Einsicht in verwahrtes Testament durch Verwaltungsgericht

  • Guten Morgen,
    ich erhalte in einer Testamentsakte ein Schreiben des Verwaltungsgerichts m.d.B.um Übersendung einer Abschrift eines hier hinterlegten und eines in der Akte befindlichen Testaments
    Der Testator ist noch nicht verstorben.
    Es ist anscheinend ein Verwaltungsstreitverfahren des Testators gegen die Sozialbehörde anhängig. Der Testator steht unter Betreuung, die Betreuerin hat sich mit der Übersendung einer Ablichtung der Testamente einverstanden erklärt.
    Ein gemeinschaftliches Testament wurde bereits eröffnet und befindet sich in der Akte, ein weiteres ist in der amtlichen Verwahrung.
    Ich hätte keine Bedenken, das Testament aus der Verwahrung zu nehmen, eine Kopie anzufertigen und es wieder in die Verwahrung zu geben. Die Betreuerin testiert durch die Zustimmung zur Abschrifterteilung nicht und kann für die Erteilung einer Abschrift den Betreuten vertreten. Sie hat als Wirkungskreis: Rechtsangelegenheiten, Regelung des Postverkehrs und Vermögensangelegenheiten.
    Hättet ihr Bedenken ?


  • Hättet ihr Bedenken ?

    Ja.

    vgl. hierzu auch https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…tament+Betreuer

    Ich denke nicht, dass man dem Betreuer ein allgemeines Einsichtsrecht zubilligen kann. Es muss eine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden.
    Eine Einsicht kommt m.E. nur in Betracht, wenn festgestellt wird, dass die Einsicht dem Willen des Testierenden entspricht.

  • Bei mir würde es keine Einsicht geben, auch nicht für die Betreuerin. Es wäre für mich eine Horrorvorstellung, wenn Bevollmächtigte oder Betreuer an den Inhalt der besonders amtlich verwahrten Verfügung kämen.

  • Sehe ich genauso. In die beim Notar zurückbehaltene beglaubigte Abschrift (so vorhanden) bekommt man ggf. nach den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes Einsicht (oder auch nicht, dazu gibt's auch Entschiedungen), aber für die besonders amtlich verwahrten Urschriften gilt das m.E. nicht. Die hat das Gericht vor dem Tod des Testators verschlossen zu lassen, wenn nicht der Testator selbst kommt.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Die Einsicht durch einen Bevollmächtigten ist unstreitig möglich (KG JFG 4, 159; LG Halberstadt JW 1922, 522 m. Anm. Herzfelder) und für einen gesetzlichen Vertreter kann dann eigentlich auch nichts anderes gelten. Eine andere Frage ist, ob der Wirkungskreis der Vollmacht bzw. der Betreuung ausreichend ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Cromwell (10. Juli 2021 um 16:43) aus folgendem Grund: Schreibfehler - richtig: JFG 4 (nicht 5)

  • Die Einsicht durch einen Bevollmächtigten ist unstreitig möglich (KG JFG 5, 159; LG Halberstadt JW 1922, 522 m. Anm. Herzfelder) und für einen gesetzlichen Vertreter kann dann eigentlich auch nichts anderes gelten. Eine andere Frage ist, ob der Wirkungskreis der Vollmacht bzw. der Betreuung ausreichend ist.


    "Verfügungen von Todes wegen" kann nie zulässiger Wirkungskreis sein.

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  • Dass muss er ja auch nicht.

    Der Testator kann unstreitig ohne weiteres jemanden bevollmächtigen, für ihn in das verwahrte Testament Einsicht zu nehmen und sich davon eine Kopie anfertigen zu lassen, weil insoweit keine Höchstpersönlichkeit in Frage steht. Das ist kein Problem, solange es sich um eine in concreto erteilte Einsichtsvollmacht handelt. Ist es eine "normale" Vollmacht, sehen die Dinge aber wieder anders aus (daher mein Hinweis auf den Wirkungskreis). Bei einer Generalvollmacht wird man aber wohl keine diesbezügliche Zweifel haben können.

    Ein gleichgelagertes Problem ergibt sich, wenn ein Minderjähriger ein notarielles Testament durch Erklärung gegenüber dem Notar oder mittels Übergabe einer offenen Schrift errichtet (§ 2233 Abs. 1 BGB) und der gesetzliche Vertreter während der Minderjährigkeit Einsicht in das bei Gericht verwahrte Testament nehmen möchte.

