§ 7 Absatz 1 Satz 2 BtOG verfassungswidrig

  • Auch wenn das BtOG erst im Jahr 2023 in Kraft tritt, möchte ich schon einmal darauf hinweisen, dass der dortige § 7 Absatz 1 Satz 2 BtOG verfassungswidrig sein könnte.

    Aktuell ist durch den BGH geklärt, dass eine transmortale Vorsorgevollmacht, die von der Betreuungsbehörde beglaubigt wurde, grundbuchtauglich ist - auch nach dem Tod des Vollmachtgebers. Der Gesetzgeber hat nun angeordnet, dass ab dem 01.01.2023 die Wirkung der Beglaubigung mit dem Tod des Vollmachtgebers wegfällt. Es fällt nicht die Vollmacht weg, sondern nur die Eigenschaft als öffentlich beglaubigte Urkunde.

    Soweit ich das sehe, gab es so etwas noch nicht. Wenn eine Urkunde einmal öffentlich beglaubigt ist, dann steht fest, wer sie errichtet hat und was darin steht. Diese feststehenden Tatsachen sollen nun ihren Beweiswert oder jedenfalls ihre Grundbuchtauglichkeit verlieren, nur weil der Erklärende gestorben ist. Dafür gibt es wohl keinen anderen Grund, als dass die Notare mehr Geld verdienen sollen, weil die von ihnen beglaubigten (teurereren) Vorsorgevollmachten dieses Schicksal nicht teilen. Nun verlangt Art. 3 Absatz 1 GG aber, dass der Gesetzgeber seine Entscheidungen nicht von willkürlichen Erwägungen abhängig machen darf. Für mich ist die Grenze des Willkürverbots hier überschritten. Der Gesetzgeber kann der Betreuungsbehörde die Befugnis zur Beglaubigung entziehen. Aber eine einmal beglaubigte Vollmacht ihrer Wirkung berauben? Das ist schon arger Unfug.

    Wenn die Vorschrift verfassungswidrig ist, dann wird sich die Frage stellen, was ihr macht, sobald die erste transmortale Vorsorgevollmacht vorgelegt wird, die von der Betreuungsbehörde beglaubigt wurde und bei der der Tod des Vollmachtgebers nicht verschwiegen wird.

    Edit: Die Vorschrift wird noch nicht automatisch verlinkt:

    "§ 7
    Öffentliche Beglaubigung;
    Verordnungsermächtigung
    (1) Die Urkundsperson bei der Behörde ist befugt,
    Unterschriften oder Handzeichen auf Betreuungs-
    verfügungen und auf Vollmachten, soweit sie von
    natürlichen Personen erteilt werden, öffentlich zu be-
    glaubigen. Die Wirkung der Beglaubigung endet bei
    einer Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers.

    Die Zuständigkeit der Notare, anderer Personen oder
    sonstiger Stellen für öffentliche Beurkundungen und
    Beglaubigungen bleibt unberührt. Die Behörde soll
    auf die Möglichkeit der Registrierung bei dem Zentra-
    len Vorsorgeregister nach § 78a Absatz 2 der Bundes-
    notarordnung hinweisen, wenn sie eine Vollmacht oder
    eine Betreuungsverfügung nach Satz 1 beglaubigt hat."

  • Geht aus der Gesetzesbegründung eigentlich hervor warum man diese Einschränkung getroffen hat bzw. warum man diese rechtlich sonderbare Konstruktion gewählt hat?

    Man hätte ja auch einfach ins Gesetz schreiben können, dass die Betreuungsbehörde keine Vollmachten beglaubigen soll, die über den Tod des Vollmachtgebers hinaus Wirkung entfalten.
    Aber dass ein wirksamer Beglaubigungsvermerk nachträglich wirkungslos werden soll ist extrem schräg. :gruebel:

  • Die offizielle Begründung lautet, dass die Betreuung auch mit dem Tod endet. Aber wirklich stichhaltig ist das nicht, weil es sich um komplett verschiedene Rechtsinstitute handelt. Wie gesagt: Dass transmortale Vollmachten erteilt werden können, wird so ohnehin nicht verhindert.

  • Von einer Verfassungswidrigkeit der besagten Norm kann keine Rede sein.

