Rechtsnachfolge, § 750 Abs. 2 ZPO

  • Hallo liebe Kollegen,

    mir liegt ein Antrag auf Pfüb vor und ich habe bemängelt, dass die Zustellung der Urkunden gemäß § 750 II ZPO nicht belegt wurde.
    Vielleicht sagt euch der Fall was, denn es handelt sich bei der Gläubigerin um ein allseits bekanntes (gelbes) Briefzustellunternehmen. Umso mehr stutze ich wegen der Antwort auf meine Zwischenverfügung.
    Im Einzelnen:
    Titel lautet auf A, dann wurde eine Rechtsnachfolgeklausel auf B erteilt, RNF offenkundig.
    Weitere RNFklausel auf C, RNF nachgewiesen durch Urkunde 1.
    Weitere RNFklausel auf D, RNF nachgewiesen durch Urkunde 2.

    Gläubiger meint, auf die Zustellung der Urkunde 1 käme es nicht an. Weil B mit Genehmigung von C die Forderung an D verkauft hätte.

    Versteht ihr das?

  • Hallo liebe Kollegen,

    Titel lautet auf A, dann wurde eine Rechtsnachfolgeklausel auf B erteilt, RNF offenkundig.
    Weitere RNFklausel auf C, RNF nachgewiesen durch Urkunde 1.
    Weitere RNFklausel auf D, RNF nachgewiesen durch Urkunde 2.

    Nach Sinn und Zweck des §750 II ZPO sind sowohl Urkunde 1 als auch Urkunde 2 zuzustellen, wenn die Klauseln aufeinander aufbauen (und keine nebeneinanderstehenden Teilklauseln vorliegen). Denn nur so kann der Schuldner sich von der ordnungsgemäßen Klauselerteilung überzeugen.
    Zuzustellen sind zudem die Urkunden auf die sich das Klauselorgan gestützt hat, unabhängig davon auf welche Urkunden es sich hätte stützen können/müssen (vgl. BGH, V ZB 174/15).
    Daher ist dies:


    Gläubiger meint, auf die Zustellung der Urkunde 1 käme es nicht an. Weil B mit Genehmigung von C die Forderung an D verkauft hätte.


    ohne Belang.
    Eine inhaltliche Würdigung der Urkunden ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans und steht im daher auch nicht zu.

  • Ja, das sehe ich auch so.
    Danke.
    Ich war wohl vor allem so irritiert, weil der Antrag von diesem Großgläubiger kam. Es existieren sicher tausende solcher Titel, die alle solche RNF Klauseln haben, weshalb soll die Zustellung dieser einen Urkunde plötzlich solch in Problem sein?

  • Hallo liebe Kollegen,

    Titel lautet auf A, dann wurde eine Rechtsnachfolgeklausel auf B erteilt, RNF offenkundig.
    Weitere RNFklausel auf C, RNF nachgewiesen durch Urkunde 1.
    Weitere RNFklausel auf D, RNF nachgewiesen durch Urkunde 2.

    Nach Sinn und Zweck des §750 II ZPO sind sowohl Urkunde 1 als auch Urkunde 2 zuzustellen, wenn die Klauseln aufeinander aufbauen (und keine nebeneinanderstehenden Teilklauseln vorliegen). Denn nur so kann der Schuldner sich von der ordnungsgemäßen Klauselerteilung überzeugen.
    ...

    Nach dem Blick in den § 750 Abs. 2 ZPO und in diverse Online-Kommentare bin ich nicht sicher, ob deine Ansicht zutreffend ist.

    Vom Wortlaut des § 750 Abs. 2 ZPO her dürfte man lediglich auf die dem D als vollstreckenden Gläubiger erteilte Vollstreckungsklausel abstellen ("sofern ... die Vollstreckungsklausel erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden...)

