Vergütung mittellos beantragen?

  • Ich habe eine Eilbetreuung bekommen. Es gab einen Verkehrsunfall. Eine Person ist tot, 4 schwer verletzt. Mein Betreuter liegt im Koma und wird notoperiert.

    Er ist legal als Saisonkraft bei einer Firma in Deutschland beschäftigt. Er ist ungarischer Staatsbürger. Laut Gehaltsbescheinigung v. Mai 2021 beläuft sich sein Bruttoeinkommen auf 2648€. Ausgezahlt werden 1971€. Die Kosten der Unterkunft sind mir derzeit nicht bekannt.

    Würde auch die Möglichkeit bestehen einen Antrag auf Vergütung gegen die Staatskasse zu stellen, wenn der Betreute vermögend ist?

  • Frage vorab: Aufgabenkreis? Auch Vermögenssorge?

    Regel - Ausnahme

    Regel ist Selbstzahler - Ausnahme ist Staatskasse

    Ohne Aufgabenkreis Vermögenssorge wirst die Vermögensverhältnisse nie und auch mit Aufgabenkreis im Ausland u.U. nicht ermitteln können.

    Wenn du nichts bzw. nichts gegenteiliges ermitteln kannst, dürfte für deine Vergütung der Betroffene als vermögend anzusehen sein. Regel Selbstzahler, also vermögend.

    Zur Frage, wer die Vergütung zahlt:
    aus den dir bekannten Einkünften wird der Betroffene deine Vergütung nicht zahlen können, zumindest nicht auf einmal. Deshalb wird deine Vergütung die Staatskasse tragen müssen. Und m.E. sogar zu den Sätzen für einen Vermögenden und ohne Heim.

    Das Gericht wird dann einen evtl. Regress zu prüfen haben. Du sollst aber durch die Ungewissheit, ob bzw. wann du ggf. aus dem unbekannten Vermögen des Betroffenen kommst, nicht „leiden“ müssen.

  • Dankeschön für die gut verständliche Antwort.

    Aufgabenkreise: Aufenthaltsbestimmungsrecht und Sorge um die Gesundheit.

    Falls mein Betreuter diese Sache überlebt, wird er erfahrungsgemäß evtl. nach Ungarn verlegt. Ich kann mehr schwer vorstellen, dass er noch mal arbeitsfähig wird....

    Derzeit wohnt er in Deutschland und hat hier auch ein Beschäftigungsverhältnis.

    Zwischenzeitlich habe ich Kontakt zu seiner Lebenpartnerin aus der Ukraine.

    Der Arbeitgeber ist ein russicher Staatsbürger. Er und seine Frau betreiben die Firma. Ein Bauunternehmen.

    Ich bin angenehm überrascht wie das Ehepaar sich um seine Arbeiter kümmert. So etwas erlebe ich leider selten. Scheinbar gibt es aber immer noch Menschen, die in Ordnung sind....

    Regel- Ausnahmeprinzip

    Auf welche Rechtsgrundlage könnte ich Bezug nehmen, bei dem Antrag vermögend und andere Wohnform gegen die Staatskasse?

  • §§ 1908i, 1836, 1836c und 1836d BGB.

    In allen Fällen ist der Betroffene Schuldner der Betreuungsvergütung. Nur in den Fällen der Mittellosigkeit des Betroffenen tritt die Staatskasse in die Begleichung der Betreuervergütung ein. Der Anspruch des Betreuers gegen den Betroffenen geht dann auf die Staatskasse über. Der Betroffene bleibt somit Schuldner der Vergütung. Nur dass jetzt die Staatskasse Gläubigerin der Vergütung ist.

    D.h.: nur im Ausnahmefall der Mittellosigkeit tritt die Staatskasse ein. Und nur im Falle der §§ 1908i, 1836c BGB liegt die Ausnahme der Mittellosigkeit vor. Vermögend ist im Umkehrschluss somit die Regel.

    Und da du keine Vermögenssorge hast, kannst du keine Aussage zu den finanziellen Verhältnissen machen. Ergo kannst du von der Regel ausgehen, da du die Ausnahme der Mittellosigkeit nicht darlegen kannst.

    Die evtl. Feststellung der Mittellosigkeit hätte durch das BG von Amts wegen zu erfolgen (§ 26 FamFG). Es dürfte eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen bestehen.

  • Deshalb wird deine Vergütung die Staatskasse tragen müssen. Und m.E. sogar zu den Sätzen für einen Vermögenden und ohne Heim. Das Gericht wird dann einen evtl. Regress zu prüfen haben. Du sollst aber durch die Ungewissheit, ob bzw. wann du ggf. aus dem unbekannten Vermögen des Betroffenen kommst, nicht „leiden“ müssen.

    Könnte ich die Festsetzung meiner Vergütung als vermögend und andere Wohnform beantragen?

    Wie sieht es mit § 1836d Nr. 1 BVGB aus?