    Es war schon bislang umstritten, ob eine von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht ihre Beglaubigungswirkung (insbesondere in grundbuchrechtlicher Hinsicht) mit dem Ableben des Vollmachtgebers verliert, weil die mit ihr im Interesse der Vermeidung einer Betreuungsanordnung bezweckte und sich zu Lebzeiten des Vollmachtgebers manifestierende "Vorsorge" nach dem Ableben des Vollmachtgebers begrifflich nicht mehr denkbar ist. Der BGH hat sich für das geltende Recht (sic!) - mit gewagten scharfen rechtlichen Wendungen - unter Aufhebung einer gegenteiligen Entscheidung des OLG Köln (Rpfleger 2020, 254 = FamRZ 2020, 716 = FGPrax 2019, 255 = DNotZ 2020, 680 m. Anm. Weigl) gleichwohl für eine Fortdauer der Beglaubigungswirkung nach dem Ableben des Vollmachtgebers entschieden (BGH Rpfleger 2021, 403 LS m. Anm. Böhringer = FamRZ 2021, 789 m. abl. Anm. Tomasic = FGPrax 2021, 49 m. Anm. Otto).

    Das kann man für richtig halten oder auch nicht. Der Gesetzgeber ist aber jedenfalls nicht daran gehindert, sich de lege ferenda den Bedenken gegen eine solche Fortgeltung der Beglaubigungswirkung anzuschließen und das geltende Recht entsprechend zu ändern. Das hat er in anderen Bereichen schon oft getan und es erschließt sich nicht, was daran verfassungswidrig sein soll.

    Im Kern geht es um die Frage, ob man das, was sich der Vollmachtgeber zu seinen Lebzeiten mit der auch im Grundbuchverfahren geltenden Beglaubigungswirkung zumutet (und auch zumuten darf), im Wege einer transmortalen Vollmacht, die dann ja keine "Vorsorge"vollmacht mehr ist, auch dessen Erben zumuten möchte. Diese Frage zu verneinen, ist eine ohne weiteres vertretbare Erwägung in der Sache, so dass von "Willkür" überhaupt keine Rede sein kann. Dies gilt umso mehr, als die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden nie dazu gedacht war, ohne jede rechtliche Belehrung weitreichende und zudem noch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortwirkende und i. S. des § 29 GBO formgerechte Vollmachten in die Welt zu setzen. Die Leute unterschreiben irgendwelche im Internet kursierende Formulare, kreuzen dort irgend etwas an und die Bevollmächtigten fuhrwerken dann mit diesen betreuungsbehördlich beglaubigten Vollmachten herum, ohne dass sie - bei eintretender Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers - irgendeiner Kontrolle unterliegen. Die Vielzahl der Gerichtsentscheidungen im Bereich der Kontrollbetreuung spricht hier eine deutliche Sprache.

    Wenn man das alles - aus reinen Kostenersparnisgründen und ohne jede rechtliche Belehrung - so haben will, dann kann man das natürlich deutlich sagen. Aber das Menetekel der Verfassungswidrigkeit an die Wand zu malen, weil der Gesetzgeber dies - und mit Verlaub: zu Recht - anders sieht, ist aus meiner Sicht schon ein starkes Stück.

    Die Frage, was man als Grundbuchamt macht, wenn einem eine solche transmortale Vollmacht nach dem 31.12.2022 begegnet, ist aus meiner Sicht verfehlt. Die besagte künftige Norm ist nachkonstitutionelles Recht und über ihre Verfassungswidrigkeit kann nur das BVerfG befinden. Wenn ein Beteiligter meint, er müsse diesen Weg gehen, dann soll er ihn halt gehen.

  • Wenn die Vorschrift verfassungswidrig ist, dann wird sich die Frage stellen, was ihr macht, sobald die erste transmortale Vorsorgevollmacht vorgelegt wird, die von der Betreuungsbehörde beglaubigt wurde und bei der der Tod des Vollmachtgebers nicht verschwiegen wird.

    Wenn man die Vorschrift für verfassungswidrig hält, wird man selbstredend nach §5 Abs. 1 Nr. 1 RpflG die Sache dem Richter z.w.V. vorlegen.
    Anderenfalls wird man die beanspruchte Eintragung ablehnen.
    Eine Eintragung scheidet auf jeden Fall (erstmal) aus.

    Ich halte es indes auch nicht für verfassungswidrig die Beglaubigungswirkung zeitlich zu befristen.

  • Ein glasklares Differenzierungskriterium besteht schon darin, dass der Gesetzgeber mit dem ersten Aufschlag des BtBG auch "Betreuungen reduzieren" wollte und dieses Schutzanliegen mit dem Tod schlichtweg entfällt.
    Es ist heutzutage ein Trend, rechtspolitisch unliebsame Gesetze vielfach als verfassungswidrig anzusehen. Aber natürlich steht es jedem offen, diesen Weg zu beschreiten.

