragsteller die Beseitigung des Vorbehalts aufgegeben werden, selbst wenn er die Aufhebung nicht alleine in der Hand hat.

  • Das würde in der Konsequenz dazu führen, dass die unbekannten Erben auch dann noch im GB einzutragen wären, wenn innerhalb der mit Zwischenverfügung gesetzten Frist ein neues ENZ oder ein neuer Erbschein erteilt wurde. Und das ist nach dem oben Ausgeführten („Andererseits habe ich die Nachlassakte eingesehen und mir ist durchaus bewusst, dass es (ziemlich) sicher ein neues ENZ geben wird, welches eine komplett andere Erbfolge, als die im Grundbuch eingetragene, ausweisen wird. Der entsprechende Antrag wird beim Nachlassgericht bereits bearbeitet“). ja nicht ausgeschlossen.

    Mir scheint daher nach wie vor die Anhörung zur Antragszurückweisung das Mittel der Wahl.

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