  • Wer ist denn Unfallverursacher? Ein Dritter? Dann würde ich die Angelegenheit vorher auf jeden Fall mit dem zuständigen Rpfl besprechen, da auch die Vergütung uU als Schadensersatzforderung von dem Versicherungsträger des Dritten einzufordern ist. Dies sollte auch im evtl. Vergütungsbeschluss Erwähnung finden.... Soweit ich weiß, wird bei uns keine Vergütung nach einem vermögenden Betreuten aus der Landeskasse angewiesen, aber das könnte jeder BZ anders sehen und ist sicherlich auch eine vorherige Anfrage wert.

  • Wer ist denn Unfallverursacher? Ein Dritter? Dann würde ich die Angelegenheit vorher auf jeden Fall mit dem zuständigen Rpfl besprechen, da auch die Vergütung uU als Schadensersatzforderung von dem Versicherungsträger des Dritten einzufordern ist. Dies sollte auch im evtl. Vergütungsbeschluss Erwähnung finden.... Soweit ich weiß, wird bei uns keine Vergütung nach einem vermögenden Betreuten aus der Landeskasse angewiesen, aber das könnte jeder BZ anders sehen und ist sicherlich auch eine vorherige Anfrage wert.

    Sehe ich anders.

    Entweder, der Betroffene war im Abrechnungszeitraum vermögend oder nicht.
    Entweder, der Betroffene war im Zeitpunkt der Beantragung der Vergütung vermögend oder nicht.

    Die erste Frage ist ausschlaggebend, wie hoch die Vergütung ist.
    Die zweite Frage ist ausschlaggebend wer zahlt.

    Die Frage eines evtl. Regresses hat im Zusammenhang mit der Festsetzung nichts zu suchen.

    Und: die Rechtsprechung (des BGH) zur Frage der Höhe der Vergütung bei Mittellosigkeit zum Zeitpunkt der Beantragung der Vergütung ist überall zu beachten. Es gibt kein Landrecht einzelner Revisoren. Sie vertreten nur einen Verfahrensbeteiligten, nämlich die Staatskasse. Bezirksrevisoren entscheiden nicht.

  • :daumenrau Gut erklärt.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • kann es sein, dass sich ein Schreibfehler beim Az. eingeschliechen hat? Müsste es evtl. /12 heißen?

    Sorry. Klar /12

    @Einstein: Dann korrigiere bitte #10, damit die Verlinkung hinhaut.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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  • Genauso :daumenrau

  • Ja, für die Höhe ist der Betreuungszeitraum und für den Schuldner der Zeitpunkt der letzten Tatsachenfeststellung maßgebend.
    Die Mittellosigkeit aber immer nach § 1836d BGB zu beurteilen.
    Die zitierten BGH-Entscheidungen betrafen Fälle, in denen sich die finanziellen Verhältnisse zwischen Betreuungszeitraum und Vergütungsantrag geändert hatten.
    Im vom Themenstarter geschilderten Fall ist dem Betreuer lediglich das Einkommen bekannt. Die Vermögensverhältnisse kennt er nicht.
    Dass man für den Betreuungszeitraum einfach so wegen des Regel-Ausnahmeverhältnisses unterstellen kann, dass der Betreute nicht mittellos ist und auf der Grundlage derselben Erkenntnisse für die Frage des Vergütungsschuldners Mittellosigkeit feststellt, erscheint mir gewagt.
    Ich würde durchaus den Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse wegen des Grundsatzes des fairen Verfahrens gem. § 274 Abs. 4 Nr. 2 FamFG als Beteiligten zum Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 168, 292 FamFG hinzuziehen.

  • Wenn ich gegen die Staatskasse festsetze muss der Revisor als Vertreter der Staatskasse stets beteiligt werden. Ihm muss der Beschluss zugestellt werden. Ihm steht das Recht der Beschwerde zu. Hat mit fairem Verfahren nichts zu tun. Ich würde ihm rechtliches Gehör gewähren. Aber nicht unbedingt seiner Rechtsauffassung folgen. Er ist kein anderer Beteiligter als der Betroffene bzw. der Betreuer.

    Ich frage mich, ob der zitierte § 274 FamFG im Vergütungsfestsetzungsverfahren überhaupt anwendbar ist.:gruebel:

  • Der Rechtspfleger führt an:

    "Nach den Ermittlungen des Betreuungsgerichtes kann nicht sicher festgestellt werden, ob der Betreute leistungsfähig i. S. d. § 1836d BGB ist, muss zu seinen Gunsten vom Vorliegen der Mittellosigkeit ausgegangen werden.

    Das Gericht hat zudem die Möglichkeit, bei unverhältnismäßigem Aufwand hinsichtlich der Ermittlungen der Mittellosigkeit, diese zu unterstellen. § 168 Abs. 2 Satz 3 FamFG.

    Der Betreute befindet sich wieder in seinem Heimatland und ist auch auf Grund des gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage mitzuwirken, auch sind Verwandte nicht greifbar. Somit hat das Gericht zu unterstellen, dass der Betreute mittellos ist."

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