  • Dann oute ich mich, dass ich (General-und Vorsorge) Bevollmächtigten nie die begehrte Einsicht gewährte. Und das würde ich, wenn ich noch zuständig wäre, weiterhin so handhaben.

  • Dann oute ich mich, dass ich (General-und Vorsorge) Bevollmächtigten nie die begehrte Einsicht gewährte. Und das würde ich, wenn ich noch zuständig wäre, weiterhin so handhaben.


    Ich auch nicht (für bei mir verwahrte Erbverträge). Das LG hat einen Kollegen gehalten (§ 15 BNotO).

    In der Sache geht es weder Eltern noch Betreuer etwas an, was nach dem Tod des Kindes/Mündels mit dessen Vermögen geschieht. Ihre Stellung als gesetzlicher Vertreter endet mit dem Tod. Ändern können sie die Verfügung nicht. Also kann ich auch kein rechtliches Interesse an einer Einsicht erkennen.

    Bei einem Kollegen hat's ein ganz Schlauer mal mit einer Kostenbeschwerde versucht (das wahre Ziel war es herauszufinden, ob und wenn ja welche Vermächtnisse angeordnet waren). Dumm nur, dass der Erbvertrag mit einer gegenseitigen Einsetzung zu Alleinerben anfing, da wurde dann eine auszugsweise Abschrift eingereicht und das war's.

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  • Es wäre ja denkbar, dass in dem Testament ein Beweis einer Tatsache geführt wird, die für den Betroffenen positiv wäre. Könnt ihr euch eigentlich die Verwaltungsgerichtsakte schicken lassen (beiziehen), um das Begehren richtig prüfen zu können?

  • Dann oute ich mich, dass ich (General-und Vorsorge) Bevollmächtigten nie die begehrte Einsicht gewährte. Und das würde ich, wenn ich noch zuständig wäre, weiterhin so handhaben.


    Es ist zwar schon eine Weile her, aber da habe ich auch die Einsichtnahme durch einen Betreuer in ein in amtlicher Verwahrung befindliches Testament des Betreuten abgelehnt.

    Die Begründung (2006) lautet:

    „…. Das gesetzlich nicht normierte Einsichtsrecht in ein Testament wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung jedoch nur dem Testierenden persönlich zuerkannt, um sich über die getroffenen Verfügungen zu verlässigen (Kammergericht Berlin, JFG 4, 159 (s. anl. Kopie); Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., 2004, § 2264 RN 1, MünchKomm/Hagena, BGB, 4. Aufl. 2004, § 2264 RN 29 mit weit Nachw. in den Fußnoten 74 und 75). So wie die Testamentserrichtung oder die Zurücknahme eines Testaments aus der amtlichen Verwahrung nur persönlich vorgenommen werden kann (vgl. die anl. Kopie der Stellungnahme des Deutschen Notarinstituts im DNotI-Report 3/2002, 17 mit weit. Nachw.), so kann auch das Einsichtsrecht nur persönlich wahrgenommen werden. Kann der Testator dieses Recht nicht mehr selbst ausüben, etwa weil er testierunfähig geworden ist, entfällt das Einsichtsrecht. Für den Betreuer kann der Inhalt eines Testaments ohnehin keine Bedeutung haben, da auch der testierfähige Erblasser nicht gehindert wäre, zu seinen Lebzeiten abweichende rechtsgeschäftliche Verfügungen über testamentarisch zugewendete Vermögensgegenstände zu treffen (vgl. entsprechend zum Erbvertrag § 2286 BGB und die Nachweise dazu bei Palandt/Edenhofer, § 2286 RN 1)…..“

    Wie hier dargestellt
    https://books.google.de/books?id=bs3tD…%201650&f=false
    ist die Entscheidung des KG, JFG 4, 159 mit den Veröffentlichungen in der JW 1927, 1650 und in HRR 1927 Nr. 1198 identisch.


    Auch derzeit ist die Frage, ob ein Einsichtsrecht Dritter besteht, nicht so unstreitig, wie dies Cromwell darstellt.