  • ... Dies gilt umso mehr, als die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden nie dazu gedacht war, ohne jede rechtliche Belehrung weitreichende und zudem noch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortwirkende und i. S. des § 29 GBO formgerechte Vollmachten in die Welt zu setzen. Die Leute unterschreiben irgendwelche im Internet kursierende Formulare, kreuzen dort irgend etwas an und die Bevollmächtigten fuhrwerken dann mit diesen betreuungsbehördlich beglaubigten Vollmachten herum, ohne dass sie - bei eintretender Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers - irgendeiner Kontrolle unterliegen. Die Vielzahl der Gerichtsentscheidungen im Bereich der Kontrollbetreuung spricht hier eine deutliche Sprache.

    ...

    Ich sehe es auch so, dass die (privatschriftlichen) Vorsorgevollmachten in erster Linie die Anordnung einer Betreuung verhindern sollen. Und dieser Zweck ist mit dem Tod des Vollmachtgebers entfallen.

    Unabhängig davon, treten in der hiesigen Praxis Verfahren wegen Kontrollbetreuung häufiger bei Bestehen notarieller Vollmachten auf. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass sich die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörde noch nicht so herumgesprochen hat.

  • Anders als bei Betreuungen sind in der Praxis fast alle Vorsorgevollmachten transmortal ausgestaltet, weil alles andere zu schwierigen Nachweisproblemen führt. Die Besonderheit des neuen Gesetzes besteht darin, dass nur der Nachweis der Vollmacht entfällt. Die Vollmacht selsbt besteht in jedem Fall fort (anders als die Betreuung).

    Die Frage ist, ob der Gesetzgeber tatsächlich eine festgestellte Tatsache (Urheber und Inhalt der Vollmacht) rückwirkend für nicht festgestellt erklären kann. Die Tatsache, dass Vorsorgevollmachten Betreuungen verhindern und dass Betreuungen mit dem Tod enden, ist dafür gerade kein ausreichendes Differenzierungsmerkmal. Die Betreuung endet im Gegensatz zur Vollmacht tatsächlich. Es wird nicht lediglich ein Nachweis beschränkt.

    Die neue Regelung trifft übrigens auch alle bestehenden Vorsorgevollmachten, auch diejenigen, die bereits Grundlage für eine Eintragung waren.

  • Ja und?

    Die beglaubigte Abschrift eines Europäisches Nachlasszeugnisses ist auch Eintragungsgrundlage, selbst wenn sie nach erfolgter Eintragung in zeitlicher Hinsicht abläuft.

    Wenn verfahrensrechtliche Eintragungsvoraussetzungen (hier: die erforderliche verfahrensrechtliche Form) nach erfolgter Eintragung nachträglich wegfallen, heißt das nicht, dass die Eintragungsvoraussetzungen auch im Zeitpunkt der Eintragung nicht erfüllt war.

    Was soll also mit Deiner Aussage bewiesen werden?

  • Ich denke Problem ist nicht, dass die Urkunde nach Eintragung irgendwann als Urkunde wegfällt, das ist ja kein Problem... Zum Zeitpunkt der Eintragung lagen ja alle erforderlichen Voraussetzungen (noch) vor. ich sehe hei dem aktuellen Thema vor allem den Umstand, dass vielleicht die Betreuung mit dem Tod des Betroffenen wegfällt, die transmortale Vollmacht hingegen in Kraft tritt. Aber mit dem Tod des Vollmachtgebers entfällt (in der Sekunde des Todes) die (öffentliche) Beglaubigungswirkung weg, ohne dass dies ggf. von den Beteiligten erkannt werden kann.

    Ich stelle mir vor , Vollmacht wird erteilt und durch die Behörde öffentlich beglaubigt. Bevollmächtigter marschiert mit der Vollmacht zum Notar und kauft/verkauft ein Grundstück. Vollmachtgeber lebt zu diesem Zeitpunkt noch. Soweit alles gut. Am Vortag der EIntragung stirbt der Vollmachtgeber (wird erst 3 Tage später entdeckt), und das Gericht trägt ein... Materiell ist die Beglaubigungswirkung mit dem Tod weggefallen, so dass es an der Eintragungsgrundlage unerkannt mangelt... oder mache ich gerade hier einen Denkfehler? :gruebel:

  • @Quantum:
    Diesen Gedanken hatte ich auch - die Regelung ist aus Grundbuchsicht absolut nicht praktikabel. Zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung ist es dem Bevollmächtigten nicht möglich, das Bestehen seiner Vollmacht formgerecht nachzuweisen. Wie kann für die Akte (zum Abheften) nachgewiesen werden, dass der Vollmachtgeber noch lebt bzw. noch nicht tot ist?

