• Stimmt, hatte ich übersehen.

    Gleichwohl ist das Ergebnis unbefriedigend, weil es in dem notariellen Testament eben keine auflösend bedingte Schlusserbeneinsetzung für den Fall gibt, dass beide Kinder ihren Pflichtteil nach dem erstversterbenden Ehegatten geltend machen und es auch nicht dem Willen beider Ehegatten entsprechen dürfte, dass nunmehr ihnen völlig unbekannte gesetzliche Erbprätendenten des überlebenden Ehegatten zum Zuge kommen sollen.

  • Einen vergleichbaren Fall hat das OLG Hamburg entschieden (ZEV 2021, 447 = ErbR 2021, 605 m. Anm. Schulte = BeckRS 2020, 45496).

    Es fehlte an einer enterbenden Strafklausel für den zweiten Sterbefall, sondern es war zugunsten der Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten, die beim ersten Sterbefall ihren Pflichtteil nicht geltend machen, lediglich ein erst nach dem zweiten Sterbefall zu erfüllendes kompensierendes Vermächtnis für den Fall angeordnet, dass einer oder einige (aber nicht alle) Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten ihren Pflichtteil geltend machen (es gab insgesamt drei Kinder, die aber keine Kinder der überlebenden Ehefrau waren). Der Ehemann starb zuerst und es machten alle drei Kinder ihren Pflichtteil geltend.

    Entscheidung des OLG: Die Schlusserbeneinsetzung bleibt bindend und wechselbezüglich bestehen, weil es an einer Strafklausel im Sinne einer auflösend bedingten Schlusserbeneinsetzung fehlt.

    Dies deckt sich mit meiner Einschätzung zu dem im vorliegenden Thread behandelten Fall.

  • Ich bin deshalb anderer Ansicht, weil ich bei Testamentsbesprechungen in den meisten Fällen höre, dass, falls sich die Schlusserben beim ersten Erbfall nicht an den Wunsch der Erblasser halten, diese raus sind, egal wer dann erbt.

  • Ich bin deshalb anderer Ansicht, weil ich bei Testamentsbesprechungen in den meisten Fällen höre, dass, falls sich die Schlusserben beim ersten Erbfall nicht an den Wunsch der Erblasser halten, diese raus sind, egal wer dann erbt.

    So ist es. Was an der Formulierung "Pflichtteilsberechtigte, die nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des Längerlebenden den Pflichtteil verlangen und ausgezahlt erhalten, sind nebst ihren Abkömmlingen von der Erbfolge nach dem Längerlebenden von uns ausgeschlossen. Darüber hinaus erhält für diesen Fall jeder der Pflichtteilsberechtigten, die nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil nicht verlangt haben, [ein kompensatorisches Vermächtnis]" auslegungsbedürftig sein soll, kann ich nicht verstehen. Dass als Folge der Pflichtteilsstrafklausel irgendeine Großkusine des Überlebenden oder der Landesfiskus erben wird, verändert den Maßstab der Auslegung nicht zu Gunsten der frechen Pflichtteilsberechtigten - die zumal in der Regel nach dem Längerlebenden mindestens teilweise bindend eingesetzt sind - über den Wortlaut hinaus. Warten bis beide tot sind, oder es gibt nur den Pflichtteil, so ist es geschrieben und so ist es auch gemeint.

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  • Das ist ja alles richtig.

    Nur war es im vorliegenden Thread-Fall und auch in dem vom OLG Hamburg entschiedenen Fall eben nicht so formuliert.

    Genau. Wenn man das so regeln will, dann ist es nicht schwer, das exakt so zu formulieren. Und aus dem Umstand, dass es im Ausgangsfall gerade nicht so im Testament formuliert war, würde ich schließen, dass eine solch klare Formulierung ausdrücklich nicht gewollt war. Nach meiner Interpretation sollte nach dem Wortlaut die überlebende Ehefrau die Möglichkeit bekommen, nach dem Tod des Ehemannes selbst die Enterbung der Kinder des Mannes verfügen zu können.

  • In dem Hamburger Fall (OLG Hamburg, 26.08.2020 - 2 W 35/20) war für das OLG entscheidend, dass in dem Testament lediglich Vermächtnisse für "brave" Kinder ausgebracht wurden, aber keine ausdrückliche Pflichtteilsstrafklausel gegen die "bösen".

