Britischer Staatsbürger - Nachlass in Deutschland

  • Ich habe Akten aus Schöneberg bekommen. Diese wurden zu uns übersandt mit der Begründung, dass wir nach §343 Abs 2 FamFG zuständig seien.

    Der Erblasser ist britischer Staatsangehöriger, in unseremGerichtsbezirk geboren und mit seinen Eltern als er 4 Jahre alt war nach London ausgewandert. Dort hatte er auch seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Er hinterlässt ein notarielles Testament, in welchem er verfügte, dass für seinen gesamten Nachlass das Recht Englands zur Anwendung kommen soll. In Deutschland befindet sich noch Grundbesitz und ein Konto. Es wurde daher beantragt einen Erbschein zu erteilen.

    Das Testament liegt mir übersetzt mit Apostille vor.

    Bei der Zuständigkeit gehe ich mit, schließlich findet die EuErbRVO hier keine Anwendung und der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im hiesigen Gerichtsbezirk.

    Frage 1: Muss das Originaltestament hier in Deutschland eröffnet werden?


    Frage 2: Handelt es sich dann um einen gegenständlich beschränkten Erbschein für das inländische Vermögen? Ist dieser dann als Fremdrechtserbschein zu erteilen? (englisches Erbrecht ist ja schließlich anzuwenden)


    Soweit ich bereits recherchiert habe ist es in England so,dass zwischen Mobiliarnachlass und Immobiliarnachlass unterschieden wird. Demnach kommt für den Mobiliarnachlass das Recht zur Anwendung, welches in dem Bezirk gilt, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei Immobilien kommt es jedoch darauf an, wo das Grundstück belegen ist.


    Frage 3: Bedeutet das, dass sich die Erbfolge bzgl. desKontos nach englischem Recht richtet und für das Grundstück deutsches Recht zur Anwendung kommt ? Ist das dann eine Art Nachlasspaltung?


    Ihr merkt, ich bin restlos überfordert... Bitte steinigt mich nicht, wenn irgendwas falsch sein sollte J

  • Schon lange her, aber ich hatte einen ähnlichen Fall. 2009 - aber die EUErbVO hat hier ja nicht wirklich etwas verändert ...
    Von dem Testament hatte ich seinerzeit nur eine begl. Kopie (Original konnte ich nicht bekommen) und dazu eine Testamentsbestätigung des High Court mit Prägesiegel, mit der die Gültigkeit des Testaments bestätigt wurde. Vermutlich nicht ganz richtig, aber soweit ich mich erinnere, habe ich die Kopie damals nicht eröffnet. Würde ich heute vielleicht anders machen.
    Zur Vorbereitung des Erbscheinsantrags hatte ich den Beteiligten meine damalige Einschätzung der Rechtslage geschrieben (=Nachlassspaltung, wie du auch festgestellt hast). Der ES wurde bei mir durch das Konsulat beurkundet, ich hatte einen Entwurf vorbereitet.
    Kommt natürlich immer auf den Inhalt des Testaments an, aber vielleicht helfen dir die allgemeinen Feststellungen, die ich damals recherchiert und den Beteiligten mitgeteilt hatte; füge ich nachfolgend auszugsweise ein:


    1. Grundbesitz in ...(Deutschland):


    Der Erblasser ist hinsichtlich des inländischen unbeweglichen Vermögens unter Anwendung deutschen Rechts kraft Rückverweisung beerbt worden. Ein gegenständlich beschränkter Erbschein nach deutschem Erbrecht (=Eigenrechtserbschein) kann somit beantragt werden. Antragsberechtigt ist neben den Begünstigten (Erben) auch der executor (bei mehreren ist jeder "Mitvollstrecker" einzeln antragsberechtigt). Als Erben sind die Begünstigten des Testaments im Erbschein zu benennen. Nach Auslegung des Testaments wird der benannte Executor voraussichtlich als Testamentsvollstrecker anzusehen sein. Da nach englischem Erbrecht die Abwicklung "aus einer Hand" durch einen sog. personal representative (=executor oder administrator) erfolgen soll, wird in der Regel die Auslegung des Testaments ergeben, dass dieser auch den in Deutschland belegenen Nachlass abwickeln soll. Dies ist jeweils anhand des Testaments zu überprüfen. Der Testamentsvollstrecker müsste sich dem Grundbuchamt ggü. durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausweisen. Dieses könnte gleichzeitig mit dem Erbschein beantragt werden.