  • Ich denke Problem ist nicht, dass die Urkunde nach Eintragung irgendwann als Urkunde wegfällt, das ist ja kein Problem... Zum Zeitpunkt der Eintragung lagen ja alle erforderlichen Voraussetzungen (noch) vor. ich sehe hei dem aktuellen Thema vor allem den Umstand, dass vielleicht die Betreuung mit dem Tod des Betroffenen wegfällt, die transmortale Vollmacht hingegen in Kraft tritt. Aber mit dem Tod des Vollmachtgebers entfällt (in der Sekunde des Todes) die (öffentliche) Beglaubigungswirkung weg, ohne dass dies ggf. von den Beteiligten erkannt werden kann.

    Ich stelle mir vor , Vollmacht wird erteilt und durch die Behörde öffentlich beglaubigt. Bevollmächtigter marschiert mit der Vollmacht zum Notar und kauft/verkauft ein Grundstück. Vollmachtgeber lebt zu diesem Zeitpunkt noch. Soweit alles gut. Am Vortag der EIntragung stirbt der Vollmachtgeber (wird erst 3 Tage später entdeckt), und das Gericht trägt ein... Materiell ist die Beglaubigungswirkung mit dem Tod weggefallen, so dass es an der Eintragungsgrundlage unerkannt mangelt... oder mache ich gerade hier einen Denkfehler? :gruebel:

    Ich halte das für einen Denkfehler - der Wegfall der Vollmacht nach Auflassung ist nämlich unbeachtlich (ist ja auch bei Tod des Bevollmächtigten so). Es ist immer noch eine rechtsgeschäftliche Vertretung, nicht eine Vertretung kraft Amtes wie beim Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Für die Vertretungsmacht kommt es nicht - wie bei der Verfügungsbefugnis - auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (also die Grundbucheintragung), sondern auf den Zeitpunkt des Vertreterhandelns an. War der Vollmachtgeber zu diesem Zeitpunkt noch am Leben, hat auch die Beglaubigungswirkung noch zum maßgeblichen Zeitpunkt bestanden. Wie tom zutreffend bemerkt, ist es ja auch unerheblich, dass die Vollmacht zwischen Vollmachthandeln und Grundbucheintragung (etwa auch durch einen Widerruf) völlig in Wegfall kommt. Wenn also schon der nachträgliche Wegfall der Vollmacht nicht schadet, kann der bloße nachträgliche Wegfall der Beglaubigungswirkung einer fortgeltenden Vollmacht erst recht nicht schaden.

    Also: Denkfehler.

  • Als Grundbuch-Rpfl möchte ich nochmal die formell-rechtliche Seite in die Runde werfen. Wie will denn der Notar mit voller Überzeugung und reinem Gewissen dem GBA gegenüber den Nachweis in der Form § 29 GBO führen, wenn die gesetzliche Möglichkeit besteht, dass "... Die Wirkung der Beglaubigung endet..."
    Ich schließe mich daher dem TE an: Das wäre das Ende solcher Vollmachten im Grundbuchverfahren.

  • Als Grundbuch-Rpfl möchte ich nochmal die formell-rechtliche Seite in die Runde werfen. Wie will denn der Notar mit voller Überzeugung und reinem Gewissen dem GBA gegenüber den Nachweis in der Form § 29 GBO führen, wenn die gesetzliche Möglichkeit besteht, dass "...Die Wirkung der Beglaubigung endet..."
    Ich schließe mich daher dem TE an: Das wäre das Ende solcher Vollmachten im Grundbuchverfahren.

    BT-Drucks. 19/24445, S. 350

    Drucksache 19/24445 (bundestag.de)

  • Die Drucksache bestätigt die bereits gegebene Begründung.

    Es hängt nach wie vor an der Frage, ob das Grundbuchamt weiß, dass der Vollmachtgeber im Zeitpunkt des Vertreterhandelns nicht mehr lebt. Weiß es dies, sind transmortale Vollmachten nur noch im Grundbuchverkehr geeignet, wenn es sich um notarielle Vollmachten handelt. Dass es nicht schadet, wenn der Vollmachtgeber in zeitlicher Hinsicht erst nach dem Vertreterhandeln verstirbt, hatte ich bereits angemerkt.

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