    Ist das wirklich mit dem hiesigen Thread-Fall zu vergleichen?

  • In beiden Fällen geht es darum, ob man im Wege der Auslegung annehmen kann, dass es eine nicht ausdrücklich verfügte Pflichtteilsstrafklausel für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils durch alle Abkömmlinge gibt.

  • Hier gibt es eine ausdrückliche PT-Strafklausel, sogar für den Fall, dass beide den PT verlangen.

    Zitat

    2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Anders als in Hamburg, ist die Frage hier nicht, ob überhaupt eine PT-Strafklausel gewollt war, sondern wie die zweifellos vorhandene PT-Strafklausel auszulegen ist, wenn die Witwe nicht neu testiert.

  • Hier gibt es eine ausdrückliche PT-Strafklausel, sogar für den Fall, dass beide den PT verlangen.

    Zitat

    2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Anders als in Hamburg, ist die Frage hier nicht, ob überhaupt eine PT-Strafklausel gewollt war, sondern wie die zweifellos vorhandene PT-Strafklausel auszulegen ist, wenn die Witwe nicht neu testiert.

    Ja. Und wenn die Witwe die unartigen Kinder nicht durch Enterbung bestrafen wollte, haben die unartigen Kinder Glück gehabt und bleiben Erbe, oder?

  • Hier gibt es eine ausdrückliche PT-Strafklausel, sogar für den Fall, dass beide den PT verlangen.

    Zitat

    2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Anders als in Hamburg, ist die Frage hier nicht, ob überhaupt eine PT-Strafklausel gewollt war, sondern wie die zweifellos vorhandene PT-Strafklausel auszulegen ist, wenn die Witwe nicht neu testiert.

    Meiner Meinung nach als Zusatz zur ersten Klausel:
    Klausel 1: Wer den Pflichtteil verlangt, ist nach dem Längerlebenden raus (jeder für sich).
    Klausel 2: Wenn alle den Pflichtteil verlangen, entfällt zusätzlich noch die erbvertragliche Bindung des Längerlebenden.

    Frage an Threadstarter: Die Einsetzung der Pflichtteilsberechtigten durch den mit ihnen nicht verwandten Beteiligten erfolgte doch sicher bindend, oder?

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  • 1. Verlangt ein Kind nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so wird es enterbt und das andere Kind bekommt beim Tod der Ehefrau seinen Anteil.
    2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Ich muss Cromwell noch einmal zur Seite springen. Die Diskussion verlagert sich auf die Frage, ob 1. und 2. kumulativ oder alternativ gelten. Sie gelten alternativ. Denn in 1. steht ein "und" und ein Zusatz. Wenn beide Kinder den Pflichtteil verlangen, kann dieser Zusatz aber nicht mehr gelten, weil dann gerade nicht mehr das zweite Kind den Anteil des ersten Kindes erhalten kann.

    Allein die Satzanfänge legen diese Auslegung nahe: "Verlangt ein Kind ...", "Verlangen beide Kinder...". Da steht nicht etwa unter 2. "Darüber hinaus kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen."

    PS: tom: Du hast die Klauseln unvollständig und mit falschem Wortlaut wiedergegeben.

  • 1. Verlangt ein Kind nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so wird es enterbt und das andere Kind bekommt beim Tod der Ehefrau seinen Anteil. 2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Ich muss Cromwell noch einmal zur Seite springen. Die Diskussion verlagert sich auf die Frage, ob 1. und 2. kumulativ oder alternativ gelten. Sie gelten alternativ. Denn in 1. steht ein "und" und ein Zusatz. Wenn beide Kinder den Pflichtteil verlangen, kann dieser Zusatz aber nicht mehr gelten, weil dann gerade nicht mehr das zweite Kind den Anteil des ersten Kindes erhalten kann. Allein die Satzanfänge legen diese Auslegung nahe: "Verlangt ein Kind ...", "Verlangen beide Kinder...". Da steht nicht etwa unter 2. "Darüber hinaus kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen." PS: tom: Du hast die Klauseln unvollständig und mit falschem Wortlaut wiedergegeben.


