Einsicht § 12 GBO

  • Hier treten verstärkt Fälle auf, in denen die Grundstückseigentümer aus historischem Interesse eine "Eigentümerhistorie" erstellt haben möchten. D.h., dass nicht etwa nur ein (aktueller) Grundbuchauszug erstellt werden soll, sondern eine Recherche angestellt werden soll, wer die Voreigentümer waren.
    M.E. kann sich das berechtigte Interesse nach § 12 GBO nur auf eine Einsicht beziehen, die sich auf ein konkretes Rechtsverhältnis bezieht und nicht etwa auf historische Gründe.

    Wie wird bei euch mit solchen Anträgen verfahren?

  • Abgelehnt. Private Neugierde ist kein berechtigtes Interesse und sofern kein entsprechender Grund vorgetragen wird, der eine Eigentümerhistorie erforderlich macht, besteht m.E. auch kein Anspruch, nur weil man heute der Grundstückseigentümer ist, Unterlagen über die (ja naturgemäß auch Vermögens-)Verhältnisse anderer Personen einzusehen.

    Bei nachgewiesener Erbfolge zu den früheren Eigentümern ist das was anderes. Aber auch da gilt das eben nur für die Erblasser.
    Manchmal hilft es die Leute zu fragen, wie sie es denn fänden, wenn ein späterer Eigentümer und ihnen fremde Person in Zukunft, nur weil er zufällig das Grundstück 50 Jahre später erworben hat, einfach ausforschen kann was einem so gehört.

    Es gibt möglicherweise landesrechtliche Vorschriften in deinem Bundesland, die bei wissenschaftlichen oder Forschungsanfragen entsprechende Regelungen treffen. In § 1a 2. VV LFGG ist das z.B. für Baden-Württemberg geregelt. Über solche Anfragen entscheidet dann aber nicht das Grundbuchamt, sondern der Amtsgerichtsdirektor. Und auch da genügt privates Interesse (i.d.R., manche machen sich da keinen großen Kopf drum) nicht.

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • M.E. muss man hier unterscheiden. § 12 spricht nur von der Einsicht in das Grundbuch. Wenn ein Eigentümer etwas ermitteln will, kann er das selbst anhand der Einsicht in seine Grundakten gem. § 46 GBV tun.
    Es gibt aber m.E. keine Vorschrift, dass das Grundbuchamt verpflichtet wäre, Ermittlungen anzustellen, nur um den Wissenshunger von Eigentümern o.a. zu stillen.

  • M.E. muss man hier unterscheiden. § 12 spricht nur von der Einsicht in das Grundbuch. Wenn ein Eigentümer etwas ermitteln will, kann er das selbst anhand der Einsicht in seine Grundakten gem. § 46 GBV tun.
    Es gibt aber m.E. keine Vorschrift, dass das Grundbuchamt verpflichtet wäre, Ermittlungen anzustellen, nur um den Wissenshunger von Eigentümern o.a. zu stillen.

    Nein. Auch für die Grundakte gilt § 12 GBO. Und schon gar nicht würde ich dem Eigentümer Einsicht in Grundakten gewähren für Vorgänge, die ihn nicht betreffen (also eingetragene Rechte o.ä.) Da finden sich dann Angaben zu Familienstand, Güterstand, Vermögensverhältnissen, Erbfolgen....

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • § 12 GBO = Einsicht in das Grundbuch (also in das Blatt)
    § 46 GBV = Einsicht in die Grundakte

    Steht so im Gesetz - kann ich auch nix dafür. Ist aber egal, da in beiden Vorschriften quasi das gleiche steht.
    Die Unterscheidung bezog sich in meinem Post aber nicht auf diese Vorschriften, sondern darauf, dass man zwar einsehen kann, aber das Grundbuchamt nicht für jemanden ermittelt.

    Und eingetragene Rechte betreffen nicht den Eigentümer? Der Eigentümer darf also nicht in die Grundakte seines Grundstücks schauen?
    M.E. eine gewagte Ansicht.

    Der Eigentümer muss kein berechtigtes Interesse darlegen (vgl. Schöner/Stöber RZ 524 ff).

  • Vielleicht hilft auch der Beschluss des OLG München 34. Zivilsenat vom 27.03.2017, 34 Wx 46/17
    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-105061?hl=true
    weiter. Die Regelung in Nr. 3.4.3.1 BayGBGA entspricht derjenigen in § 1a der 2. VV LFGG vom 26.08.2005, in der Fassung vom 08.12.2020, gültig bis: 31.12.2023.
    Das OLG München führt in Rz. 7 aus:
    „Wird jedoch die Grundbucheinsicht aus sonstigen, etwa wissenschaftlichen, historischen oder familiären Gründen begehrt, begründet dies keinen Rechtsanspruch auf Grundbucheinsicht nach § 12 GBO (Schreiner Rpfleger 1980, 51/52; KEHE/Keller GBO 7. Aufl. § 12 Rn. 5). Über solche Begehren ist eine Entscheidung nur im Verwaltungsweg nach Nr. 3.4.3.1 BayGBGA durch den zuständigen Gerichtsvorstand zu treffen, gegen die der Rechtsweg des § 71 GBO nicht offen steht (Meikel/Böttcher § 12 Rn. 65, Schneider Rpfleger 1980, 51, 52)“.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Nun, ich würde das Begehren des Neffen, der Einsicht in das ehemalige Grundbuch der Tante nehmen möchte, mit dem Einsichtsrecht des Eigentümers, der sich die "Eigentümerhistorie" erstellen möchte, gleich setzen wollen.