    Dass man die Zustellung sämtlicher Urkunden zu den allen ehemaligen Gläubigern erteilten Rechtsnachfolgeklauseln als Vollstreckungsvoraussetzung fordern könnte/müsste, findet sich in der Kommentierung nicht, vgl. Musielak/Voit/Lackmann, 18. Aufl. 2021, ZPO § 750 Rn. 22:

    Zitat

    Das Vollstreckungsorgan ist an eine wirksam erteilte Klausel gebunden (→ § 724 Rn. 2), darf also zB nicht nachprüfen, ob sämtliche erforderlichen Urkunden im Klauselerteilungsverfahren vorgelegt wurden. Dementsprechend müssen nur die Urkunden zugestellt werden, die in der Klausel genannt sind.

    Das liest sich auch so als ob es nur auf die RNF-Klausel des aktuellen Vollstreckungsgläubigers ankäme.

  • Wenn das Klauselerteilungsorgan bei Erteilung der Klausel auf die bisherige Klausel aufbaut (mithin nur die Rechtsnachfolge von dem in der Klausel ausgewiesen Rechtsnachfolger auf den neuen Rechtsnachfolger prüft) müssen m.E. nach Sinn und Zweck des §750 II ZPO auch die urkundliche Grundlage der vorhergehenden RNF-Klauseln zugestellt worden sein.
    Die vorhergehenden RNF-Klauseln sind m.E. ebenfalls Grundlage für die neue Klauselumschreibung.

    Anderenfalls könnte der Schuldner mangels Zustellung dieser Urkunden nicht nachprüfen, ob die erste Klausel zutreffend war. Und wenn schon die erste Klausel unrichtig war ist die darauf aufbauende Klausel ebenso unrichtig. So würde man m.E. das Überprüfungsrecht des Schuldners unterwandern (können).

  • Eigentlich soll der Schuldner schon frühzeitig die Möglichkeit erhalten, Einwendungen gegen die (beabsichtigte) Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel vorzubringen, § 730 ZPO, vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 730 Rn. 3 f.:

    Zitat

    Die Anhörung des Antragsgegners steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Es wird vom Zweck der Anhörung geleitet, den von der Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel betroffenen Antragsgegner in den Stand zu versetzen, seine Interessen zu wahren, insbesondere die Erteilung einer rechtswidrigen Klausel möglichst frühzeitig zu verhindern...
    Deshalb ist die Anhörung zur Vermeidung der durch eine überraschende Klauselerteilung für den Antragsgegner verbundenen Lasten die Regel, von welcher (nur) abgewichen werden kann, wenn die Interessen des Antragstellers dies gebieten (aA HK-ZV/Giers/Haas Rn. 2 f.).

    Der Schuldner hat im Falle der Anhörung zur Klauselerteilung bereits die Möglichkeit, Klauselerinnerung einzulegen, noch ehe ihm diese (ggf. nebst Urkunden) zugestellt wird.

  • Eigentlich soll der Schuldner schon frühzeitig die Möglichkeit erhalten, Einwendungen gegen die (beabsichtigte) Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel vorzubringen, § 730 ZPO, vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 730 Rn. 3 f.:

    Das Vollstreckungsorgan kann regelmäßig aber auch nicht prüfen , ob dies geschehen ist (und muss bzw. darf dies auch nicht). Der Gesetzgeber hat aber das - vom Vollstreckungsgericht zu beachtende - grundsätzliche Zustellerfordernis für die Urkunden geschaffen. Daher scheint es mir nur logisch, dass dieses auch konsequent umgesetzt werden sollte.

    Zudem scheint es mir unlogisch, dass z.B. bei mehreren Abtretungen alle Urkunde zugestellt werden müssen, wenn zwischenzeitlich keine RNF-Klausel erteilt wurde, während im Fall von mehreren Klauseln nur die Urkunden der letzten Abtretung (Klauselerteilung) zuzustellen wären.

    Es ist aber natürlich legitim anderer Auffassung zu sein.

  • Dann wären zwar keine "Zwischen"-Klauseln erteilt worden, aber der Rpfl. beim Prozessgericht hätte die einzelnen Rechtsnachfolgen prüfen müssen und jede einzelne Urkunde wäre dann der Nachweis der Rechtsnachfolge. Also in der Summe müssten meiner Meinung nach dann ebenso alle Urkunden genannt und damit auch zuzustellen sein.