    Sticherling führt dazu im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2256 RN 10 aus:

    „Dem Erblasser – persönlich (str.)30 (beim gemeinschaftlichen Testament jedem Ehegatten/Lebenspartner auch allein) – ist auf Antrag jederzeit Einsicht – auch in sein öffentliches Testament – zu gewähren;..
    30
    Vertretung – auch gesetzliche Vertretung – soll nicht zulässig sein: Schmidt-Recla in Zimmermann ErbR Nebengesetze FamFG § 346 Rn. 24. Str. → BeurkG § 34 Rn. 33.“

    Hingegen führt derselbe Autor im MüKo § 34 BeurkG RN 33 aus:

    „Ob die Einsicht nur dem Erblasser persönlich zu gewähren ist oder auch durch einen Bevollmächtigten oder einen Betreuer erfolgen kann, ist umstritten (s. auch → BGB § 2256 Rn. 10). Zumindest einem ausdrücklich zur Einsicht Bevollmächtigten sollte Einsicht zu gewähren sein.60 Einem allgemein Bevollmächtigtem (auch und insbesondere durch Generalvollmacht, entsprechende Vorsorgevollmacht) und auch einem Betreuer wird – nach der wohl hM zur notariellen Schweigepflicht – keine Einsicht zu gewähren sein.
    60 Grziwotz/Heinemann/Heinemann Rn. 21: Bevollmächtigter und auch Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge (aA Winkler Rn. 12a); aA – nur persönlich – Schmidt-Recla in Zimmermann ErbR Nebengesetze FamFG § 346 Rn. 24; Keidel/Zimmermann FamFG § 346 Rn. 19.

    Zimmermann führt in Keidel, FamFG - Familienverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 20. Auflage 2020, § 346 FamFG RN 19 aus:

    „Die Einsicht in das verwahrte Testament (also das Lesen und dann wieder zurückgeben) ist nur dem Erblasser zu gestatten, nicht seinem Betreuer (§ 1902 BGB) oder nicht sonstigen Personen, auch nicht dem Finanzamt oder der Polizei.“

    Sternal führt im genannten Kommentar in § 13 FamFG RN 13 aus

    „Dagegen besitzt zu seinen Lebzeiten ausschließlich der Erblasser das Recht auf Einsichtnahme in ein Testament, das noch nicht eröffnet ist und sich noch in besonderer amtlicher Verwahrung befindet (§ 34 Abs. 1 BeurkG, §§ 2248, 2249 Abs. 1 BGB); gleiches gilt für die Erteilung einer Abschrift“.

    Demgegenüber führt das Gutachten des DNotI vom 1. August 2016, Gutachten/Abruf-Nr: 149145
    https://www.dnoti.de/gutachten/deta…9dedf8159185994
    aus:
    „Der Erblasser hat die Möglichkeit, in das in Verwahrung gegebene Testament Einsicht zu nehmen und kann hierzu auch einen Dritten bevollmächtigen (Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl. 2003, § 2264 Rn. 12; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 346 Rn. 20)“.

    Keidel/Zimmermann hat aber offenbar seine Ansicht geändert (s.o.).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Frage:
    Darf ein Rechtsanwalt, der mit der Beratung (erbrechtlich, gesellschaftsrechtlich, familienrechtlich) des Betroffenen betraut ist, Einsicht in ein beim AG verwahrtes Testament nehmen? In ein bei einem Notar verwahrten Erbvertrag?

    Dürfte ein Beauftragter Notar Einsicht nehmen? Ein Notar, der die Verfügung von Todes wegen beurkundet hat, in seine „eigene“ Urkunde?

    Ein Notar ist „doch“ auch nur ein Bevollmächtigter. Und damit weniger als ein gesetzlicher Vertreter.

    Ich b8n auf die Antworten gespannt.

  • Frage:
    Darf ein Rechtsanwalt, der mit der Beratung (erbrechtlich, gesellschaftsrechtlich, familienrechtlich) des Betroffenen betraut ist, Einsicht in ein beim AG verwahrtes Testament nehmen? In ein bei einem Notar verwahrten Erbvertrag?
    Nein
    Dürfte ein Beauftragter Notar Einsicht nehmen? Ein Notar, der die Verfügung von Todes wegen beurkundet hat, in seine „eigene“ Urkunde?
    NeinEin Notar ist „doch“ auch nur ein Bevollmächtigter. Und damit weniger als ein gesetzlicher Vertreter.

    Ich b8n auf die Antworten gespannt.

    Ich habe mich selbst an meine strenge Ansicht gehalten, als ich Testamentsverwahrung und Betreuung noch gleichzeitig bearbeitete. Da wäre es manchmal zweckmäßig gewesen, den Inhalt zu kennen, insbesondere wenn die laufenden Einnahmen nicht ausreichten und man veräußern musste.

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