    Ein Einsichtsrecht zum Zwecke der Aufarbeitung der Historie hat bereits das OLG Düsseldorf 3. Zivilsenat im Beschluss vom 23.04.2020, I-3 Wx 24/20,
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…s_20200423.html
    abgelehnt.

    Das OLG München führt im Beschluss vom v. 27.02.2019 , 34 Wx 28/19,
    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-N-2463?hl=true
    unter Rz. 14 aus:

    „Der Regelungszweck der Norm bezieht sich dabei auf eine Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; Senat vom 17.10.2016 = MDR 2017, 30; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 524; a.A. Griwotz MDR 2013, 433). Denn das Einsichtsrecht ist begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert (Böhringer Rpfleger 1987, 181/191); dies erfordert grundsätzlich - abgesehen von Sonderfällen wie dem des Einsichtsrechts der Presse (vgl. BVerfG NJW 2001, 503/504; BGH NJW-RR 2011, 1651) - ein hierauf bezogenes Interesse. Das gilt erst recht für die „erweiterte“ Einsicht in die Grundakten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, § 46 Abs. 1 GBV (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden FGPrax 2010, 66), die auf eine Kenntniserlangung der schuldrechtlichen Vereinbarungen, etwa der Höhe eines Kaufpreises oder von Modalitäten des Kaufvertrages, abzielt. Denn derartige Informationen gehören nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt, dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO sicherstellt (OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden Rpfleger 2010, 209/210; OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324; KG NJW-RR 2004, 1316; Meikel/Ebeling GBO 8. Aufl. § 46 GBV Rn. 2; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 12 Rn. 1). Insofern ist das Interesse an der Grundbucheinsicht daher vom Grundbuchamt mit dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen (Meikel/Ebeling § 46 GBV Rn. 2; Meikel/Böttcher § 12 Rn. 3 f.).“

    Von diesem Regelungszweck ist das Begehren, eine "Eigentümerhistorie" erstellt zu bekommen, nicht gedeckt.

    Zwar kann der Eigentümer eines Grundstücks auch Einsicht in „sein“ Grundbuch und die Grundakte nehmen, wobei schon streitig ist, ob sich dieses Einsichtsrecht auch auf geschlossene Grundbücher bezieht (s. einerseits -bejahend- Wolfsteiner, Rpfleger 1993, 273 und Böhringer, DtZ 1991, 272, Rpfleger 1989, 309, 311 sowie die im o.a. Beschluss abgelehnte Ansicht von Grziwotz MDR 2013, 433, die allerdings in der Fußnote 6 lediglich auf Wolfsteiner, Rpfleger 1993, 273 verweist; auf diese Ansicht ist auch lediglich bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020 RN 524 in Fußnote 1838 verwiesen; andererseits -verneinend- LG Bonn Rpfleger 1988, 311; Keller in Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, 8. Auflage 2019, § 12 GBO RN 10)

    Jedenfalls kann es dann nur um die Frage der Durchsetzung von Ansprüchen gegen frühere Eigentümer gehen (OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 17.10.2016, 34 Wx 287/16, Rz. 15
    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-18015?hl=true

    .

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Im Fall des das Einsichtsrecht verneinenden LG Bonn ging es obiter dictum aber ausdrücklich um einen Dritten. Auch im Fall des letztgenannten OLG München ging es nicht um ein originäres Einsichtsrecht, sondern um jemanden, der aktuell keine Berechtigung im Grundbuch mehr vorweisen kann. Es verbliebe die bejahende Ansicht. Würde noch auszuführen sein.

  • Hallo, ich greife das hier mal auf, weil mein (bzw. von UdG) Problem hier am Besten passt. Ein Bruchteilseigentümer möchte Auskunft aus dem Grundbuch hinsichtlich einem Recht, das auf dem Anteil des Miteigentümers lastet. Ich gehe davon aus, dass der Bruchteilseigentümer einen Grundbuchauszug beantragen kann, aus welchem die Belastung dann auch ersichtlich ist, aber dass er keine Abschriften der Urkunden bekommen kann, die Grundlage für die Eintragung dieses Rechts waren und dass er auch keine vollständige Einsicht in seine "eigene" Grundakte erhalten kann oder habe ich hier einen Denkfehler? Ich würde mich beziehen auf Schöner/Stöber, 16. Auflage, Rn. 525, dass ein Miteigentümer "nur" ein anteilsbezogenes Einsichtsrecht hat. Oder dürfte man dann auch keinen vollständigen Grundbuchauszug erteilen? Da ich im Rahmen einer Eintragung einen solchen Auszug verfügen muss, tangiert mich das Problem als Rpfl. auch direkt.

  • Wenn er die Eintragung sehen darf, darf er auch die in Bezug genommene Bewilligung (nicht den Rest der Urkunde) sehen, da sie Bestandteil der Eintragung ist.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Willst du vor Grundakteneinsicht die Bewilligung ausheften oder wie? M.E. hat der ein umfassendes Einsichtsrecht., z.B. wenn er eine Teilungsversteigerung in Betracht zieht.

  • Hier geht es um eine Einsicht auf der Grundlage fremden Eigentums. Von Versteigerungsabsichten etc. ist nichts vorgetragen. Insoweit spekuliere ich auch nicht.

    Ja, ausheften wäre ein geeigneter Ansatz. Da ich auch nicht die komplette Urkunde vorlegen würde, gäbe es bei mir eine auszugsweise Kopie.

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