    Ich habe die Klauseln gar nicht "wiedergegeben", sondern gesagt, was - nach meiner Auslegung - ihr Inhalt ist.
    Und meine Auslegung kommt dazu, dass die Klauslen nur kumulativ und nicht alternativ einen Sinn ergeben.

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  • Moin,

    wie die Zeit vergeht...

    Nun sind einige Kollegen weg und ich bekomme die NL-Pflegschaft mit Genehmigungsantrag zum Hausverkauf auf den Tisch...

    Hat schon einmal jemand eine Akte wegen Befangenheit abgelehnt bzw. mit der Begründung diese nach eigener Rechtsansicht nicht so weiter bearbeiten zu können, wie sie nun aber bearbeitet wird seit mehr als einem Jahr?


    Gruß

    Insu

  • Ich habe schon mal vom Direktor gesagt bekommen, dass dem Rpfl. keine Selbstablehnung zusteht.

    Aber zur Sache, was hat der Nachlasspfleger denn an weiteren Erben ermittelt? Die wären ja zu hören. Und ich würde die Kinder anhören solange kein ES Antrag vorlag, der zurückgewiesen wurde u.a. mit dem Hinweis der Übernahme des Referates. Die obigen unterschiedlichen Argumente zur erneuten Auslegung des Testamentes könnte man gut als Begründung anführen, es wäre wieder alles offen.

    Auch die Möglichkeit die Notarin zu fragen wie sie eine solche Formulierung selbst interpretiert würde ich nutzen, wer weiß wie viele solcher TES noch im Tressor schlummern.

  • Mittlerweile gehen die Kinder des Ehemannes seit zweieinhalb Jahren davon aus, dass sie nicht zu Erben der Ehefrau berufen sind. Sie haben die Sache also schon "aufgegeben", denn anderenfalls hätten sie schon längst den Erbscheinsantrag gestellt, auf dessen Stellung sie seinerzeit verzichtet haben. Richtig ist aber natürlich, dass Erbrecht nicht verjährt und dass nur die objektive Rechtslage zählt und nicht das, was dieser oder jener darüber denkt.

    Es stellt sich somit die Frage, ob die Kinder des Ehemannes am Verfahren - hier: im Rahmen der Veräußerung des Grundbesitzes - noch zu beteiligen sind. Es wäre wohl sinnvoll gewesen, die Kinder seinerzeit darauf hinzuweisen, dass aufgrund ihres Verzichts auf die Geltendmachung ihrer erbrechtlichen Ansprüche davon ausgegangen wird, dass sie im weiteren Verfahren zur Ermittlung der Erben und im Rahmen der Nachlasspflegschaft nicht mehr zu beteiligen sind. Ich fürchte aber, dass dies nicht erfolgt ist und daher steht man nun vor dem geschilderten Problem.

    Was die unbekannten oder teilweise ermittelten gesetzlichen Erben der Ehefrau angeht, so handelt es sich um das Übliche. Die ggf. bereits bekannten Erben sind anzuhören und für die noch unbekannten Erben ist ein zu bestellender Verfahrenspfleger anzuhören. Ich vermute aber eher, dass es noch keine ermittelten bekannten Erben gibt, weil ansonsten bereits ein Teilerbschein erteilt und die Nachlasspflegschaft erbquotal aufgehoben worden wäre. Es gibt aber auch Fälle, in welchen die bereits ermittelten bekannten Erben gegen eine vollumfängliche Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft keine Einwendungen erheben, um die Verwaltung des Nachlasses zu erleichtern. Die Alternative - nach Teilaufhebung - wäre eine Vollmachtserteilung an den Nachlasspfleger, damit nicht bei jeder einzelnen Kontoüberweisung alle zusammenwirken müssen.

  • @ Cromwell: ich werde die Erben aus dem Testament beim Genehmigungsantrag beteiligen und darum bitten einen Erbscheinsantrag zu stellen, damit die Pflegschaft nach einer Erteilung aufgehoben werden kann. Entweder sind die mit dem Verkauf so einverstanden und nehmen dann das was übrig bleibt oder sie stellen jetzt den Erbscheinsantrag und kümmern sich danach selbst um alles.

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