Nichteintritt selektiv

  • Schuldner S, IK-Verfahren, hat sieben Jahre vor Verfahrenseröffnung sein Hausgrundstück für 100.000,- € an Käufer K verkauft. Alles richtig notariell beurkundet.

    Da K zu der Zeit keine Möglichkeit hatte, den Kaufpreis zu finanzieren, wurde in dem Notarsvertrag vereinbart, dass der Kaufpreis erst sieben Jahre später fällig sein sollte. Bis dahin wohnte K bereits in dem Haus und zahlte monatlich 400 € Nutzungsentschädigung an S. Auch wurde er dort verpflichtet, sämtliche Grundstückskosten zu übernehmen (Grundsteuer, Wasser, Abfall, Energie etc.)

    So lief das ohne Probleme, dann kam die Verfahrenseröffnung, kurz vor Ablauf der sieben Jahre. Auf den Kaufpreis ist noch nichts bezahlt worden.

    Der IV stellt jetzt fest, dass sich der Grundstückswert im Laufe der sieben Jahre gesteigert hat (Anstieg der Immobilienpreise), so dass heute locker 180.000,- EUR auf dem freien Markt erzielbar wären. Also möchte er den Nichteintritt erklären, um anschließend einen neuen Käufer zu finden.

    Nun die Frage: Kann er den Nichteintritt auch selektiv erklären, so dass die Zahlungspflicht bzgl. der Grundstückskosten weiter bei K verbleibt? Der wohnt nämlich weiterhin in dem Haus. Oder folgt die Zahlungspflicht automatisch aus der Tatsache, dass K das Haus bewohnt? Für eine Nutzungsentschädigung sicherlich, aber auch für die Kosten?

    Grüße

  • Dann müsste noch geprüft werden, ob der spätere Schuldner im Notarvertrag bereits die Auflassung erklärt und beide Parteien einen Eintragungsantrag gestellt haben, da auch in diesem Fall ein unentziehbares Anwartschaftsrecht entstanden sein könnte (BGH, Beschl. v. 18.12.1967 - V ZB 6/67).

    Im Übrigen wird man darauf abstellen müssen, ob die vertraglichen Verpflichtungen (Verkauf und Nutzungsüberlassung) ihrerseits im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen oder ob man den Vertrag ähnlich wie bei § 105 insO in einzelne unabhängige Komponenten aufteilen kann, ohne dass sich am Gesamtgefüge etwas ändert. Dazu wird man aber den gesamten Vertragstext prüfen müssen.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Dann müsste noch geprüft werden, ob der spätere Schuldner im Notarvertrag bereits die Auflassung erklärt und beide Parteien einen Eintragungsantrag gestellt haben, da auch in diesem Fall ein unentziehbares Anwartschaftsrecht entstanden sein könnte (BGH, Beschl. v. 18.12.1967 - V ZB 6/67).

    Im Übrigen wird man darauf abstellen müssen, ob die vertraglichen Verpflichtungen (Verkauf und Nutzungsüberlassung) ihrerseits im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen oder ob man den Vertrag ähnlich wie bei § 105 insO in einzelne unabhängige Komponenten aufteilen kann, ohne dass sich am Gesamtgefüge etwas ändert. Dazu wird man aber den gesamten Vertragstext prüfen müssen.

    Aber würde denn so eine Anwartschaft die Regelung des § 103 völlig aushebeln? Dann hätte sich das ja erledigt, Anfechtung kommt nicht in Frage, zu lange her für § 134, die Voraussetzungen für § 133 liegen nicht vor.

    Ansonsten würde ich schon von einer 'Teilbarkeit' des Vertrages ausgehen, die Zahlung der Grundstückskosten ist ja quasi gemeinsam mit der Nutzungsentschädigung die Gegenleistung für das Wohnen. Fragt sich dann, ob K nicht fast schon als Mieter anzusehen wäre ...

    Ich will's auch mal nicht zu kompliziert machen, ich denke, dass die 103er-Erklärung auf jeden Fall nicht schadet.

  • Zitat

    Fragt sich dann, ob K nicht fast schon als Mieter anzusehen wäre ...