  • Eigentlich soll der Schuldner schon frühzeitig die Möglichkeit erhalten, Einwendungen gegen die (beabsichtigte) Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel vorzubringen, § 730 ZPO, vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 730 Rn. 3 f.:


    Zudem scheint es mir unlogisch, dass z.B. bei mehreren Abtretungen alle Urkunde zugestellt werden müssen, wenn zwischenzeitlich keine RNF-Klausel erteilt wurde, während im Fall von mehreren Klauseln nur die Urkunden der letzten Abtretung (Klauselerteilung) zuzustellen wären.

    ....


    Der Unterschied im erstgenannten Fall ist eben, dass die dem jetzt vollstreckenden Gläubiger D erteilte allererste Rechtsnachfolgeklausel unter Bezug auf die Urkunden A, B, C erteilt wurde. Dann müssen auch sämtliche in der Rechtsnachfolgeklausel als Grundlage benannte Urkunden zugestellt werden, § 750 Abs. 2 ZPO.

    Im anderen Fall (eine oder mehrere vorgehende Rechtsnachfolgeklauseln) vollstreckt der Gläubiger D aufgrund der ihm (zuletzt) erteilten Rechtsnachfolgeklausel. Wenn diese (lediglich) aufgrund der Urkunde C erteilt wurde, ist m. E. auch nur die Urkunde C neben der Rechtsnachfolgeklausel zuzustellen.

  • Der Unterschied im erstgenannten Fall ist eben, dass die dem jetzt vollstreckenden Gläubiger D erteilte allererste Rechtsnachfolgeklausel unter Bezug auf die Urkunden A, B, C erteilt wurde. Dann müssen auch sämtliche in der Rechtsnachfolgeklausel als Grundlage benannte Urkunden zugestellt werden, § 750 Abs. 2 ZPO.


    Der Unterschied ist klar.
    Allerdings stützt sich die RNF-Klausel für D im letztgenannten Fall mittelbar auch auf die Urkunden A, B und C. Der zuständige Rpfl. muss diese bloß nicht mehr würdigen, da sie schon vorher anderweitig gewürdigt wurden. Er prüft aber daher auch nicht ob diese Würdigung zutreffend war.
    Aus Sicht des (durch §750 II ZPO geschützten) Schuldners gibt es aber m.E. keinen entscheidungserheblichen Unterschied zwischen beiden Fällen. Die Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm aber wesentlich erschwert, wenn er nicht alle relevanten Urkunden zugestellt bekommt.

    Es dürfte kaum im Sinne des Gesetzgebers sein, dass z.B. A, B und C sich eine RNF-Klausel erteilen lassen ohne daraus zu vollstrecken (denn sonst müssten die Urkunden ja zugestellt worden sein) und dann D mit einer weiteren Rechtsnachfolgeklausel das Zustellerfordernis untergräbt, weil er nur eine der vier Urkunden die für die jetzige Rechtsinhaberschaft maßgeblich sind zustellen muss.
    Der Sinn und Zweck des Zustellerfordernisses ist m.E. ausgehöhlt, wenn dem Schuldner nur die Urkunden der Rechtsnachfolge von C auf D zugestellt wurden, Titelgläubiger aber A ist.

    Der Gesetzgeber wird wohl grundsätzlich eher davon ausgegangen sein, dass man nur eine RNF-Klausel erwirkt wenn man auch vollstrecken will. Dies hätte ja zur Folge, dass die Klausel dann auch zugestellt werden muss.
    Ich erinnere mich auch, dass zumindest erwägt wurde (wenn es nicht sogar zwischenzeitlich geschehen ist) eine Gebühr für die RNF-Klausel einzuführen, damit in Fällen von Rechtsnachfolgen nicht pauschal alle Titel umgeschrieben werden, was zu erheblichem Arbeitsaufwand der Gerichte geführt hat. Wir haben da mal sowas zur Stellungnahme bekommen.

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