    B) Guthaben bei der ... (Konto in Deutschland):
    Hinsichtlich des - auch in Deutschland befindlichen - beweglichen Vermögens ist der Erblasser nach englischem Recht beerbt worden. Englisches Erbrecht findet Anwendung, wenn der Verstorbene sein letztes domicile in England hatte. Dieser Begriff ist nicht unbedingt an Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz gebunden, sondern bedeutet die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtsordnung. Nach dem bisher bekannten Sachverhalt wird unterstellt, dass der Verstorbene englischer Staatsangehöriger mit domicile in England war. Im Rahmen eines Erbscheinsantrages wäre dies zu erklären. Nach englischem Recht erfolgt die Abwicklung des Nachlasses durch einen sog. personal representative (=executor oder administrator), der auch Inhaber des Nachlasses wird. Da eine solche Rechtsposition dem deutschen Erbrecht fremd ist, wird bei Erteilung eines Fremdrechtserbscheins im Rahmen der Angleichung der Rechtsbegriffe der executor als Testamentsvollstrecker anzusehen sein. Der executor ist hinsichtlich des gesamten Nachlasses handlungsbefugt, auch außerhalb Englands (grundsätzlich handeln mehrere executors gemeinsam). Ausweisen kann er sich durch ein Zeugnis, das grant of probate, ausgestellt durch die Familiy Division des High Court. Zur Verfügung über das Guthaben bei der ...... wäre dieses Zeugnis danach ausreichend. Da die ......(Bank) aber die Vorlage eines Erbscheins verlangt, soll dieser beantragt werden. Erteilt werden könnte ein - auf das inländische bewegliche Vermögen gegenständlich beschränkter - Fremdrechtserbschein, der nach Angleichung an die deutschen Rechtsbegriffe einen mit Ziffer A) identischen Inhalt haben dürfte. Als Erbe dürfte der als residuary legatee bezeichnete Begünstigte anzusehen sein, da er einerseits den gesamten Restnachlass erhält, andererseits auch die Schuldentilgung vorrangig zu seinen Lasten geht. Dies ist nach dem Inhalt des Testaments zu überprüfen. Da nach englischem Recht der Nachlass grundsätzlich durch einen personal representative abgewickelt wird und danach erst eine Aufteilung des Nachlasses an die Begünstigten erfolgt, unterscheidet das englische Erbrecht nicht zwischen Erben und Vermächtnisnehmern, den Begriff des Erben im hiesigen Sinne gibt es nicht, es gibt aber verschiedene Stufen/Arten der Begünstigten.


    Nach diesen Ausführungen dürfte die getrennt lebende Ehefrau als residuary legatee eingesetzt sein und könnte somit in dem Erbschein als Alleinerbin aufgeführt werden. Die übrigen Zuwendungen wären dann als Vermächtnisse zu behandeln. Möglich wäre auch eine andere Auslegung des Testaments, z.B. alle Begünstigen als Erben zu Bruchteilen entsprechend dem Wert der Zuwendungen im Verhältnis zum Gesamtwert des Nachlasses. Dies wäre entsprechend zu begründen.

    Zu dieser Frage wird um Stellungnahme gebeten, damit ein entsprechender Entwurf vorbereitet werden kann.

  • Aus deutscher Sicht ist die EuErbVO natürlich anwendbar.

    Zum Erbstatut und zur Nachlassspaltung: OLG Bremen Rpfleger 2020, 506 m. Anm. Lamberz = FamRZ 2020, 1507 m. Anm. Schmidt = ErbR 2020, 260 (England und Wales); OLG Frankfurt Rpfleger 2021, 163 = FamRZ 2021, 234 = FGPrax 2021, 31 = openJur 2020, 74330 (China).

    Zur Testamentseröffnung: Wenn sogar eine einfache Kopie des Testaments eröffnet werden könnte,

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1213216

    sollte das für ein in beglaubigter Abschrift vorliegendes und mit Apostille versehenes "britisches" Testament ebenfalls (und erst recht) gelten.

  • Ich muss noch eine Frage anhängen...

    Die Verfahrensbevollmächtigte der Erbin meldet sich und teilt mit, dass sich das Original des Testaments in Großbritannien befindet. Es besteht die Sorge, dass das Testament ggf. auf dem Postweg verloren geht. Sie fragt daher an, ob es bzgl. der Eröffnung ggf. eine andere Möglichkeit gibt (z.B., dass das Testament in Großbritannien eröffnet wird).

    Wie seht ihr das?

  • Nach dem Urteil des EuGH vom 21.6.2018 -C-20/17 dürfte es ausgeschlossen sein, dass ein deutsches Nachlassgericht für den im Inland gelegenen Nachlass ein Nachlasszeugnis oder einen Erbschein erlässt, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte und auch dessen Staatsbürger war.

  • Nach dem Urteil des EuGH vom 21.6.2018 -C-20/17 dürfte es ausgeschlossen sein, dass ein deutsches Nachlassgericht für den im Inland gelegenen Nachlass ein Nachlasszeugnis oder einen Erbschein erlässt, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte und auch dessen Staatsbürger war.

    Nein. Das gilt nur dann, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates, in dem die EUErbRVO gilt, besteht. Wenn das nicht der Fall ist (in GB galt die EUErbRVO noch nie, schon vor dem Brexit nicht), bleibt es bei den nationalen Zuständigkeitsregelungen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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