    Zitat

    Dazu wird man aber den gesamten Vertragstext prüfen müssen.

    ...dies vorbehalten denke ich, dass K Mieter ist.

    Aus meiner Sicht wurden hier einfach nur zwei verschiedene Rechtsbeziehungen (Kauf und Miete), die sich einander nicht bedingen, in einer Vertragsurkunde geregelt.
    Für den Kaufvertrag würde ich auch die Nichterfüllung wählen.

  • wie fossil75 & vorbehaltlich des genauen Vertragstextes: Nichterfüllung hinsichtlich Grundstücksverkauf wählen und ggf. mit dem "Mieter" über die Höhe des Kaufpreises neu verhandeln. ;)

    Nochmal zum Anwartschaftsrecht: Dieses kann nur dann das Wahlrecht beeinträchtigen, wenn es unentziehbar ist, also nicht durch Handlungen des Schuldners aufgehoben werden kann. Typischer Fall ist die Auflassungsvormerkung. In eine solche Rechtsposition soll dann auch der Insolvenzverwalter nicht mehr eigreifen können.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • wie fossil75 & vorbehaltlich des genauen Vertragstextes: Nichterfüllung hinsichtlich Grundstücksverkauf wählen und ggf. mit dem "Mieter" über die Höhe des Kaufpreises neu verhandeln. ;)

    Nochmal zum Anwartschaftsrecht: Dieses kann nur dann das Wahlrecht beeinträchtigen, wenn es unentziehbar ist, also nicht durch Handlungen des Schuldners aufgehoben werden kann. Typischer Fall ist die Auflassungsvormerkung. In eine solche Rechtsposition soll dann auch der Insolvenzverwalter nicht mehr eigreifen können.

    So, hab mich jetzt auch mal mit dem § 106 InsO beschäftigt, eine Auflassungsvormerkung widersteht ja tatsächlch dem § 103 ... . Das hieße dann, da keine Anfechtbarkeit besteht, dass K das Volleigentum am Grundstück erhält, und zwar zu dem niedrigen Kaufpreis von damals, sein gutes Geschäft bleibt ihm also erhalten.

    Was ist denn in den Fällen mit Vormerkung mit einer dennoch abgegeben 103er-Erklärung? Geht die einfach 'ins Leere'? Ansonsten könnte ja die Situation eintreten, dass K wegen 106 InsO das Volleigentum erhielte, der IV aber wegen 103 keinen Kaufpreisanspruch mehr hätte?

  • Ist K schon als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden oder zumindest eine Vormerkung (§ 106 Abs. 1 S. 1 InsO)?

    Nein.

    :eek: keine Vormerkung beim Kauf mit Zahlungsziel 7 Jahre (oder bei jedem beliebigen anderen Kauf zwischen fremden Dritten)?! Kann ich mir nicht vorstellen.

    Ist aber tatsächlich so, in dem Fall scheinen wir auch zu einer vernünftigen Nachverhandlungslösung zu kommen.

    Mich würde eher das Verhältnis von 103 zu 106 InsO interessieren, wie schon oben erwähnt, was passiert, wenn IV den Nichteintritt in den KV erklärt und K über § 106 an seiner Vormerkung festhalten kann?

  • 106 sticht 103, zumindest bei einem Grundstückskaufvertrag. Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall kein Wahlrecht und kann es daher auch nicht ausüben.

    Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 106 Rn. 33: "Ist bei einem Grundstückskaufvertrag der Übereignungsanspruch des Käufers durch Auflassungsvormerkung gesichert, ist der Kaufvertrag ... insgesamt der Regelung des § 103 entzogen."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 106 sticht 103, zumindest bei einem Grundstückskaufvertrag. Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall kein Wahlrecht und kann es daher auch nicht ausüben.

    Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 106 Rn. 33: "Ist bei einem Grundstückskaufvertrag der Übereignungsanspruch des Käufers durch Auflassungsvormerkung gesichert, ist der Kaufvertrag ... insgesamt der Regelung des § 103 entzogen."

    Ebenso.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!